Security-Firmen fordern Gesetz: Ungezügelte Sicherheit
Private Sicherheitsdienste wollen mehr Befugnisse. Flüchtlingsräte und Fußballinitiativen halten dagegen: Schon heute falle die Branche negativ auf.
Dort müssten Anforderungen an die Qualifikation, eine Tarifbindung oder Systemrelevanz der Sicherheitsleute festgeschrieben werden, so der Verband. Auch brauche es landesrechtliche Ermächtigungen für „Minimalbefugnisse“ oder „Regeln“ im Falle von Streiks bei kritischen Infrastrukturen, etwa obligatorische Schlichtungsverfahren vor jedem Streik, da diese „unkalkulierbare Risiken“ haben könnten. Das Gesetz müsse „unmittelbar nach den Wahlen“ in Angriff genommen werden.
Die Forderung trifft nun allerdings auf Widerstand. Mehr als 20 zivilgesellschaftliche Organisationen warnen vor solch einem Gesetz – Flüchtlingsräte, der Republikanische Anwältinnen- und Anwaltsverein (RAV), Streetworker oder Fußballfanvereinigungen. „Keine Ausweitung der Befugnisse für das kommerzielle Sicherheitsgewerbe“, heißt es in einem gemeinsamen Appell, der am Mittwoch veröffentlicht werden soll.
Schon jetzt würden private Wachleute immer wieder in Geflüchtetenunterkünften Bewohner:innen drangsalieren, kritisierten die Initiativen. Auch Wohnungslose, Migrant:innen oder Fußballfans würden wiederholt Opfer der Securities. Und dass auch das Streikrecht eingeschränkt werden soll, sei ein „ungeheurer Vorgang“.
„Tägliche Grundrechtsverletzungen“
Tatsächlich plant das Bundesinnenministerium derzeit ein Gesetz für die private Sicherheitsbranche. Die Erstellung sei in Arbeit, bestätigte am Dienstag ein Sprecher der taz. „Ziel ist, die Sicherheitsstandards im Sicherheitsgewerbe weiter zu verbessern.“ Bisher gilt für die Branche lediglich die Gewerbeordnung. Der Gesetzentwurf soll laut Ministerium in der neuen Legislaturperiode „baldig“ vorgelegt werden. Schon in ihrem Koalitionsvertrag von 2017 hatten Union und SPD ein solches Gesetzesvorhaben vereinbart.
Die Initiativen warnen indes vor dem Vorhaben. Gerade in Geflüchtetenunterkünften drohe mit mehr Befugnissen für Sicherheitsdienste „eine weitere Verschärfung der Situation“, erklärt Walter Schlecht von der Aktion Bleiberecht. Securities würden dort schon heute „grundrechtsverletzende Hausordnungen mit fraglichen Befugnissen durchsetzen“. Asylsuchende seien ihnen „weitestgehend ausgeliefert“. Auch Katharina Grote vom Bayerischen Flüchtlingsrat beklagt in den Unterkünften „unhaltbare Zustände mit täglichen Grundrechtsverletzungen“, etwa indem auch gegen den Willen der Bewohner:innen Taschen oder Zimmer kontrolliert würden.
Andreas Abel von dem Berliner Straßensozialarbeitsprojekt Gangway beklagt Übergriffe privater Sicherheitsdienste auch auf Wohnungslose. Diese würden, oft „martialisch und konfrontativ“, aus Bahnhöfen oder Malls vertrieben. Bekämen die Securities nun auch das Recht, Personalien zu kontrollieren oder Platzverweise zu erteilen, vernachlässige der Staat „seine Fürsorgepflicht endgültig“. Rechtsanwältin Angela Furmaniak von der „AG Fananwälte“ kritisiert zudem, dass Sicherheitsaufgaben in Fußballstadien auch an ungeschultes Personal oder Neonazis übertragen werden. „Das kann, vorsichtig formuliert, nur sehr besorgt machen.“
Die Initiativen wollen sich nun an alle Bundestagsabgeordneten und Kandidierenden wenden, um deren Position zum privaten Sicherheitsgewerbe abzufragen. Der Branchenverband betont dagegen, ihm gehe es nur um „noch mehr Qualität und Seriosität“ und „zeitgemäße“ Rahmenbedingungen. Auch das Innenministerium versicherte auf eine Linke-Anfrage, man strebe „derzeit keine Kompetenzerweiterungen für private Sicherheitsunternehmen“ an. Auch werde man nichts vorschlagen, was „zu einer Aushöhlung des staatlichen Gewaltmonopols führen kann“. RAV-Geschäftsführer Lukas Theune traut dem nicht: „Öffentliche Sicherheit ist eine öffentliche Aufgabe und kein Selbstbedienungsladen für profitorientierte Unternehmen.“
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