Schwarzarbeit bei Putzhilfen: Nicht ganz sauber
Mit Gutscheinen will die Bundesregierung die Schwarzarbeit bei Haushaltshilfen reduzieren. Kann das funktionieren?
Manuela Zimmermann ist Raumpflegerin und kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus: „Ich bekomme fairen Lohn, nutze nachhaltige Putzmittel und bin versichert.“ Seit drei Jahren arbeitet sie bei der Reinigungsfirma Klara Grün und dort sei es anders als sonst in der Branche. Selbst wenn sie oder ihre Tochter mal krank werden, bekommt sie weiter Geld und muss sich keine Sorgen um ihren Job machen.
Für Haushaltshilfen in Deutschland ist das nicht selbstverständlich. Die meisten in der Branche arbeiten schwarz – also ohne Sozialversicherungen und an der Steuer vorbei. Das habe Vor- und Nachteile, erzählt Manuela Zimmermann, die eigentlich anders heißt. Auch sie hat früher unangemeldet gearbeitet. Darum will sie lieber anonym bleiben. „Wenn du schwarzarbeitest, hast du das Geld bar, davon zieht dir keiner was ab“, sagt sie.
Aber es sei auch gefährlich, beispielsweise allein in fremde Wohnungen zu fahren, ohne dass jemand davon weiß. Aber wem hätte sie etwas sagen sollen? „Damit gehst du nicht hausieren. Da schämst du dich ja auch für.“
Zum Dunkelfeld der schwarzarbeitenden Haushaltshilfen in Deutschland gibt es unterschiedliche Schätzungen. Alle gehen aber davon aus, dass mehr als drei Viertel jener, die haushaltsnahe Dienstleistungen anbieten, nicht angemeldet sind. Die allermeisten von ihnen sind Frauen.
Dabei ging die Schwarzarbeit in den vergangenen Jahren bereits zurück, mit 20 Prozent Steuererleichterung und vereinfachter Anmeldung wurden Anreize für legale Beschäftigung geschaffen.
Gutscheine für Familien, Alleinerziehende und Pflegende
Mit Gutscheinen möchte die Bundesregierung nun ab 2023 Familien, Alleinerziehende und pflegende Angehörige zu 40 Prozent bei den Kosten unterstützen, wenn sie legale Haushaltshilfen bei zertifizierten Firmen engagieren. Bis zu 2.000 Euro Bonus stellt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in Aussicht. Das werde die Schwarzarbeit weiter eindämmen.
Die Linken-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow zweifelt daran: „Das Ziel ist gut, aber das Mittel greift zu kurz.“ Es würde die „Kluft zwischen Menschen mit gutem Einkommen und einer arbeitenden, aber armen Dienstleistungsklasse weiter zementiert, statt sie aufzubrechen“.
Das glaubt auch Manuela Zimmermann. Wenn es um eine fair und gut entlohnte Haushaltshilfe gehe, dann seien 40 Prozent für die meisten Haushalte einfach zu wenig. Und es gebe genug Leute, die das Geld hätten und trotzdem unfair bezahlten.
Mehr als zwanzig Jahre lang hat sie Wohnungen geputzt, ohne dass ihre Auftraggeber*innen sie anmeldeten. Auch bei Wohlhabenden habe sie saubergemacht. Die hätten aber auch nicht besser bezahlt, manchmal nur 5 oder 6 Euro in der Stunde.
Wenig konkrete Zahlen
Mehr über die Auftraggeber*innen von Schwarzarbeit zu sagen, ist schwer. Zahlen lassen sich kaum erheben. „Dass Menschen zugeben, dass sie etwas illegal machen, ist eher selten“, sagt Dominik Enste vom Institut der deutschen Wirtschaft. Er forscht seit Jahren zur Schwarzarbeit, ihrem Umfang und ihren Ursachen. Wer seine Putzhilfe anmelde und wer nicht, das sei meist reine Spekulation.
Aber mithilfe des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) mit jährlich knapp 15.000 befragten Haushalten ließen sich wenigstens näherungsweise Zahlen zu haushaltsnahen Dienstleistungen bestimmen.
8,6 Prozent der Haushalte beschäftigten demnach gelegentlich oder regelmäßig Haushaltshilfen. Tatsächlich zeigten die Daten, dass Haushalte mit überdurchschnittlichem Einkommen häufiger eine Haushaltshilfe beschäftigen. Aber die größte Gruppe mit 18 Prozent seien Menschen, die älter als 60 Jahre sind. Bei ihnen erledigen die Haushaltshilfen „pflegerische Ergänzungsdienstleistungen und alltägliche Aufgaben, die die Auftraggeber nicht mehr allein bewältigen können“, sagt Enste. Der Bedarf habe also einen höheren Einfluss als das Einkommen.
„Ältere wollen lieber legal anstellen“, erzählt Manuela Zimmermann. Sie müssten aber oft die Erfahrung machen, dass viele Haushaltshilfen selbst lieber schwarzarbeiten. Diese wollten nicht, dass der Staat ihre Harz-IV-Sätze kürze oder sie hätten keine Arbeitserlaubnis in Deutschland. Dazu gebe es „naturgemäß“ keine Daten, sagt Wissenschaftler Enste. Aber auch mangelnde Sprachkenntnisse oder fehlende Anreize könnten da eine Rolle spielen.
Weitergehendes Modell
Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, betont, dass es sich bei Haushaltshilfen in Schwarzarbeit überwiegend um „Frauen mit Migrationsgeschichte“ handle. Für die bedeute die Beschäftigung „keine Absicherung gegen Arbeitslosigkeit, keine Rentenansprüche, kein sozialer Schutz“. Darum sei es gut, dass die Bundesregierung sich des Themas annehme. Der DGB schlage aber ein weitergehendes Modell vor. „Danach sollten alle Haushalte mindestens die Hälfte der anfallenden Kosten erstattet bekommen“, sagt Piel.
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Zumindest langfristig sollen nach dem Plan von Arbeitsminister Heil alle Haushalte vom Gutscheinsystem profitieren. Das koste nicht nur, sondern generiere auch Steuereinnahmen. Privathaushalte könnten dann die von ihnen benötigten Leistungen bei staatlich anerkannten Agenturen buchen. Manuela Zimmermann ist jedoch skeptisch, was diese Reinigungsfirmen angeht. Die Frage sei: Wie viel bekomme dann die Agentur, wie viel die Haushaltshilfe?
„Bei den großen Firmen bist du einfach austauschbar“, sagt sie. Auf der einen Seite würde voller Einsatz verlangt und Arbeitsschutz bei den Reinigungschemikalien sei zweitrangig. Andererseits sei sie sofort gekündigt worden, als sie einmal krank wurde.
Bei drei großen Firmen habe sie gearbeitet und auch von anderen nichts Gutes gehört, „da zeigen sich Muster“. Die Bezahlung sei zwar pünktlich gekommen, aber nicht über dem Mindestlohn gewesen. Nicht fair für die Arbeit, findet sie, selbst wenn der Mindestlohn auf 12 Euro angehoben werde.
Das Ziel müsse es sein, „gute Arbeit, möglichst tarifvertraglich geregelte Löhne und sichere Arbeitsbedingungen in Privathaushalten zu schaffen“, sagt Anja Piel vom DGB. Ähnlich klingt es bei der Linken Susanne Hennig-Wellsow: „Das ist der einzig vernünftige Weg, um Menschen ein gutes Einkommen zu ermöglichen.“
Anfangs habe Manuela Zimmermann auch bei ihrer neuen Firma immer Angst gehabt, wenn sie krank wurde, erzählt sie. Doch das habe sich mittlerweile gelegt. „Der Job macht mir Spaß, denn ich gebe anderen Leuten wertvolle Zeit“, sagt sie. „Ich werde den Teufel tun und mir was anderes suchen.“
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