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Schwarz-rot-gelb im Bezirk Hamburg-MitteHamburger Farbenspiele

SPD, CDU und FDP schmieden im Bezirk Hamburg-Mitte eine „Deutschland“-Koalition. Grüne sind außen vor, nachdem sechs Mitglieder zur SPD überliefen.

Die Herren sind zufrieden: neue Koalition im Bezirk Mitte Foto: Kaija Kutter

Hamburg taz | Mit den Grünen hätte es das nicht gegeben. Es waren nur Männer, die sich am Sonntag zum Foto aufs Deck des Museumsschiffs Rickmer Rickmers stellten, und auch nur Männer, die im Anschluss beim Pressegespräch am „Käpt’ns Table“ im Schiff zum neuen Mitte-Bündnis aus SPD, CDU und FDP Rede und Antwort standen. Aber die Freude über die unverhofft erlangte Macht strahlte den Politiker-Jungs aus jeder Pore. Sie waren so glücklich über die Wendung der Dinge in ihrem Bezirk, sodass dieses Detail niemand thematisierte .

Eigentlich waren die Grünen in Mitte bei der Bezirkswahl im Mai stärkste Kraft geworden, die SPD nur Junior-Partner. Doch weil sich die Öko-Partei im Streit um Islamismus-Vorwürfe zerlegte und sechs Abgeordnete Anfang Oktober zur SPD überliefen, wurden die Roten nun wieder stärkste Partei. Gefragt, warum nicht dennoch eine Fortsetzung von Rot-Grün möglich wäre, sagte der langjährige SPD-Mitte-Chef Johannes Kahrs: „Wir haben mit den sechs Neuen geredet. Die sagten, dies ist die bessere Koalition.“

Kahrs war schon im Wahlkampfmodus und hackte auf die Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Fegebank ein. Er habe in 30 Jahren Politik so etwas noch nicht erlebt. Fegebank hätte doch mit den Sechsen, die schon vor vier Monaten eine eigene Fraktion gründeten, weil zwei von ihnen öffentlich des Islamismus bezichtigt wurden, „wenigstens mal reden können“. Kahrs Vorwurf zielt insofern etwas daneben, als Fegebank nicht Parteichefin ist.

Auch CDU-Kreis-Chef Christoph de Vries trat noch mal nach. Er sagte, die Grünen in Mitte wären ihrer Führungsverantwortung als stärkste Kraft nicht gerecht geworden. Er sprach, was die anderen vermieden, von der „ersten Deutschland-Koalition“, welche die drei Parteien „in Rekordzeit“ geschmiedet hätten – eine Anspielung auf die Farben der Parteien. Fest steht auch, dass Mitte-Bezirkschef Falko Drossman im Amt bleibt.

Anti-grüne Duftmarken

Programmatisch hat das Bündnis ein paar anti-grüne Duftmarken gesetzt. So hält es nichts von einer autofreien Innenstadt, wie sie den Grünen vorschwebt. De Vries sprach von „Bevormundung“, die er ablehne. Man müsse an die Menschen in den äußeren Bezirken denken. Deshalb sollen Park-&-Ride-Anlagen ausgebaut und – eine CDU-Forderung – „langfristig kostenlos“ sein. Und Radverkehr an Hauptstraßen soll eine „baulich abgetrennte Linienführung“ haben.

Die drei Fraktionen hätten sich „gegenseitig bei Herzensanliegen nicht versperrt“, sagte der CDU-Mann, und nannte das Thema Law and Order. So wolle das Bündnis durch zusätzliche Stellen einen „bezirklichen Kontrolldienst“ etablieren und der Drogenszene auf St. Pauli und in St. Georg aber auch an dezentralen Orten wie Billstedt und Horn „entschlossen entgegentreten“. Spielhallen sollen zurückgedrängt, Quartierszentren ausgebaut und Wochenmärkte erhalten bleiben.

Die FDP, die eigentlich rechnerisch nicht nötig gewesen wäre, weil CDU und SPD allein schon eine knappe Mehrheit der Sitze haben, betonte, wie wichtig kostenschonendes Bauen sei. „Wir setzen nicht auf Mietendeckel, sondern konsequent auf Neubau“, sagte Fraktionschef Timo Fischer.

Wohnungsbau ist Schwarz-Rot-Gelb wichtig. Es soll höher gebaut werden und zugleich grün; so sollen 10.000 neue Bäume gepflanzt werden und Billstedt einen neuen Wald bekommen. Doch anders als im rot-grünen Bezirk Nord, wo Einfamilienhäuser aus künftigen Bauplänen ausgeschlossen werden sollen, will das neue Mitte-Bündnis Einzel- und Doppelhäuser weiter ermöglichen.

Gefragt, ob ein SPD-CDU-FDP-Bündnis ein Modell für Hamburg sei, hielten sich alle drei zurück, verwiesen auf die Besonderheiten der Bezirkspolitik und auf die „Chemie“, die hier nun mal stimme.

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6 Kommentare

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  • Ich kann ja verstehen dass die 6 Ex-Grünen jetzt nicht eine Koalition mit den Grünen wollen. Aber deshalb sofort zentrale grüne Forderungen wie weniger Autos in der Innenstadt einfach vergessen?

  • 0G
    05437 (Profil gelöscht)

    Dass Kahrs [...] um jeden Preis an der Macht bleiben [will], ist wenig überraschend. [...]

    Kommentar gekürzt. Bitte achten Sie auf Ihre Ausdrucksweise. Die Moderation

  • G
    Gast

    Gruppenbild mit Männern, aus der CDUSPDFDP in Hamburg Mitte, ein altbekanntes Bild. Da sind die Erwartungen an Änderungen doch eher verhalten bis nicht vorhanden. Wir erinnern uns ja auch gern mal an Listenaufstellungen in der CDU Mitte, für den Bundestag wurde die einzige kompetente Frau gnadenlos ausgebootet. "Wir setzen nicht auf Mietendeckel, sondern konsequent auf Neubau" aber sicher doch liebe FDP, nur damit lässt sich richtig Geld verdienen. Ausserdem habe ich noch im Ohr, dass die Spalter meinten grüne Politik (in der SPD ???)machen zu wollen???? Das war dann wohl nichts. Ich habe ja immer die Meinen g vertreten, dass die sechs Spalter*innen mit Politik und Lokalpolitik nicht viel am Hut haben. Einer dieser Spezialisten sagte mir ja auch nach der Wahl, das könne man alles lernen. Hat er aber wohl nicht. Was nun die Auseinandersetzungen in Mitte mit der Wissenschaftssenatorin zu tun haben, erschließt sich. nur dann dem geneigten Leser, der geneigten Leserin, wenn man weiß, dass im Februar in Hamburg Bürgerschaftswahlen sind und der SPD der A... auf Grundeis geht.

  • Diese Konstellation ist nach dem Geschmack der SPD in HH-Mitte, weil sie direkte Vorteile für Johannes Kahrs bringt. Er ist dann wieder der Chef, dominiert den Bezirk und kann auch auf bestimmte Mittel zugreifen. Interessant ist, dass er die Abgrenzung zu den Grünen schon vorantreibt, ohne wirklich was Tolles anzubieten.

    Der Bezirk wird weiterhin Teile der ärmsten Schichten behausen, teilweise die strapaziertesten Schulen aufweisen und durch den Verkehr und die Infrastruktur erhebliche Belastungen erfahren.

    Echte Verbesserungen für die Einwohner wird diese Konstellation nicht hinbekommen. Wenn die Menschen nicht mehr auf einen Wochenmarkt gehen, kann das viele Gründe haben. Per politischen Beschluss rettet man die nicht so schnell, zumal les ja auch Wochenmärkte gibt, die aus allen Nähten platzen - aber eben nicht in Mitte.

    Und das Vorgehen gegen Dealer klingt gut, aber das Problem ist doch, dass Menschen Drogen nehmen und das wird weiterhin passieren. Und wo Käufer sind, sind Verkäufer nicht weit, aber die sollten sich jetzt besser verstecken als sonst. Die Drogenszene wird nicht verschwinden, vielleicht bekommt diese Konstellation sie besser in den Untergrund, da wird dann alles bleiben, wie es ist, wage ich zu prognostizieren. Fragt sich dann, was nach vier oder finf Jahren jemand dazu sagen will.

  • Ja, der Johannes Kahrs - von Frauen hält er nunmal nix:



    taz.de/Die-Politik...es-Kahrs/!5567142/

  • Der Bezirk Nord ist nicht rot-grün, sondern grün-rot.