piwik no script img

Schwarz-grüne ZukunftVerkrustungen durchbrechen

Glaubt eine Mehrheit daran, dass Zukunftspolitik noch möglich ist? Die OB-Wahl in Wuppertal gibt eine Antwort.

Der von der CDU unterstützte OB-Kandidat Schneidewind vor einem Plakat seines Gegners von der SPD Foto: Volker Wiciok

A uf das Niveau von Christian Lindner und Friedrich Merz mag ich mich nicht begeben. Um es mit Christian Drosten zu sagen: Ich habe Besseres zu tun. Nur kurz: Im Gegensatz zu Lindner, dessen Humorverständnis noch breiter verankert sein könnte, steht Merz mit seinen Gedanken zur Homosexualität für einen kleinen Teil der Gesellschaft, wie es auch sein Werbepartner Bild tut, der früher die Massen zu vertreten beanspruchte.

Das ist die entscheidende Veränderung: Bild und Merz sprechen für einen Rand, nicht für eine diverse und pluralistische Mehrheitsgesellschaft. In deren bürgerlich-liberalem Zentrum haben sich jetzt fett die modernisierten Grünen positioniert, aber da sind auch Söder, Röttgen, Laschet und bis auf Weiteres Scholz.

Diese Umkehrung des Mitte-Rand-Verhältnisses kann man als positive Entwicklung und Chance sehen, wie ich es tue. Oder man kann bis zur Bundestagswahl mit Reduzierung auf zweifellos vorhandene emanzipatorische Defizite, Charakterfragen und Stereotype beschwören, wer und was alles gar nicht geht. Grüne und die beiden sozialdemokratischen Parteien? Bloß nicht. Grüne und Union? Schlimm. Grüne Ampel mit FDP? Nur über Lindners politische Leiche!

Letztlich läuft dieser Kritikmodus aber darauf hinaus, dass Zukunft gar nicht geht.

Dann bliebe nur die derzeitige Koalition, die Zukunftspolitik konsequent verweigert und letztlich auch dafür gewählt wurde. Gleichzeitig wächst aber das Bewusstsein, dass es höchste Zeit ist, das bundesrepublikanische Schneckenhaus zu verlassen und sich auf die Realität von Klimakrise, geopolitischen und ökowirtschaftlichen Umwälzungen einzulassen.

So gesehen ist nicht nur für die grüne Bundeszentrale die wichtigste Wahl an diesem Sonntag die Oberbürgermeisterwahl im sozialdemokratisch verkrusteten Wuppertal. 350.000 Einwohner, große Vergangenheit, aber heute im Großstädteranking im letzten Drittel. Hier wird der SPD-Amtsinhaber Andreas Mucke von dem Wirtschaftswissenschaftler Uwe Schneidewind, 54, herausgefordert.

Der langjährige Chef des Transformations-Thinktanks Wuppertal Institut tritt für die Grünen und die CDU an. Das Mutige besteht darin, dass Schneidewind die evidenten kulturellen Gegensätze zwischen Grüner Jugend und Senioren-CDUlern nicht mehr als K.-o.-Kriterium akzeptiert, sondern offensiv eine gemeinsame Zukunftsgeschichte über wirtschaftliche, soziale und ökologische Projekte erzählen will, auf die man sich einigen kann, ohne einen gesellschaftspolitischen Weltsichts- und Sprachkanon zu teilen.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Ein Höllenritt. Man kann das ahnen, wenn man sieht, dass in den letzten Tagen nicht nur Robert Habeck und Armin Laschet zur Unterstützung desselben Kandidaten nach Wuppertal kamen, sondern die Spannbreite von Claudia Roth bis Jens Spahn reicht.

Schneidewind hat im Wahlkampf seine Worte sorgfältig gesucht und gesprochen und etwa den klimapolitischen Bereich nicht verabsolutiert. Aber er verhehlt auch nicht, dass er Grünen-Mitglied ist und für ein „grün-schwarzes Projekt“ steht, nicht für ein schwarz-grünes. Heißt wie in Baden-Württemberg: Grün führt.

Das ist für Schwarze wie für Rote oberhart, weshalb offenbar Teile der CDU-Kundschaft im ersten Wahlgang zu Hause blieben, den Schneidewind trotzdem gewann. Doch für eine absolute Mehrheit braucht er auch diese zögernden CDU-Wähler, die am weitesten von ihm entfernt sind und am schwersten für Veränderung zu gewinnen. Glaubt eine Mehrheit noch daran, dass andere Politik etwas besser machen kann – oder nicht mehr? Das ist die Frage der nächsten 12 Monate. Die erste Antwort bekommen wir von Wuppertal.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Peter Unfried Herzensthema ist das schwarz-grüne Bündnis, bzw. diesmal das grün-schwarze Projekt. In Wuppertal wird ein Grüner Oberbürgermeister unterstützt von der CDU. "... wie in Baden-Württemberg. Grün führt." Doch nicht ganz. Im Rat der Stadt haben die Grünen 16 Sitze, die CDU 20, die SPD 23, die FDP 6, Linke und AFD haben jeweils 5. Für eine Mehrheit brauchen die Grünen und die Schwarzen also noch die FDP. Ich bin gespannt auf die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Projekte des neuen OB. Allerdings kann ich diese Vorliebe für Grün + Schwarz, bzw. Schwarz und Grün nicht nachvollziehen, wenn eine progressive, ökologische und soziale Politik angestrebt wird. Aber vielleicht bin einfach zu unwissend. Und der grüne Ministerpräsident in BW hat schon längst die Grundlagen für eine Green Economy gelegt und dafür gesorgt, dass z.B. Daimler nicht mehr in erster Linie nur an seinen Profit denkt, sondern verstärkt auch an die Reduktion der Abgaswerte.



    Und auf Bundesebene: wie soll Schwarz-Grün oder gar Jamaika sich auf eine höhere Besteuerung der Vermögenden einigen, eine soziale Wohnungspolitik machen, die eine Deckelung der Mieten beinhaltet, eine Verkehrspolitik umsetzen, die gegen die Raserei und die Umweltbelastung durch die Autos vorgeht ??? Ich habe dazu bei Peter Unfried noch keine Antworten gefunden. Aber vielleicht hat er auch andere Ziele. Sein Lieblingsattribut ist seit einiger Zeit: liberal. Hauptsache liberal. Also wenn die ökoliberalen (Grünen) und die konservativ-liberalen (CDU, CSU) und vielleicht noch die blaugelben Marktliberalen sich zusammen tun, muss einfach was Gutes bei rauskommen. Denn: im "bürgerlich-liberalem Zentrum (der pluralistischen Mehrheitsgesellschaft) haben sich fett die modernisierten Grünen positioniert." Der Scholz ist nur "bis auf Weiteres" dabei, die Linken sicher nicht.

  • Na, dann dürfen sich nun die Grünen die Zähne an der CDU ausbeißen oder CDU-Politik machen.

    Das könnte endlich den Weg zu einer progressiven Koalition freimachen, wenn die Grünen die Lehren daraus ziehen dürfen.

  • Klimakatastrophe?



    Grün macht mit schwarz rum...

  • Lieber Kruste als schwatzgrienes Oberschichten-Kartell.

  • Short cut. Bon Appétit.

    Edel Edel - Früher Hyperpiper alter Blödmann Lindner.



    Heute - 🦞 🦞- 🦪 🦪 - Krustentiere!



    Nobel geht die Welt zugrunde.



    & Däh - Höllenritt -



    In Wuppertal & “Elberfeldt - dort wo das Wasser fällt!



    Da sehen wir - uns wieder!

    Na Mahlzeit - SM - Seine Majestät - Es ist vollbracht! - 🤩 -



    www.tagesspiegel.d...bart/10918046.html -



    Endlich spricht mal einer Fraktur!



    Im Bayernkurier Immergriiens di taz

    kurz - Wünsche alles Schlechte - 👹 -

  • O je, Schwarz-Grün.

    Die "Grünen" haben den Rückwärtsgang eingelegt!



    Der Marsch durch die Institutionen endet in Muttis Armen. Da wollte man also hin!



    Von Fortschritt keine Spur, stattdessen vorwiegend Machtgeilheit. Posten und Geld winken.

    • @Hartz:

      Ich zitier nur über Bande - Andreas Rebers - Annalena - Gellewelle a talk 📺

      “…öh Kobolt im Kongo…,!“ - 🤑 -

      kurz - Ja da legst die Nieder - wa!

      unterm—— Ich helfe gern — alles!! 🤣



      m.youtube.com/watch?v=iK7Xiu0C_iM & im Rachen stecken bleiben - 😱 -

  • wieder mal ein taz-artikel der für schwarz-grüne koalitionen wirbt:dass einzige positive was Ich solchen abzugewinnen vermag ist dass sie die grüne partei -der Ich noch immer nicht verziehen habe dass sie beim hartzismus mitgemacht hat schwächen und sie bei der jugend um ihre glaubwürdigkeit bringen werden und dass davon die linke profitieren würde.



    konsequenter klimaschutz geht mit keiner neoliberalen prokapitalistischen partei-auch nicht mit den grünen.

    die fff bewegung hatte bei der letzten demonstration in köln ein transparent dass dies auf den punkt bringt:

    "burn capitalism-not coal"



    auch der slogan "system change not climate change "war auf vielen schildern zu lesen