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Schwarz-Grün in NRWGrüne Harmoniesucht

Kommentar von Andreas Wyputta

Im Bündnis mit der CDU könnten nicht nur grüne Kernthemen auf der Strecke bleiben. Ignoriert wird auch die Spaltung der Gesellschaft – in Arm und Reich.

Viel Harmonie, aber wenig Empathie für nicht wohlhabende Menschen: Das Duo Wüst-Neubaur

N ordrhein-Westfalens Grüne sind jetzt da, wo sie viele ihrer Spitzen-Leute sie schon 2010 haben wollten: In den Armen der Christdemokraten. Einstimmig hat nicht nur der CDU-Landesvorstand am Sonntag den Einstieg in Koalitionsverhandlungen beschlossen. Auch beim kleinen Parteitag der Grünen in Essen gab es nicht eine einzige Stimme gegen das Bündnis mit den Konservativen, sondern nur 7 Enthaltungen.

Abgefeiert haben die Grünen in der Essener Philharmonie stattdessen die eigene neue Stärke, die Beinahe-Verdreifachung des Wahlergebnisses bei der Landtagswahl vom 15. Mai auf 18,2 Prozent, die Größe der neuen, 39 Köpfe zählenden Landtagsfraktion – und ein wachsweiches gemeinsames Sondierungspapier mit den Christdemokraten des bisher von der FDP unterstützten Ministerpräsidenten Hendrik Wüst. Dabei bleibt das selbst bei den grünen Kernthemen Ökologie und Klimaschutz erschreckend schwammig.

Denn dem Ergebnis der nur viertägigen Sondierungen fehlt nicht nur eine konkrete Jahreszahl, bis wann der versprochene Umbau „zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas“ abgeschlossen sein soll. Im Rheinischen Revier soll das Dorf Lützerath offenbar doch noch den Baggern des Braunkohletagebaus Garzweiler geopfert werden. Von der versprochenen Solarpflicht für alle Neubauten ist keine Rede mehr. Der Flächenfraß soll lediglich halbiert werden – dabei verschwindet in NRW jeden Tag die Fläche von 18 Fußballfeldern unter Asphalt und Beton. Und zum dramatischen Artensterben heißt es nur unverbindlich, beide Parteien wollten „Maßnahmen aus der Volksinitiative Artenvielfalt aufgreifen“.

Wüst und seine Christdemokraten, die zur Regierungsbildung auf die Grünen angewiesen sind, spielen also auf Zeit. Bisher haben sie nur ein wohlklingendes, aber nichtssagendes Papier abgesegnet, das geschickt und unverbindlich Keywords der Grünen bedient. Wenn diese wenigstens ihre Kern-Inhalte durchsetzen und nicht den Anschluss an Klima- und Umweltbewegung verlieren wollen, dann werden sie bei den schon am Dienstag startenden Koalitionsverhandlungen sehr hart verhandeln müssen.

Große Versöhnungsrhetorik

Doch ob die nordrhein-westfälischen Grünen dazu überhaupt bereit sind, müssen sie noch beweisen. Die grüne Verhandlungsführerin Mona Neubaur jedenfalls produzierte nach dem Beschluss für den Einstieg in Schwarz-grün erst einmal Sprechblasen pur, schwärmte über die „große Möglichkeit, lagerübergreifend Versöhnung herzustellen“. Versöhnen will die designierte Vize-Ministerpräsidentin nicht nur „Stadt und Land“, sondern „die Generationen“ gleich mit – also quasi alle mit allen.

Erklärbar wird diese neue grüne Harmoniesucht nur durch den Blick in die Parteigeschichte. Die Erinnerung an Traditionssozis wie die einstigen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement und Peer Steinbrück, die sich selbst in rot-grünen Koalitionen zum „Koch“ erklärten und die Grünen als „Kellner“ demütigen wollten, ist tief in der Partei verankert. Vergessen und verdrängt wird dabei allerdings die tiefste Spaltung der Gesellschaft überhaupt: die zwischen Arm und Reich.

Nicht ohne Grund ist das Kapitel „Arbeit und Soziales“ im 12-seitigen schwarz-grünen Sondierungspapier erschreckend dünn, nimmt gerade einmal 20 mitleiderregende Zeilen ein. Nicht umsonst waren explodierende Mieten, eine Sozialpolitik für alle beim Essener Parteitag der Grünen nur ein Randthema der Parteijugend und eines einzelnen Delegierten aus dem sozial besonders hart gespaltenen Ruhrgebiet.

Schwarz-grün ist eben kein lagerübergreifendes Bündnis, sondern wird eine Koalition mit einer klaren Arbeitsteilung: Die CDU vertritt den konservativen, die Grünen den progressiven Teil der oberen Hälfte der Gesellschaft. Für die unteren 50 Prozent, die schon heute kaum etwas besitzen, heißt das nichts Gutes.

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Inlandskorrespondent
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12 Kommentare

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  • Für Macht tun die Gruenen alles, wer das immer noch nicht weiss, ist naiv.



    Das ist eine neoliberale Partei mit grünen Anstrich. Klima ablenkungsthema, viele fallen darauf hinein.



    Und wundern sich langsam zu was die Gruenen alles bereit sind.

  • 9G
    93851 (Profil gelöscht)

    Politiker:innen drehen allzu oft ihr Fähnchen nach dem Wind, doch nur, um sich Vorteile zu verschaffen.



    Ein grüner Anstrich ist doch gerade in "der jetzigen Jahreszeit" die beste Tarnkappe, nicht wahr?

    Und wenn man den Polit-Posten dann irgendwann an den Nagel hängt, hat man zum einen



    – ausgesorgt –



    und mutiert häufig zum Joschka Fischer, Gerhard Schröder etc. .

    www.handelsblatt.c...cht/3914876-3.html

    ...und wer's noch nicht wusste: youtu.be/xYXK7uh93Uo

    Macht doch rein " gar nichts", denn Herrn Fischer ist das sogar einen Nachruf wert:

    jfandc.de/news/nac...deleine-k-albright

    Gut zu wissen:



    so manche machen aus "nach dem Wind drehen" glatt eine 180°-Kehre. Der Wind kommt dann narürlich sofort aus einer komplett anderen Richtung, 180° Grad....;-)) ...versteht sich.

    Wer sowas kapiert, was niemand kapiert, kann Politiker:in werden. Letztere brechen vermutlich Kapiervorgänge deswegen einfach ab.

    Ahoi.

  • Das hier beschriebene Verhalten der NRW-Grünen war mit Ansage.



    Dazu nun aber das historische Argument vom Koch und vom Kellner zu bemühen, das die Grünen noch immer umtreibe, spricht eher dafür, dass die Grünen sich einer Therapie unterziehen müssten, wenn es noch zutreffen würde.



    Dazwischen lag ja auch das rotgrüne NRW-Bündnis 2010 bis 2017 mit den beiden Portagonistinnen auf Augenhöhe.



    Man sollte aus dieser Zeit eher den Rahmenbetriebsplan für den Braunkohletagebau in Erinnerung behalten, um zu wissen, zu welchen Zugeständnissen die Grünen in NRW bereit sind, Hauptsache sie sind Regierung.



    "Wir sind Regierung" ist halt doch wichtiger als eine vollwertige Klima- und Umweltpolitik. Dumm nur, dass Habeck uns als Bundeswirtschaftsminister um den Verstand redet, solche rhetorischen "Lichtgestalten" auf Landesebene aber eher dünn gestreut sind.



    Hier wird's daher früher auffallen, dass die Grüne Programmatik und das Grüne Regieren nicht zusammenpassen.

  • Ach was! © Vagel Bülow

    “ Schwarz-Grün in NRW: Grüne Harmoniesucht



    Im Bündnis mit der CDU könnten nicht nur grüne Kernthemen auf der Strecke bleiben. Ignoriert wird auch die Spaltung der Gesellschaft – in Arm und Reich.“

    Jung - Harmoniesucht? - Geht‘s noch!



    Das pfeifen doch die Spatzen von den Dächern: Bourgeoise Aftermieter! Woll.



    Nothing else - 😡🤢🤮🤑 • But=>

    unterm—— @ SPINUS —



    Die Doppel-K-Schrägschisserin Antje Vollmer - quasi ne weibliche Kretsche - doch doch - is nu sicherlich ne mehr als verzichtbare kinderlose ZeitzeugenOma! Gelle. Es gibt wenig verlogenere als diese Schwarzkitteldame! Newahr.



    Normal.

    unterm —— servíce einfach mal lesen



    de.wikipedia.org/wiki/Antje_Vollmer



    & de Minischdrande K-AO-Schrägschissler exPersetter



    de.wikipedia.org/w...nfried_Kretschmann



    &



    taz.de/Kretschmann...Pandemie/!5817676/



    “Eigensinn in die Schranken weisen“‘



    &



    taz.de/Die-Gruenen...Freiheit/!5784316/



    &



    www.lto.de/recht/n...aessigkeit-kritik/

    kurz - K&K im autoritärem Doppelpack -



    Farbe - rot grün oder schwarz - egal 😐!



    SpießBourgeoise - schießt sich ins Knie!



    &Däh=> Ja wie? nix sozial -



    Nö. Alles im Lack. Citoyen¿ - Aber&Nie •



    Gellewelle - 🧹 🧹🧹 - Normal

    So geht das © Kurt Vonnegut



    “ Wir müssen kontinuierlich von Klippen herunterspringen und auf dem Weg nach unten unsere Flügel wachsen lassen.“ So siehste aus! (Tucho;) Nö.



    “ Die Geschichte ist lediglich eine Überraschungsliste. Sie kann uns nur darauf vorbereiten, aufs Neue überrascht zu sein.“



    Eben - Denn der Verrat der Bourgeoise vs Citoyen & Arbeiterklasse! Aber Hallo.



    - A NEVER ENDING STORY - That’s true

    Ende des Vorstehenden - Denn -



    “ Sei vorsichtig, was du vorgibst zu sein, denn du bist, was du vorgibst zu sein.“

    • @Lowandorder:

      Däh&Zisch - Mailtütenfrisch flankt ein:

      “ Glückauf!







      Werden B90/Die Grünen in ihrern "Harmoniesucht" auch diesen "Vordenker" akzeptieren? Wundern täte es mich nicht.



      de.wikipedia.org/w...Nathanael_Liminski

      kurz - Sach mal udoso:



      Wem’s schon so Knapp die 🌞 aus dem Hintern scheint!



      Da is‘n Nathanael Liminski mitgemeint!



      &



      Wie Arsch-auf-Eimer passend achteran:



      “ Und jeder Manichäer - Ist auch ein Grobian.“



      & Tusch - 🎉 -



      Wiedermal - auf den Alten aus Wiedensahl!;))

      unterm—— servíce —-

      Lieder eines Lumpen

      Ich hatt' einmal zehn Gulden! -



      Da dacht' ich hin und her,



      Was mit den schönen Gulden



      Nun wohl zu machen wär'.



      Ich dacht' an meine Schulden,



      Ich dacht' ans Liebchen mein,



      Ich dacht' auch ans Studieren,



      Das fiel zuletzt mir ein.

      Zum Lesen und Studieren,



      Da muß man Bücher han,



      Und jeder Manichäer



      Ist auch ein Grobian; & usw usf - 🙀🥳 -



      www.staff.uni-main.../BuNachl/lump3.htm

  • Natürlich wird diese Spaltung ignoriert. Aber das tun die Grünen doch schon fast immer.

    Ihre Wähler sind überdurchschnittlich gebildet und überdurchschnittlich oft beim Staat beschäftigt. Es gibt in dieser Klientel nun mal kaum Armut oder existenzielle Unsicherheit. Am ehesten kümmern sich die Grünen doch noch um den prekären akademischen Mittelbau und die Sorgen und Nöte von großstädtischen Künstlern. Aber was hat man als Bauarbeiter oder Arzthelferin davon, grün zu wählen?

  • RS
    Ria Sauter

    Passt schon!



    Beide Parteien vertreten die Gutbetuchten.



    Wobei einige ärmere Ökoanhänger/innen bei den Grünen immer noch hoffen.

  • "Die CDU vertritt den konservativen, die Grünen den progressiven Teil der oberen Hälfte der Gesellschaft."

    Wenn es überhaupt die Hälfte ist!



    Ich hätte gerne eine Erläuterung, was der progressive Teil der "oberen Hälfte" denn konkret bedeutet.



    Ist das nicht einfach nur CDU inkl. liberales Abtreibungsrecht zzgl. Gendern und Notebooks für Abiturklassen?

    Herrje, bei diesen Aussichten stellt sich wieder und wieder die Frage, warum die Linke und die Linken in der SPD sich so blöd anstellen. Massen (>50%) von Menschen werden abgehängt und die überlassen sie den Nichtwählern und der AfD.

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Antje Vollmer schreibt der aktuellen "Grünen" Generation in's Stammbuch: "Ihr seid alle die Kinder von Joschka Fischer."



    Der Marsch durch die Institutionen ist zum Marsch an die Macht ((um (fast) jeden Preis)) degeneriert.



    Ja; und Joscka Fischer hat in diesem Sinn viele Kinder.



    Leider.



    Antje Vollmer et al. dagegen sind in diesem Sinn kinderlos.



    Noch leiderer.

  • "Versöhnen will die designierte Vize-Ministerpräsidentin nicht nur „Stadt und Land“, sondern „die Generationen“ gleich mit – also quasi alle mit allen." - Aber das ist doch DIE Kernkompetenz, die die Grünen neuerdings haben sollen... Vielleicht sollte der Autor noch ein paar Folgen der Kolumne "Die Eine Frage" seines Chefreporters lesen. Da wird das schön erklärt.

  • Na da hat der Autor aber eine bahnbrechend neue Erkenntnis formuliert: Die Grünen sind der greenwashed Zwitter von liberaler FDP und modernisiertem CDU-Konservatismus. Dabei belegen sie schon länger in Regierungsfunktion, das den Grünen Soziales und letztlich auch der Umweltschutz egal sind, wenn man die bürgerliche Klientel erreicht - den Pelz wäscht, ohne Nass zu werden. Beispiele: Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg und demnächst S-Holzbein - und mit dem Söder wird man sich bald auch einig werden.

    • @Philippe Ressing:

      Mag ja alles so sein. Aber bitte bedenken Sie auch: Dies ist das Ergebnis einer demokratischen Wahl. Zur Relativierung könnte man anführen, dass nur 55% ihre Stimme abgegeben haben. Frage wäre also: warum haben 45% nicht gewählt? Und wie wäre das Ergebnis gewesen bei 100% Wahlbeteiligung? Aber auch: Sollte man die Verantwortung für diesen Sachverhalt wirklich den Wahlgewinnern zuschreiben?