Schwangerschaftsabbruch in den Medien: Gegen das Unverständnis
Im Zentrum der klugen Serie „Bauchgefühl“ steht eine Frau, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet – trotz aller Widerstände.
Lena (Laura Berlin) will ihre Schwangerschaft nicht austragen. Das weiß sie vom ersten Blick auf den positiven Test an. Die übliche narrative Aufbereitung von Schwangerschaftsabbrüchen würde nun eine Darstellung verschiedener emotionaler Phasen der weiblichen Hauptfigur nahelegen: ein Schwanken zwischen Zweifel und Mutterinstinkt, eine Zerrissenheit zwischen Wollen und Fürchten.
Nicht so die sechsteilige ZDFneo-Dramaserie „Bauchgefühl“. Sie begleitet nach dieser Einstiegsszene Lena eben nicht in einem schwierigen Entscheidungsprozess. Dramaturgisch gekonnt hat Regisseurin und Drehbuchautorin Esther Rauch Lena die Antwort stattdessen in ihren Blick gelegt, noch bevor überhaupt eine Frage gestellt werden konnte. Lena weiß, dass sie dieses Kind nicht gebären wird.
Anstelle der Entscheidungsfindung umkreisen die Folgen „Lena“, „Felix“, „Tina“, „Zoe“, „Dr. Roithner“ und „Wieder Lena“ Situationen des Sich-erklären-Müssens vom kaum Erklärbaren, Situationen der extremen Inkongruenz zwischen Lenas Innen- und Außenwelt. Ihrem indiskutablen Entschluss folgt ein Spießrutenlauf durch Beratungsangebote, Arztpraxen und ihr privates Umfeld. So klar Lenas Entscheidung und ihre Fähigkeit, sie zu formulieren, so steinig der Weg der Umsetzung. Am schwersten wiegt das Unverständnis ihres Partners Felix (Ludwig Trepte), von dem sie fordert, „nicht zu verstehen, sondern zu akzeptieren“.
Das allerdings fällt ihm nicht nur hinsichtlich Lenas Fruchtbarkeitsproblemen schwer, die eine weitere Schwangerschaft praktisch ausschließen und die bestehende für ihn zum unverhofften Wunder, für sie zum unerwarteten Schock werden lassen. Die erste Schwangerschaft, die zum gemeinsamen Kind Greta führte, musste mit Fruchtbarkeitsbehandlungen erkämpft werden, die zweite fliegt ihnen ohne weiteres Zutun zu.
Sehr gerne Mutter
Wahnsinn, dieses Geschenk nicht wahrzunehmen, findet Felix. Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun, findet Lena.
Mit Lena wird eine Figur ins Zentrum eines Schwangerschaftsabbruchs gestellt, die nichts davon anbietet, was gemeinhin als ‚akzeptabler Grund‘ für diese Entscheidung gilt: Sie ist Lehrerin, damit finanziell abgesichert und pädagogisch höchst kompetent, sie ist bereits Mutter und zwar sehr gern, wie sie immer wieder versichern muss.
Sie bewohnt mit Felix und Kind Greta eine Dielenbodenwohnung mit Esstisch aus Holz, eigenwilliger Kunst und gelber Mokkakanne. Lena bewegt sich in tannengrünem Twillmantel durch die moderne Bürgerlichkeit. Weiter entfernt von Prekariat geht kaum. Das führt dazu, dass man Lena beinahe um ein wenig mehr Erklärung bitten und ihr leise zurufen will: „aber die Verbeamtung, aber die zuckersüße Greta, aber die hilfsbereite Schwiegermutter, aber Felix“. Aber Lena?
Ein glasklares Bedürfnis
„Bauchgefühl“ möchte nach eigenen Angaben einen Beitrag zur aktuellen Debatte um eine Überarbeitung des §218 StGB leisten, der einen Schwangerschaftsabbruch vor der zwölften Woche bislang zwar als straffrei, aber rechtswidrig einstuft und momentan von einer Expertenkommission geprüft wird. Mit Taktgefühl, Klarheit und Mut wird in der Serie nicht vor allem die Entscheidung zu, sondern das Durchsetzen von einem Schwangerschaftsabbruch dargestellt. Sprechakte der Rechtfertigung werden auch gegenüber dem eigenen Partner völlig ausgelassen.
Gleichzeitig trauern beide – allein und zusammen. Mit Lenas Perspektive wird eine emotionale Erfahrungswelt in den Diskurs eingebracht, die anders ist, als sie einfacherweise oft gemalt wird. Lena hat keine ‚harten Fakten' wie finanzielle Unsicherheit oder ein grundsätzliches Unvermögen zur Elternschaft für ihre Entscheidung vorzuweisen, die sie vor dem Urteil der Öffentlichkeit einreichen und abstempeln lassen kann – nur das glasklare Bedürfnis, kein weiteres Kind bekommen zu wollen.
Ein intelligenter Raum der Gleichzeitigkeit durchzieht die Serie: von Sicherheit über den eigenen Entschluss und Trauer über das Verlorene, von dem Wissen um das eigene Recht und der Müdigkeit, es einzufordern.
„Bauchgefühl“, Sonntag, 7. April, 20.15 Uhr auf ZDFneo und in der ZDF-Mediathek
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