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Schule in der PandemieHurra, hurra, sie brennt nicht

Lange galt die Schule als Ort der Qual und Hort der Unterdrückung. Doch in der Pandemie ist sie für viele Kinder zum Sehnsuchtsort geworden.

Am Mittwoch geht es in Berlin wieder los: Die Schulen kehren zum Regelunterricht zurück Foto: Stefan Zeitz/imago

A ch, dann musst du ja jetzt bald in die Schule gehen.“ Diesen Satz hören Fünf- oder Sechsjährige immer seltener. Dass die Schule reiner Zwang sei, bezog sich auf eine Gesellschaft, in der Kinder nach dem Mittagessen auf den Straßen oder auf dem Feld herumstromerten und dort tatsächlich frei waren. Heute sind Orte der Freiheit, also des Beisammenseins mit anderen Kindern, sehr viel mehr institutionalisiert; und neben Vereinen spielt die Schule die wichtigste Rolle.

Am kommenden Mittwoch kehrt nun auch Berlin zum Regelbetrieb an den Schulen zurück. Man mag das Aufweichen der Idee, als einziges Bundesland den Wechselunterricht bis zu den Sommerferien durchzuziehen, als populistisches Wahlkampfmanöver sehen oder mit einem Wutausbruch auf diese mögliche Infektionsparty vor den großen Ferien reagieren. Man wird aber kaum übersehen können, dass nichts den allermeisten Kindern und Jugendlichen solche Freude bereitet hat wie die Nachricht: Ihr dürft zusammen sein. Während ihre Eltern teils noch zu „Hurra, hurra, die Schule brennt“ abtanzten, sehnen sich die Kinder heute nach dem Ort mit ihresgleichen.

Wenn die Schule nicht mehr die „Penne“ ist, Ort der Qual und Hort der Unterdrückung: Dann stellt sich die Frage, was die Erwachsenen eigentlich in diesen zentralen Ort der Herzensbildung und der demokratischen Erziehung zu investieren bereit sind. Wie in anderen gesellschaftlichen Feldern – Wohnungsfrage und öffentlicher Nahverkehr insbesondere – hat die Pandemie offengelegt, dass die Epoche der Marktpropaganda und der mit ihr einhergehenden radikalen Vereinzelung zumindest eine Pause einlegt.

Es gibt derzeit ein historisches Fenster für etwas, das der Ökonom Cédric Durand in der New Left Review gerade als „Möglichkeit, doch einmal den Geschmack populärer Siege zu schmecken“, ausgemacht hat. Das sei nicht viel, „aber für Leute wie mich, die in den 1970ern oder später geboren sind, ist es das erste Mal“.

Kinder, die aus Häusern, die kein Spekulationsobjekt sind, durch gepflegte öffentliche Parks, auf sicheren, breiten Radwegen oder in nicht überfüllten U-Bahnen in ihre schönen Schulen fahren – diese Vision muss natürlich jemand bezahlen. Und wie Durand es sagt: „There’s not a market-based solution“.

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.
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5 Kommentare

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  • Die Schule ist nach wie vor der Hort der Unterdrückung, eine Dressur- und Sortierveranstaltung in militaristischer Tradition. Die erwachsenen Deutschen haben nur ein derartig romantisch verklärtes Verhältnis zu ihr (weil selbst dort sozialisiert), daß sie im Krisenfall als feste Burg erscheint, als Hort der "Normalität" (was vielleicht sogar zutrifft).

    Gute Lehrer zu haben ist gut. Soziale Kontakte zu haben ist gut. Deswegen muß man aber nicht die Art von Schule, die aktuell als Pflichtveranstaltung betrieben wird, in den Himmel loben. Es ist bis heute preußischer Frontalunterricht, der Anpassung fordert (und fördert...) statt selber denken. Das ist durchaus weiterhin kritikwürdig und -bedürftig.

    In Coronazeiten werden aus Klassen auch ganz schnell wieder Kohorten. Eine vielsagende verbale Rückentwicklung, die außer mir keinen zu stören scheint.

    Kurz, die Frage ob das mit der Schule alles so laufen muß, ist keineswegs ausdiskutiert.

    Und jetzt zurück zu den wohligen Erinnerungen.

    • @kditd:

      Also ich habe in der Schule Englisch, Französisch, Mathe und Physik gelernt. Biologie fiel dem Lehrermangel zum Opfer. Unterdrückt habe ich mich nie gefühlt, höchstens belästigt.

      Grundlagen müssen sich stupide erarbeitet werden und nicht jeder ist zum Autodidakten geeignet. Auch Intelligenz will trainiert werden. Das Hauptproblem der Schulen ist nicht der Frontalunterricht sondern Lehrer, denen man ständig mehr abverlangt als zu lehren und die gleichzeitig in ihrem gesamten Leben nur in der Schule waren und die Welt ausserhalb nur aus dem Spiegel, der taz oder der Zeit kennen.

  • Ja.

    Das Phänomen gibt es aber schon länger. Kinder, die, obwohl sie wenig Erfolgserlebnisse vermelden können, keinen einzigen Tag fehlen und nach den Sommerferien sagen, sie sind froh, wieder in die Schule zu dürfen. "Weil mein großer Bruder mich die ganze Zeit geärgert hat".



    Tatsächlich gehen die Kinder wegen der Sozialkontakte gern zur Schule. Wer wirklich lernen will, kann das heutzutage auch anders. Anders als meine Generation, die in der Nähe derjenigen des Kolumnisten zu sein scheint, wo man tatsächlich den Lehrern noch jeden Mist glauben musste, lässt sich heutzutage alles googlen.



    Ach ja, es gibt noch andere Suchmaschinen. Solche Anregungen kriegt man wiederum auch nur durch Sozialkontakte, vor allem auch unter Mitschülern.

    Zusammengefasst: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schüler infektiös ist, ist momentan - genauso wie allgemein in der Gesellschaft - nicht allzu hoch, also lasst die Kinder Kinder treffen!

    • 9G
      96177 (Profil gelöscht)
      @mm³:

      "... wo man tatsächlich den Lehrern noch jeden Mist glauben musste, lässt sich heutzutage alles googlen."

      ich lach mich weg!

    • @mm³:

      Solche Anregungen kriegt man wiederum auch nur durch Sozialkontakte, vor allem auch unter Mitschülern.

      Nach kurzem Nachdenken... nein! Die kriegen sie nicht von anderen Mitschülern und auch nicht von Google. Höchstens in der Schule... ach ja... ;-)