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Schuldenkrise in EuropaNächste Runde im Schuldenpoker

Der Streit zwischen Griechenland und der EU lebt wieder auf. Wenn es dumm läuft, könnte er sich mit der Brexit-Debatte vermischen.

Der Streit um die Schulden Griechenlands geht unerbittlich weiter: EU-Fahne vor dem Parlament in Athen Foto: dpa

Brüssel taz | Normalerweise haben sich Griechenlands Premier Alexis Tsipras und EU-Ratspräsident Donald Tusk nicht viel zu sagen. Doch seit Mittwoch läuft das Telefon zwischen Brüssel und Athen heiß. Tsipras und Tusk versuchen, den Schuldenstreit zu entschärfen, der sich um Extra-Wünsche der Gläubiger in Milliardenhöhe entzündet hat.

Auf den ersten Blick geht es „nur“ um 3,6 Milliarden Euro, die Griechenland zusätzlich einsparen soll. Doch dahinter steht der alte Streit um den Schuldenschnitt, den der Internationale Währungsfonds (IWF) fordert – und den Deutschland ablehnt. Als Kompromiss verfielen Washington und Berlin auf die zusätzlichen Kürzungen: Athen soll sie „auf Vorrat“ beschließen.

Doch das lehnt Tsipras ab. Tusk wiederum lehnt den Euro-Sondergipfel ab, den der griechische Premier fordert. Und Deutschland lehnt es ab, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. „Die Antwort lautet Nein“ ließ Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Berlin erklären. Die Fronten sind verhärtet, eine Lösung ist nicht in Sicht. Dabei drängt die Zeit – spätestens im Mai muss die Kuh vom Eis sein.

„Das Problem muss noch vor dem britischen EU-Referendum im Juni gelöst werden“, sagt Dimitrios Papadimoulis, Leiter der Syriza-Delegation im Europaparlament. Andernfalls könnte der Schuldenstreit die Brexit-Debatte überschatten und pünktlich zur Volksabstimmung in Großbritannien eskalieren, warnt der Links-Politiker.

Es könnte sogar noch schlimmer kommen, fürchtet Gabi Zimmer, die Fraktionsvorsitzende der Vereinigten Linken im Europaparlament. Schäuble könne den Streit bewusst in die Länge ziehen, um Tsipras zu stürzen. „Dies ist kein neues Schuldendrama“, sagt auch Papadimoulis. „Man versucht, Griechenland zu destabilisieren“.

Finanzmärkte werden nervös

Fest steht, dass die Zeit gegen Tsipras spielt – wieder einmal. Denn im Juli werden neue Kreditrückzahlungen fällig, die die Regierung in Athen ohne neue Hilfsgelder nicht bedienen kann. Schon jetzt werden die Finanzmärkte nervös, an der Athener Börse geht es bergab. Tsipras und seine Syriza-Partei drücken daher aufs Tempo.

Als Verbündeten haben sie dabei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ausgemacht. Juncker hatte die Zusatz-Forderungen der Gläubiger unvernünftig und unrechtmäßig genannt. Allerdings hat er nun den Vertreter der EU-Kommission aus Athen nach Brüssel zurückberufen – ein Zeichen, wie ernst die Krise ist.

Ob sie doch noch vor dem Sommer gelöst werden kann, dürfte sich in den nächsten beiden Wochen zeigen: Dann will Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem ein Krisentreffen in Brüssel einberufen. Bisher gibt es aber weder einen Termin – noch einen Lösungsvorschlag.

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6 Kommentare

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  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Die Griechen können einem leid tun aber wenn der Streit dafür sorgt das Großbritannien aus der EU austritt kann ich dem ganzen Geplänkel am Ende doch noch etwas positives abgewinnen.

     

    Klar es wird erstmal eine unangenehme Zeit für die EU werden, aber wenn sie raus sind werden die Briten zeitig und mit voller Wucht auf den harten Boden der Realität aufschlagen.

     

    Ich kann die andauernden Forderungen nach Sonderrechten und Vergünstigungen aus London einfach nicht mehr hören. Weniger zahlen aber mehr wollen, dass kann und darf nicht funktionieren.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Die griechische Regierung hat es geschafft, dass die Wirtschaft Griechenlands immer weiter schrumpft, während andere Länder zumindest auf dem Stand bleiben oder wachsen. Ich meine zB Portugal, Polen, Spanien, Slowenien, Slowakei, Israel, Irland, Island, - also ich kann fast die gesamte Länderliste durchgehen.

  • Falls die Briten die EU verlassen möchten, muss man Ihnen nicht nachweinen. Die Briten haben die Charta der Grundrechte der europäischen Nationen nicht unterzeichnet.

    Sie haben für sich ausgehandelt, dass sie weniger Beitrag zahlen als sie eigentlicht muessten. Sie sind für die katastphalen Zustände und die entsprechende Behandlung der Flüchtlinge in Calais verantwortlicht, weil sie sich weitern, diese Flüchtlinge einreisen zu lassen. Sie wollen keine Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen. Sie wollen für sich nur Sonderrechte und wollen keine Pflichten übernehmen, die sich aus einer Mitgliedschaft ergeben können. Die Briten blockieren die Einführung einer Finanz transaktionssteuer.

    Herr Cameron hat ganz öffentlich erklärt, dass die Briten in der EU sind, weil sie aus ihrer Mitgliedschaft wirtschaftliche Vorteile wollen. Von Pflichten innnerhalb einer GEmeinschaft oder von Solidarität mit anderen keine Spur.

    Wenn sie den gehen wollen, sollen sie von mir aus gerne gehen.

    • 8G
      86548 (Profil gelöscht)
      @Dieter Minne:

      Die Briten sind schwierig, das ist schon richtig. Aber: Selbst nach Abzug des Rabatts sind die Inselbewohner einer der größten Nettozahler zum EU-Haushalt. Aus finanzieller Sicht wäre der Brexit ein Verlust.

      • @86548 (Profil gelöscht):

        Ich denke auch, es ist eher ein Verlust. Viele osteuropäische EU-Länder sind auf einem nationalistischen Egotrip. Sie sind auch wirtschaftlich schwächer als Großbritannien.

  • 2G
    25726 (Profil gelöscht)

    Dr. Seltsam lässt wieder die Muskeln spielen. Wahrscheinlich will er seinem Glaubensbruder Cameron Wahlkampfhilfe leisten.