Schufa will Zugriff auf Kontoauszüge: Die Allesfresserin
Die Schufa will künftig auswerten können, was Kund:innen wofür ausgeben. Auf freiwilliger Basis, betont sie. Dreist ist die Idee trotzdem.
D ie Schufa war mal angetreten, um ein Problem zu lösen. Anhand von halbwegs validen Daten sollte sie vorhersagen, ob es sich für einen Anbieter lohnt, für eine Kundin, ein:e Kreditnehmer:in oder einen Vertragspartner ein finanzielles Risiko einzugehen. Doch die Auskunftei wird zunehmend selbst zum Problem.
Sie scheint sich mittlerweile vor allem darauf zu konzentrieren, in All-you-can-eat-Manier Daten aufzufuttern, diese dann mit einem intransparenten Algorithmus zu verdauen und recht willkürliche Ergebnisse wieder auszuspucken. Wer sich schon mal mit der eigenen Schufa-Auskunft beschäftigt hat, dürfte bestätigen, dass diese oft mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt.
Nun möchte die Schufa – auf freiwilliger Basis, wie sie es gar nicht genug betonen kann – obendrein Einblicke in die Kontoauszüge von Verbraucher:innen bekommen. Bislang musste sie sich meist mit Daten aus zweiter Hand begnügen. Daten, die zum Beispiel Mobilfunkprovider, Banken oder Onlinehändler an die Schufa melden, wenn sie mit einem:r Kund:in einen Vertrag abgeschlossen oder beendet haben.
Dagegen Kontoauszüge: welch Paradies! Tiefste Einblicke in die wirtschaftliche Welt eines Menschen. Was eine künstliche Intelligenz wohl daraus lernen könnte? Haben Menschen, die Mitglied eines Fitnessstudios sind, eine geringere Ausfallquote bei Kreditzahlungen? Sind Gewerkschaftsmitglieder geneigt, beim Onlineeinkauf das Zahlen der Rechnung zu vergessen? Machen Lottospieler:innen gerne Vertrags-Hopping bei Stromanbietern, um Startprämien abzugreifen? Eine solche Auswertung ist natürlich reine Spekulation. Aber ein selbstlernender Algorithmus hätte Freude an derlei Datensätzen.
Die Schufa will Verbraucher:innen diesen Blick in die Kontoauszüge schmackhaft machen. Ein Spiel unter ungleichen Machtverhältnissen: Du zeigst mir deinen Kontoauszug – und wenn er mir gefällt, bekommst du den gewünschten Mobilfunkvertrag/Kredit/Ratendeal. Und wenn nicht, dann nicht. Aber deine Daten, die hab ich trotzdem.
Äh, wie bitte? Eine Lösung für die oft willkürlich anmutende Einstufung wäre das nicht. Transparenz – das wäre eine. Die Schufa müsste verpflichtet werden, ihren Algorithmus offenzulegen. Bislang verhindert sie das mit dem Verweis auf das Geschäftsgeheimnis und Manipulationsgefahr. Aber ganz ehrlich: Wenn der so einfach zu manipulieren ist, dann ist es wohl eh ein schlechter Algorithmus. Es ist die Aufgabe der Schufa, das Gegenteil zu beweisen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin