Schüler streiken gegen Abschiebungen: „Nicht unsere Vision von Zukunft“
Am Freitag streiken Schüler*innen, Azubis und Studierende. Sie protestieren gegen Abschiebungen und für Bildung, die für alle zugänglich ist.
„Alle sagen, wir sind die Zukunft. Aber das, was gerade passiert, das hat nichts mit unserer Vision von Zukunft zu tun“, erklärt Charlotte Buchner. Die 23-jährige Auszubildende aus Nürnberg ist eine von vielen, die endlich etwas bewegen wollen. Deswegen hat sie den Bildungsstreik „Sie schieben ab? Wir streiken!“ mitorganisiert. Nicht nur in Nürnberg, sondern auch in mindestens sieben anderen Städten gehen Schüler*innen, Auszubildende und Studierende am Freitag auf die Straße. Sie demonstrieren gegen Abschiebungen und für kostenlose Bildung für alle.
Organisiert hat den Protest in Nürnberg das Bündnis „Jugendaktion Bildung statt Abschiebung“. Der lose Zusammenschluss von Schüler*innen, Studierenden, Auszubildenden und Mitgliedern linker Verbände hat den Streik langfristig geplant. Das Bündnis hat diverse andere Bildungseinrichtungen in Deutschland angeschrieben – mit dem Erfolg, dass sich weitere Städte der Aktion angeschlossen haben. Darunter München, Münster, Würzburg, Dresden, Düsseldorf, Magdeburg und Leipzig.
Der Grundgedanke des Protests: Der Zugang zu Bildung soll kein Privileg sein, sondern für alle offen – gerade auch für Geflüchtete. Auch sonst stellt sich das Bündnis die Zukunft anders vor, als sie die Debatte um eine Verschärfung des Asylrechts in Deutschland gerade zeichnen. „Wir fordern ein Bleiberecht für alle, die Legalisierung von Fluchtwegen nach Europa, die Einstellung von Waffenexporten und Auslandseinsätzen der Bundeswehr und die Beendigung der Kooperation mit diktatorischen Staaten wie der Türkei“, heißt es in dem Aufruf zum Streik.
„Dass da direkt eine Antwort darauf folgt, glauben wir natürlich nicht “, räumt Buchner ein. Sie hätten aber auch ganz konkrete Forderungen. So etwa die kompromisslose Umsetzung der 3+2-Regelung, die Geflüchteten erlaubt, ihre begonnene Ausbildung in Deutschland zu beenden und anschließend zwei Jahre im gelernten Beruf zu arbeiten. „Und da wollen wir schon gerne Ergebnisse sehen“, bestätigt auch die Auszubildende Mia Berger, die ebenfalls im Organisationsteam für die Demonstration ist.
Sie wollen den Diskurs verschieben
Das Bündnis hat sich vor allem wegen eines Vorfalls in Nürnberg gegründet: Am 31. Mai 2017 klopfte es an der Tür eines Klassenzimmers einer Berufsschule. Man fragte nach Asef N., die Polizei sei da, hieß es. Der mittlerweile 21-Jährige sollte abgeschoben werden. Schüler*innen stellten sich schützend vor ihn und versuchten, die Abschiebung zu verhindern – was eine bundesweite Debatte um Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit von Protest gegen Abschiebungen auslöste.
Das Bündnis „Jugendaktion Bildung statt Abschiebung“ kritisiert, dass zwar über derlei Protest diskutiert werde, jedoch kaum mehr über die Recht- oder Unrechtmäßigkeit von Abschiebungen an sich. Es gebe kaum mehr Stimmen, die Merkels Asylpolitik von links kritisieren. Das würde das Bündnis gerne ändern. Es gehe nämlich auch um eine Verschiebung des Diskurses, erklären Charlotte Buchner und Mia Berger. „Wir halten es nicht aus, wie gerade rechte Ressentiments wegen bevorstehender Landtagswahlen bedient werden. Deswegen wollen wir unsere Stimme erheben und zeigen, dass wir die Zukunft gestalten wollen – und zwar anders.“
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