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Schriftsteller Karahasan ist gestorbenTod einer „bosnischen Seele“

Unser Autor lernte den preisgekrönten Schriftsteller Dževad Karahasan auf dessen Flucht kennen. Daher erinnert er sich gut an den nun Verstorbenen.

Brachte Tiefgang in jede Diskussion: der Schriftsteller Dževad Karahasan Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

Sarajevo taz | Am liebsten war er Vermittler zwischen den Welten. Zwischen Bosnien und Herzegowina und dem westlichen Europa. Der 70-jährige bosnisch-herzegowinische Schriftsteller Dževad Karahasan ist am Freitag in Graz gestorben. Kaum ein anderer verkörperte die „bosnische Seele“ – bosanska duša – so wie er. Das lernte ich schnell, als ich ihn 1993 kennenlernte.

Damals konnte er mithilfe von kroatischen Intellektuellen aus dem belagerten Sarajevo nach Zagreb fliehen. Doch die Stimmung in Kroatien gegenüber bosnischen Muslimen war keine gute. Auch Karahasans Frau Dragana, eine bosnische Serbin, wurde angefeindet. Das Paar hatte berechtigterweise Angst vor Übergriffen – doch ihre kroatischen Freunde unterstützten sie.

So kamen Dževad und Dragana auf die kroatische Mittelmeerinsel Čiovo in die Wohnung, die ich als Kriegsreporter mit kroatischem Presseausweis gemietet hatte. Die beiden waren dort sicher, aber Dževad Karahasan konnte seinen Heimatort Duvno (Tomislavgrad) in Westherzegowina nicht besuchen.

Dort hatten im Mai 1993 kroatische Extremisten die Macht übernommen und begannen, die von ihnen beherrschten Regionen „ethnisch zu säubern“. Darum machte sich Dževad Karahasan Sorgen um Mutter und Schwester, die weiterhin in Duvno lebten.

Buchpreise für Dževad Karahasan

Karahasan selbst musste angesichts der zu allem bereiten Extremisten um sein Leben fürchten. Und so kam es, dass ich einen Brief an seine Mutter und Schwester nach Tomislavgrad überbringen sollte und ein Schreiben zurück. Beide haben überlebt.

Und Karahasan machte seither einen Bogen um Kroatien. Er hatte anderswo genug zu tun: in Essays für den Spiegel und die Zeit, mit vielen Interviews im Radio und Fernsehen. So kämpfte er für die belagerten, für die malträtierten und vergewaltigten Menschen in seinem Heimatland.

Dass er all die empathie- und verständnislosen Fragen der damaligen Journalistengeneration geduldig und geradezu liebevoll beantwortete, sagt viel über seinen Charakter aus. Wer einmal mit ihm in einem Café in der Baščaršija sitzen durfte, konnte erleben, wie er die dort aufgeworfenen Fragen mit großem Ernst und mit einer immer wieder überraschenden Tiefe beantwortete und weitersponn.

Fähigkeit, Schmerz anderer zu teilen

Er war stolz darauf, ein mit einer Serbien verheirateter muslimischer Bosnier zu sein. Er beteiligte sich nur vermittelt an der komplexen Diskussion über den europäischen, bosnischen Islam und konterte den Islamismus mit seinen Büchern über die Sufis und andere Strömungen. Alles, was er diskutierte, bekam Tiefe und eignete sich nur begrenzt für die Tagespolitik. Vor allem seine Wärme und Fähigkeit, den tiefen Schmerz anderer zu teilen, machte ihn zu einem besonderen Menschen.

Als Dževad Karahasan 1996 Stadtschreiber in Graz wurde, begann er, zwischen Sarajevo und der steirischen Landeshauptstadt zu pendeln. Er unterrichtete an der Universität Sarajevo und schrieb und schrieb.

Viele seiner Bücher wurden ins Deutsche übersetzt, darunter „Der östliche Divan“ (1993), „Das Buch der Gärten“ (2002), „Berichte aus der dunklen Welt“ (2007) und „Der Trost des Nachthimmels“ (2016). Karahasan erhielt dafür zahlreiche Preise, wie 2004 den Leipziger Buchpreis und 2020 den Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main.

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