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Schreddern von neuen SchuhenEine vermeidbare Umweltbelastung

Das Projekt „Sneakerjagd“ zeigt, dass Sportartikelhersteller wie Nike neue Sneaker zerschreddern. Möglich war die Nachverfolgung durch GPS-Tracker.

Neue Sneaker von Nike in einem Laden Foto: Jakub Porzycki/imago

Nike und andere Sportartikelhersteller zerschreddern Neuware, behauptet das Rechercheprojekt „Sneakerjagd“. An dem Projekt beteiligt sind Jouna­lis­t*in­nen von NDR, Zeit und dem Recherche-Start-up Flip. Der Konzern Nike wirbt damit, bereits getragene Sneaker einzusammeln und diese nachhaltig zu verwerten. Das Rechercheteam hatte erst alte Sneaker von Prominenten wie Jan Delay und Kevin Kühnert mit GPS-Trackern verwanzt. Die Jour­na­lis­t*in­nen wollten herausfinden, wo die Schuhe landen, wenn sie entsorgt werden.

Deshalb brachte Komikerin Carolin Kebekus ihre weiß-grauen Schuhe zu einem Nike Store und warf sie dort in eine Recyclingbox. Auf der Box stand: „Warum seine alten Schuhe zu Hause sammeln? Spenden Sie, wir machen daraus Nike Grind.“ Nike Grind ist ein Material, aus dem Sportbelag oder Bekleidung entsteht. Dank des GPS-Signals konnten die Jour­na­lis­t*in­nen nachvollziehen, wo die Schuhe von Kebekus gelandet sind: auf einem Fabrikgelände in Belgien, auf dem Schuhe geschreddert werden.

Laut einem Reporter des Rechercheteams sind dort auch „Berge von nagelneuen Schuhen“ zu sehen. Darunter seien auch Schuhe der Firma Nike. Die schreibt: „Ungetragene und makellose Artikel werden zum Weiterverkauf in die Regale zurückgestellt.“ Hier stimmt doch was nicht.

Das Team beobachtete außerdem Arbeiter*innen, die Füllpapier aus Schuhen herausholten. So festigt sich die Vermutung, dass nicht nur ausgelatschte Schuhe in der Fabrik verarbeitet werden. Dem Verdacht folgend kaufte das Rechercheteam ein neues Paar Nikes, um dieses mit einem GPS-Sender ausgestattet zurückzugeben. Auch das ungetragene Paar Schuhe landet in der Schredderanlage in Belgien.

Das Alternativszenario, dass Snea­ker­be­sit­ze­r*in­nen ihre alten Schuhe vor Rückgabe noch schnell mit Füllpapier stopfen: eher unwahrscheinlich. Auch „Berge von nagelneuen Schuhen“ scheinen ein eindeutiges Indiz zu sein. Die Behauptung der Firma, dass ungetragene Neuware in die Regale zurückkommt, ist zweifelhaft.

Es handelt sich bei dem Berg zwar um den Neuabfall der gesamten Sportartikelbranche, doch ist das mit dem GPS-Sender versehene Paar Nikes auch im Schredder gelandet. Das Zerschreddern von Neuware wäre der traurige Höhepunkt an vermeidbarer Umweltbelastung. Greenwashingkampagnen der Sportartikelhersteller wirken vor diesem Hintergrund ironischer denn je.

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12 Kommentare

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  • @MOPSFIDEL

    Der eine Punkt, an dem ich einhaken möchte, aber der scheint mir wichtig ist Ihr "gerade".

    Meines Erachtens sehen wir den Gipfel einer sehr langen Entwicklung. Schauen Sie sich dieses [1] Bild an. Selbstbewusste, Moderne Frau, Ende der 30er? Nein, Tabakwerbung, 1936. Damals wurde die Frau als Tabakkonsumentin "entwickelt".

    Übrigens dieselbe Werbeindustrie, die heute mit viel Geld von den Koch Brothers ein undurchschaubares Netz von "non-profits", die alle irgendwie was mit "Freiheit" haben generiert. Ziehen Sie an einem Ende (z.B. [2]), und der ganze Rotz kommt hinterher.

    Mich würde nicht wundern, wenn auch die FDP Gelder aus der Ecke bekäme (ihre Verbindungen zu EIKE et al. sind ja bekannt, die kommen auch aus der Ecke. Auch deren Faible für Students for Liberty).

    [1] en.wikipedia.org/w...E,_GIRL_IN_RED.jpg



    [2] en.wikipedia.org/w...arch_and_Education

  • Leute, das Problem ist doch nicht Nike. Das Problem sind die Leute, die ständig neue Sneakers haben wollen und die dann auch viel zu oft die kostenlosen Rücksendungen nutzen. Früher hießen die Sneakers Turnschuhe und haben ewig gehalten. Wir müssen alle endlich unser Konsumverhalten überdenken!

  • Die Situation wird begünstigt, weil viele bereit sind, über 100€ für einen Schuh zu zahlen, der wohl nicht mehr als 30€ Wert ist.



    Bei solchen Margen ist es vermutlich einfacher neue Schuhe ins Regal zu stellen und alte zu entsorgen. Zumal fast wöchentlich eine neue Kollektion kommt und die alte dann nur stört.

  • Wen überrascht das noch? Wer kauft denn auch noch immer seine Schuhe bei Nike, oder vergleichbaren Schuhkonzernen die weder umweltfreundlich produzieren, und durch Arbeitsausbeutung z.B. in China Ihre Ware produzieren.

    Da gibt es bessere mittelständische noch ehrliche Schuhhersteller, die mit unserer Lebensgrundlage sorgsam umgehen und echtes Recycling oder sogar das fast in Vergessenheit geratene "Reparieren" praktizieren, und mit einer nachahmenswerten Aktion sogar den Flüchtlingskindern in Griechenland Schuhe schenken.

    So etwas schafft die PR-Abteilung von Nike nicht mal im Traum, trotz ihres überhöhten Gehaltes.

    Schaut Euch das nur an. Schön das es so etwas noch gibt.

    gea-waldviertler.de/waldviertler/

    • @Sonnenhaus:

      Warum sind Marken/Konzerne wie Nutella, Nestlé (Maggi-Fix für Kochbehinderte), Apple etc. so erfolgreich, obwohl die Produkte meist minderwertiger Chemieschrott und/oder völlig überteuert sind?



      Leute trauen sich nicht, Discountermarken oder andere Alternativprodukte aufzutischen, mit Schuhen abseits der hippen Marken aufzulaufen etc.



      Werbungsdauerbeschuss, "Influencer", "Status"symbole der kleinen Leute...



      Erst wenn "die Masse" begriffen hat, dass sogenannte Markenware oft ihren Preis nicht wert ist und dass man sich selber durch die Verwendung derselben keinesfalls aufwerten kann, kann dieses Problem gelöst werden. Also nie.

  • Der Beitrag ließe sich so zusammenfassen: Nike trägt lieber die Kosten des Schredderns, statt z. B. die Schuhe verbilligt anzubieten.



    Hat man bei Nike den Kapitalismus nicht verstanden?



    Ich kenne zwar nicht den Grund des Schredderns, aber ich hätte mir gewünscht, dass das Rechercheteam gründlicher recherchiert hätte. Die Feststellung, „hier stimmt doch was nicht“, wäre doch Grund genug gewesen, die Firmenleitung nach den tatsächlichen Gründen des Schredderns zu fragen!

    • @Pfanni:

      wenn der Kunde weiß das es nichts bringt auf Preisnachlässe zu warten kauft er zum normalen Preis.



      Wenn vorher schon klar ist die Schuhe der Saison sind ein halbes Jahr später bloß noch halb so teuer kaufen zuviele erst ein halbes Jahr später….



      Im normalfall ist aber ein schreddern bestimmt nicht geplant da wurde vorher der Bedarf nicht richtig kalkuliert im Idealfall produziert ma etwas unter Nachfrage.

    • @Pfanni:

      "Hat man bei Nike den Kapitalismus nicht verstanden?"



      Lagerung und Logistik für die zurückgegebenen Schuhe müssen ja auch organisiert und bezahlt werden. Übersteigen diese Kosten die mit dieser B-Ware noch erzielbare Marge ist die Entsorgung die rationale Konsequenz eines richtig verstandenen Kapitalismus.



      Die Schuhe statt zu schreddern einfach zu verschnken geht aus kapitalistischer Sicht auch nicht, nicht nur weil das uU auf die Marktpreise durchschlägt, sondern auch das Marken-Image schädigt wenn die in fernöstlichen Swatshops zusammengenähten Nobel-Sneaker für +300€ das Paar plötzlich massenweise an den Füßen einer ansonsten sichtlichlich finanzschwachen Klientel auftauchen.

      • @Ingo Bernable:

        das ist erfahrungsgemäß aber falsch.

        Hat der Bill doch gerade mit seinem kostenfreiem Programm die Marktführerschaft bei den PC-Systemsoftware erreicht und eine enorme Gewohnheitsabhängigkeit erzielt. Also alles richtiger Turbokapitalismus, nein Zerstörung unserer Lebensgrundlagen ?

        • @Sonnenhaus:

          1. Ist "der Bill" schon seit 2007 bei MS raus.



          2. Gibt es von MS iA keine kostenfreie Systemsoftware (nennt man übrigens Betriebssystem). Ausnahmen sind lediglich die Educational Lizenzen.



          3. Ist der Markt für Endanwender*innen-Betriebssysteme für PCs faktisch ein Monopol und damit als Referenz ungeeignet wenn es darum geht allgemeingültige Aussagen über eine Marktwirtschaft (mit funktionierendem Markt) zu treffen.

  • Jetzt mal im Ernst: "Nike lügt". Wen überrascht es hier? Bitte die Hand heben.

    Wir haben uns so daran gewöhnt, dass die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit eines Konzerns (mithilfe einer ganzen Industrie) uns ins Gesicht lügt; dass sie auch noch vermögens Finanzkraft öffentlichen Raum dazu "mieten" darf, dass uns das nicht wundert, oder?

    Was das für einen Schaden anrichtet (Stichwort u.a. Vertrauensverlust, Verschwörungstheorien) ist kaum messbar.

    Die Mittel werden immer subtiler und mächtiger.

    "Manche sehen Nachhaltigkeit" prangte in grossen Lettern an einer Hausfassade neulich (ja, auch Schuhe [1]). "Wir sehen unsere Verantwortung".

    "Und ich sehe", dachte ich mir, "eine Werbekampagne".

    Adbusting sollte ein Grundrecht werden.

    [1] nitter.namazso.eu/....jpg%3Fname%3Dorig

    • @tomás zerolo:

      Ich bin absolut bei Ihnen. Die Industrie verspielt sich gerade massiv ihr Vertrauen - sofern es jemals eines gegeben hat.



      Die Deutsche Bahn fährt noch lange nicht (nur) mit regenerativem Strom, der Tetra-Pack bleibt eine ökologische Katastrophe, grüne Kreuzfahrt ist ein Widerspruch in sich, und so weiter.

      Jedes Mal wenn mir ein Unternehmen etwas von Nachhaltigkeit erzählen will, oder mit diversen Buzzwords gearbeitet wird, schalte ich mittlerweile gedanklich auf Durchzug. Aber es gibt sicherlich sehr viele, welche sich davon blenden lassen.