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Scholz auf dem SPD-ParteitagParole Zuversicht

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Es steht nicht gut um die SPD und ihren Kanzler. Der Parteitag dient den Ge­nos­sen daher als Selbstvergewisserung für ihre Politik und ihr Potenzial.

Froh, dass es sie gibt: Esken, Scholz und Klingbeil Foto: Liesa Johannsen/Reuters

Z uversicht. Dieses Wort fiel auf dem Parteitag der SPD in Berlin immer wieder. Olaf Scholz, Saskia Esken und andere bemühten es in ihren Reden demonstrativ. Zuversicht ist zwar nur ein anderes Wort für das Prinzip Hoffnung. Diese Parole hat die Partei aber bitter nötig. In Umfragen ist die Partei auf einen historischen Tiefstand von 14 Prozent abgestürzt, die Beliebtheitswerte des Kanzlers sind es ebenfalls. Da braucht es zumindest rhetorischen Trost und aufbauende Worte.

Ein Parteitag hat immer auch die Funktion, die Seelen der Delegierten zu streicheln, sie zu wärmen und ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Das ist Olaf Scholz und der SPD-Spitze gelungen. In ihren Reden bekräftigten sie das Selbstverständnis der SPD als Partei der sozialen Gerechtigkeit und erinnerten daran, wie sich die Partei schon einmal mit Geschlossenheit aus dem Tal der Tränen hervor gearbeitet hat, um im Kanzleramt zu landen.

Lustvoll teilten sie gegen die Union und Friedrich Merz aus, den Lars Klingbeil als „Friedrich von gestern“ titulierte. Das konnte man schon als Vorgeschmack auf die kommenden Wahlen im nächsten Jahr verstehen. Über die FDP verloren sie dagegen kein Wort, wie sie auch den Streit um den Haushalt nur am Rande streiften.

Den Wunsch, mal auf den Tisch zu hauen, statt den Moderator zu spielen, wird Olaf Scholz seiner Partei vermutlich nicht erfüllen können. Dennoch wurde auf dem Parteitag der Kurs für die Haushaltsverhandlungen festgeklopft. An Sozialleistungen soll nicht gespart werden: Weder bei der Erhöhung des Bürgergelds noch bei der Rente will Scholz Abstriche machen, das machte er klar.

Auch die Ukraine müsse weiter unterstützt werden, das soll am Geld nicht scheitern. Den Klimawandel werde man ebenfalls nicht vernachlässigen und den Industriestandort sichern. Die SPD ist dafür, die Schuldenbremse für 2024 auszusetzen und mittelfristig zu reformieren. Das dürfte mit Christian Lindner schwierig werden.

Das Reizwort Abschiebungen umschiffte der Kanzler deshalb umständlich, um die Jusos zu besänftigen.

Leichte Misstöne gab es aber nur beim Thema Migration. Den Spiegel-Titel mit dem Scholz-Zitat „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“ nehmen ihm die Jusos noch immer übel. Das Reizwort „Abschiebungen“ umschiffte der Kanzler deshalb umständlich, um sie zu besänftigen: für den Parteitag reichte das.

Schon am Sonntagabend kehrt Scholz in die Realität zurück, dann trifft er sich mit Habeck und Lindner, um über den Haushalt zu sprechen. Seine Partei hat er hinter sich gebracht. Jetzt muss er nur noch seine Koalitionspartner und den Rest des Landes überzeugen.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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2 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Dass die Sozis auf Parteitagen auf die Pauke hauen, ist ganz normal.



    Da ist es praktisch, wenn man - wie Olaf der Vergessliche - sich schon wenige Stunden später an nichts mehr erinnern kann und, heute abend noch, wieder zu Robert und Christian in den Ring steigt.

    Bei zusammen fast dreißig Prozent gibt es nichts mehr zu verlieren.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Parole ""Schutz für den Sozialstaat"" - und da es keine soziale Sicherheit gibt ohne die Verteidigung von europäischen Grenzen: Weitere militärische Unterstützung der Ukraine

    O-Ton Scholz:



    1.. "Für mich ist ganz klar: Es wird keinen Abbau des Sozialstaates in Deutschland geben. Die Sozialsysteme gehörten zur "DNA dieses Landes", sie sind die "Grundlage des Wohlstandes".

    2.. Scholz macht darüber hinaus "in aller Klarheit" deutlich, dass er die Ukraine weiter unterstützen will in ihrem Verteidigungskampf gegen Russland. Das sei zwar eine große finanzielle Herausforderung, aber moralisch und auch aus Eigeninteresse zwingend geboten. So ähnlich könnte eine Begründung für eine abermals festgestellte Notlage, diesmal für 2024, aussehen. Die SPD-Spitze hat schon angekündigt, eine solche mit den Verpflichtungen gegenüber der Ukraine begründen zu wollen.

    3.. Energiewende - Scholz erklärt: Keine Einsparungen bei Investitionen in die Zukunft. Frühere Regierungen seien schnell erschöpft von ehrgeizigen Zielen abgerückt, sagt er, weil diese sich eben als mühsam und teuer herausgestellt hätten.

    Das sei aber keine Option, angesichts des Klimawandels müsse die Industrie ökologisch ausgerichtet werden. Scholz verspricht: "Wir werden diese Ziele erreichen."

    Angesichts des politischen Schlingerkurses der Opposition nach Rechtsaußen inklusive Abbau des Sozialstaates und Verweigerung von Investitionen in den ökologischen Umbau -- klare Worte zur Orientierung.

    Nach einer OECD Studie ist in der Bundesrepublik der Anteil derjenigen Menschen mit mehr als drei Vierteln überdurchschnittlich hoch, die sich wünschen, dass die Regierung „mehr“ dafür tut, „die wirtschaftliche und gesellschaftliche Sicherheit zu gewährleisten“.

    Bin daher sehr gespannt auf die Wahlen 2025 -- wer tatsächlich für den Abbau des Sozialstaates an der Wahlurne abstimmt.