Schockbilder auf Zigarettenschachteln: „Das verstärkt den Zweifel“
Halten Schockbilder auf Zigarettenschachteln die Menschen davon ab, zur Kippe zu greifen? Ja, meint der Psychologe Reiner Hanewinkel.
taz: Herr Hanewinkel, Bilder von Raucherlungen oder vergammelten Zähnen – hält das jemanden vom Rauchen ab?
Reiner Hanewinkel: Ja, denn diese Bilder zeigen realistisch die möglichen Folgen des Rauchens. Das macht etwa die Werbung für Zigaretten nicht. Darüber hinaus ist gerade für Jugendliche das Packungsdesign wichtig. Die Zigarettenschachtel ist letztlich eine Werbefläche. Wenn diese Werbefläche nun durch die Bilder verkleinert wird, ist das ein Schritt in die richtige Richtung.
Fangen Menschen wirklich an zu rauchen, weil sie das Packungsdesign so toll finden?
Das Design der Verpackung ist eine Komponente von mehreren, die das Image eines Produkts formt. Und das kommt bei Zigaretten immer noch dem sehr nahe, was der alte Marlboro-Mann verkörpern sollte: Freiheit, Coolness, Sexiness. Gerade für Jugendliche sind diese Zuschreibungen interessant – das Alter, in dem die meisten anfangen zu rauchen.
Die Schockbilder halten Nichtraucher eher davon ab, Raucher zu werden, stoppen aber Raucher nicht beim Griff zur nächsten Zigarette?
Aufgrund von Studien können wir davon ausgehen, dass die Bilder sowohl bei Nichtrauchern als auch bei Rauchern wirken – aber auf unterschiedliche Weise.
Und zwar?
Nehmen wir den Fall eines langjährigen Rauchers. Sein Arzt hat ihm ins Gewissen geredet, die Lungenwerte sind nicht toll und wenn er in den dritten Stock muss, dann japst er ganz schön rum, dessen ist er sich bewusst. Und der sieht jetzt im Laden eine Packung mit dem Bild einer Raucherlunge. Da verstärkt es den Zweifel. Auf Nichtraucher wirken die Bilder dagegen im Sinne einer positiven Bestärkung. Es ist ein Auf-die-Schulter-Klopfen: Ihr seid auf dem richtigen Weg, bleibt dabei, dann bleibt euch all das erspart.
Und bei eingefleischten Rauchern?
Die meisten eingefleischten Raucher rauchen nicht etwa, weil sie das Rauchen so toll finden, sondern weil sie abhängig sind. Der Weg aus der Abhängigkeit ist oftmals nicht einfach. Alles, was auf diesem Weg hilft und motiviert, kann von Nutzen sein. Dazu gehören auch die Warnhinweise und Hinweise auf telefonische Beratung, die auf den Schachteln abgedruckt werden.
Die Bilder gibt es schon in diversen Ländern. Haben sie empirisch etwas gebracht?
Kein Land der Welt setzt alleine auf bildgestützte Warnhinweise. In der Regel werden verschiedene Maßnahmen gleichzeitig umgesetzt, wie Preiserhöhungen, Rauchverbote, schulische Aufklärung und eben Warnhinweise. Es ist immer schwierig zu sagen, welche Entwicklung auf welche Maßnahme zurückgeht. Aber es ist schon auffällig, dass das Land mit den niedrigsten Raucherraten Australien ist. Das ist absoluter Vorreiter.
In Australien gibt es nicht nur die abschreckenden Bilder, sondern auch ein einheitliches Verpackungsdesign.
Das wäre natürlich auch hierzulande schön. Aber es wird wohl so bald nicht passieren, da die Tabaklobby hier noch immer sehr stark ist. Deutschland ist ja nicht gerade Vorreiter, was Prävention und Nichtraucherschutz anbelangt. Im Gegenteil: Es gibt sogar noch Plakat- und Kinowerbung. In den meisten anderen europäischen Ländern ist das längst verboten.
Also gute Zeiten für die Hersteller von Hüllen für Zigarettenschachteln?
Damit muss man rechnen.
Was müsste passieren, damit Jugendliche das Rauchen nicht mehr als cool empfinden?
Eigentlich ist die Entwicklung schon ganz gut: Der Anteil der rauchenden Jugendlichen geht stetig zurück und die Rate derer, die nie geraucht haben, nimmt zu. Allerdings betrifft das vor allem die bildungsnahen Schichten. Gerade die bildungsfernen Schichten wurden durch die bisherigen Kampagnen vielleicht nicht so angesprochen. Daher sind die bildgestützten Warnhinweise hier eine ganz besondere Chance.
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