Schnellere Energiewende in Frankreich: Macron will Rückstand aufholen
Frankreichs erste Offshore-Anlage ist am Netz. Ein Gesetz soll den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen. Was wird aus der Atomkraft?
![Macron im Halbprofil vor Meer und Windrädern Macron im Halbprofil vor Meer und Windrädern](https://taz.de/picture/5810543/14/31111414-1.jpg)
Nur 8 Prozent des Stromverbrauchs in Frankreich stammt aus Windkraft, alle erneuerbaren Quellen zusammen kommen nicht einmal auf 25 Prozent. Damit bleibt das Land weit hinter den europäischen Nachbarn, aber auch hinter seinen klimapolitischen Zielvorgaben zurück. Alles sei bisher zu langsam gegangen, bedauert der Staatschef, der dafür selbst keinerlei Verantwortung übernehmen möchte. Mit seiner Vorlage blickt er nun vor allem recht weit in die Zukunft.
Nach seiner Darstellung dauert die Planung, Genehmigung und Errichtung von Solar- und Windkraftanlagen in Frankreich doppelt so lange wie in den Nachbarländern. Sein neidischer Blick gilt Großbritannien und Deutschland. „Unsere Nachbarn sind viel schneller gewesen“, so Macron. Schuld daran sein sollen die örtlichen Gegner von Windkraft oder Solaranlagen. Mit ihrem „Widerstand aus persönlichen Interessen“ würden sie die Genehmigungen aus Sicht der Behörden bloß unnötig verzögern.
Genau das soll das neue Gesetz nun ändern. Es würde vor allem die Fristen bei Einsprachen gegen lokale Energieprojekte drastisch verkürzen. In Streitfällen soll künftig jede Gerichtsinstanz innerhalb von 10 Monaten entscheiden müssen. Das würde den gesamten Prozess auf maximal 30 Monate reduzieren.
Vorbilder USA, China, Österreich
Keine Frage, dass die davon betroffenen Bürgerinitiativen und Umweltverbände diesen Weg, die Verfahren zu beschleunigen, als Versuch sehen, ihre demokratischen Rechte zu beschneiden.
Ebenfalls per Gesetz will Macron anordnen, dass auf den Flachdächern der Parkhäuser oder auch auf ungenutzten Flächen entlang der Autobahn systematisch Solarmodule installiert werden, wie dies bereits zum Teil bereits in den USA, in China oder Österreich gemacht wird. Das private Autobahnunternehmen Vinci hat Macron versprochen, 1.000 Hektar Fläche neben den Leitplanken mit Solarmodulen auszurüsten, die namentlich der Stromzufuhr zum Aufladen der Batterien der E-Autos dienen sollen.
Hoffnung auf Offshore
Der Staatschef will aber noch deutlich weiter gehen: Mit einem Programm der „massiven Beschleunigung“ plant er, zu einer „Aufholjagd“ zu mobilisieren. Das zumindest war seine Ankündigung am vergangenen Donnerstag, als er in der Werftstadt Saint-Nazaire an der Atlantikküste den ersten französischen Offshore-Windkraftpark offiziell einweihte. Macron war zu diesem Anlass im Direktflug von der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus New York angereist.
Demnächst sollen die 75 Meter langen Rotorenblätter der 80 Windkraftinstallationen, die 100 Meter aus dem Meer ragen (Gesamtlänge: 175 Meter) dank ihrer gemeinsamen Leistungsfähigkeit von 480 Megawatt Strom für rund 300.000 Bewohner im Departement Loire-Atlantique produzieren.
Das ist allerdings wenig mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein angesichts der Produktionsausfälle in den Atomkraftwerken des Landes, die im Normalfall zuletzt immer noch fast 70 Prozent des Strombedarfs abgedeckt hatten. Noch immer sind mehr als die Hälfte der 56 Reaktoren des AKW-Betreibers EDF außer Betrieb, weil Korrosionsschäden auf Rohren der Sicherheitssysteme analysiert und die Anlagen insgesamt gewartet werden müssen. Für diese Probleme der Gegenwart bieten auch Macrons Pläne für die Zukunft erst einmal keine Antwort.
Spoiler: Atompark soll ausgebaut werden
Mehr als zehn Jahre hat es übrigens gedauert, bis die Anlage bei Saint-Nazaire betriebsbereit war. Den Anstoß hatte 2008 noch Ex-Präsident Nicolas Sarkozy gegeben. Damit ist dieser Windpark beispielhaft für das Schneckentempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien in Frankreich. Andererseits soll er nun auch wegweisend sein als Modell für die Zukunft: Bis 2050 sollen laut Macron 50 solcher Anlagen fertig werden und zusammen 40 Gigawatt Strom liefern. Parallel dazu soll bis dahin die Gesamtkapazität der Solaranlagen auf 100 Gigawatt verzehnfacht werden.
Zugleich werden aber auch 6 EPR-Reaktoren der dritten Generation in Auftrag gegeben, 8 weitere sind als Option vorgesehen: Denn für Macron sind in der Energieplanung die Erneuerbaren und Atomenergie die beiden Seiten einer Medaille, die jeweils allein nicht genügen können.
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