Schnee in Deutschland : Ganz in Weiß
Der Flockdown hat diese Woche sehr viele Menschen begeistert. Für manche Menschen und Tiere war es das erste Mal richtig Schnee. Vier Protokolle.
„Man friert sich hier ja die Eier ab“
Bijan Madani*, 35, stammt aus Iran und lebt in Hamburg.
„In Hamburg schneit es dicke Flocken. Das erlebe ich zum ersten Mal. Bei der S-Bahn-Station hat jemand in den Schnee geschrieben: ‚S schneit‘. Es hat etwas gedauert, bis ich das verstanden habe.
Gemeinsam mit meinem Freund Ferie* gehe ich mit unserer alten Hündin zur Hundewiese. Wir schauen zu, wie sie durch den Schnee tobt. Ihre Ohren flattern im Wind.
Ferie und ich kommen beide aus dem Iran. Wir sind aus unterschiedlichen Gründen geflohen. Ferie, weil muslimische Polizisten auf der Straße seinen Hund töteten und er sie daraufhin angriff. Ich, weil ich Probleme mit dem Mullah-Staat hatte. In Deutschland bin ich zum Christentum konvertiert. Meine Familie schrieb mir daraufhin eine Whatsapp: ‚I kill you.‘
Ich komme ursprünglich aus Ahvāz im Westen des Iran. Dort liegen die Temperaturen im Schnitt bei 8 Grad im Winter und 46 Grad im Sommer. Manchmal ist es so heiß, dass die Menschen Eier auf dem Asphalt kochen. An richtigen Schnee erinnere ich mich nicht wirklich. Es soll mal welchen gegeben haben, als ich neun Jahre alt war. In Hamburg sehe ich aber zum ersten Mal Flocken, die liegen bleiben.
Der Iran ist das Land der vier Jahreszeiten. Bei uns herrscht in den einzelnen Regionen unterschiedliches Wetter. Deswegen haben die Menschen, die sich das leisten können, verschiedene Wohnungen und ziehen mit dem Wetter um. Ferie kommt aus Teheran. Er sagt, ob Teheran oder Deutschland, das mache keinen großen Unterschied.
Ich friere. Er zieht seinen Pullover aus, damit ich ihn anziehen kann. Zusammen haben wir die erste Wollmütze gekauft, den ersten Schal, eine Winterjacke und Handschuhe. Ich habe Ferie angeguckt und gesagt: Man friert sich hier ja die Eier ab.“ Protokoll: Amonte Schröder-Jürss
* Namen zum Schutz geändert
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„Ich bin schneller als eine Rakete“
Jone, 3, wohnt in Berlin.
„Ich bin schon fast vier und hatte noch nie Schnee! Ich kannte ihn nur aus den Büchern von Weihnachten. Aber jetzt bin ich einmal aufgewacht und hab aus dem Fenster geguckt, da habe ich ihn gesehen. Es war alles weiß! Aber manchmal ist Schnee auch gelb, dann darf ich ihn nicht anfassen.
Meine Schwester und ich fahren jetzt mit dem Schlitten in die Kita, meine Mama und mein Papa sind die Pferde, die müssen uns ziehen. Ich fahre lieber U-Bahn, die ist schneller.
Gestern sind wir ganz schnell den Berg runtergefahren, schneller als eine Rakete, dann kam ein Zaun und – bum! Aber der Schlitten ist nicht kaputt gegangen.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Meine Eltern haben gesagt, dass der Schnee bald schmilzt, das finde ich schade. Aber wenn der Frühling kommt, ist, glaube ich, Corona vorbei, und ich kann wieder alle meine Freunde treffen.“ Protokoll: Kersten Augustin
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„Als würde man auf Puderzucker gehen“
Mayori Ronquillo, 18, aus Quito, lernt Deutsch in Berlin.
„Mein erstes Mal im Schnee wird mir ein unvergessliches Erlebnis bleiben. Bevor ich nach Berlin kam, sehnte ich den Tag herbei, an dem ich das erste Mal Schnee spüren und meinen eigenen Schneemann bauen würde. In den Städten Ecuadors fällt wegen des subtropischen Klimas kein Schnee, wir können ihn nur hoch auf den Bergen der Anden erleben, weit weg. In Quito, der Hauptstadt, geht manchmal Hagel nieder – nichts, was wir genießen können, da er hart ist und sogar Schäden verursacht.
Während ich also zum ersten Mal im Schnee war und ihn berührte, merkte ich, wie sanft er ist und wie zart. Als würde man auf Puderzucker gehen. Was ich erlebte, kannte ich nur aus Filmen, in denen man im Schnee spielt, bis es dunkel ist und der Tag zu Ende geht; den Schlitten zieht oder Ski fährt.
Kein Zweifel, es macht großen Spaß. Vor allem, wenn man Schneemänner baut, ohne dass die Hände sofort zu Eis werden, so wie ich es eigentlich erwartet hatte. Als ich Berlin, die ganze Stadt, in Weiß sah, bedeckt vom Schnee, sagte ich als Erstes: Wow, ist das schön! Unmöglich, keine Fotos zu machen!“ Protokoll: Felix Zimmermann
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„Sind wir noch in Berlin oder in Thailand?“
Aura, 6, ist eine Mischlingshündin aus Berlin.
„Dieses weiße Zeug, das von oben kommt, kenne ich ja schon aus dem letzten Winter. Da hab ich ehrlich gesagt keine richtige Meinung zu – auf jeden Fall besser als Regen, weil ich das nach dem Spazierengehen einfach abschütteln kann, am liebsten in der Wohnung. Aber vor ein paar Tagen sind wir morgens raus und plötzlich war ich mir gar nicht mehr sicher, ob wir noch in Berlin sind oder in Thailand, wo ich früher gelebt habe. Überall weißer Sand! Da war ich schon erst mal baff.
An den Pfoten war der Sand weicher und kälter, als ich ihn kenne, deshalb habe ich als Nächstes geprüft, ob die Gerüche auch stimmen. Und tatsächlich, zarter Fischgeruch aus Nordost. Also schnell hinterher, immer die Frau im Schlepptau, aber am Ende war da gar kein Meer, sondern dieses Auto, in dem alles drinsteckt, was im Meer schwimmt, nur ohne Wasser.
Also doch Berlin, aber auch sehr in Ordnung. Ob ich vor Aufregung gezittert habe oder vor Kälte, lässt sich im Nachhinein schwer sagen, aber mit der Fischhaut in meinem Bauch konnte ich gut einen Gang hochschalten und ein bisschen rennen, so wurde es auch gleich wärmer.
Wirklich beeindruckend ist das alles nicht. Nur ein Rätsel habe ich noch nicht gelöst: warum sich die Sandbälle in Luft auflösen, sobald ich sie fange.“ Protokoll: Franziska Seyboldt
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