Schlichterspruch bei der Deutschen Bahn: Kein schlechter Kompromiss
Die EVG hat eine Rekord-Erhöhung der Tariflöhne bei der Deutschen Bahn erstritten. Mit Sparmaßnahmen könnte das Eisenbahnunternehmen ganz oben ansetzen.
W er auf die Deutsche Bahn angewiesen ist, kann erst einmal aufatmen. In nächster Zeit bleibt es für Bahnreisende bei den üblichen Zugausfällen und -verspätungen. Zu weiteren Streiks wird es zumindest bis zum Herbst nicht kommen. Noch ist der Tarifabschluss zwar nicht ganz in trockenen Tüchern. Bis Ende August läuft die Urabstimmung unter den rund 110.000 Mitgliedern der Eisenbahngewerkschaft EVG darüber, ob sie das Ergebnis der Schlichtung akzeptieren. Doch das dürfte nicht mehr als eine Formsache sein.
Dabei löst die Empfehlung der Arbeitsrechtlerin Heide Pfarr und des Ex-Innenministers Thomas de Maizière bei den Beschäftigten keine Begeisterungsstürme aus. Denn auch wenn sie den höchsten Tarifabschluss in der Geschichte der Deutschen Bahn vorgeschlagen haben, umfasst er keinen Ausgleich für die Reallohnverluste der vergangenen Jahre.
Gleichwohl kann sich das Ergebnis der Schlichtung sehen lassen. Ein Blick darauf, mit welch mickrigem Angebot der Bahnvorstand in die Verhandlungen gestartet und was nun herausgekommen ist, lässt erkennen, dass sich der Arbeitskampf der EVG durchaus gelohnt hat.
Anders als vom Bahnvorstand präferiert, sollen die Beschäftigten nun einen Festbetrag erhalten statt einer prozentualen Erhöhung, die stets die bevorteilt, die ohnehin schon mehr haben. Die zweistufige Lohnerhöhung um insgesamt 410 Euro pro Monat hilft demgegenüber vor allem den Beschäftigten in den niedrigeren Gehaltsgruppen, die besonders unter den dramatisch gestiegenen Lebenshaltungskosten leiden.
Ja, das kostet einiges an Geld. Falls der Bahnvorstand nach Sparmöglichkeiten sucht: Warum wendet er nicht einfach die Schlichtungsempfehlung auf sich und alle anderen Führungskräfte an? Alleine die Vergütung von Bahnchef Richard Lutz verdoppelte sich 2022 im Vergleich zum Jahr zuvor auf 2,24 Millionen Euro. Hätten da nicht auch 410 Euro mehr vollständig ausgereicht?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers