Schleswig-Holstein würdigt Kriegsende: Weiße Flaggen auf dem Landeshaus
Ein „echter“ Feiertag war nicht durchsetzbar. Aber Schleswig-Holstein begeht den Tag der deutschen Kapitulation am 8. Mai nun als Gedenktag.
„Dass es KZ-Gefangene, Verfolgte, ZwangsarbeiterInnen gab, die das Kriegsende herbeigesehnt hatten, blendete man aus“, sagt Harald Schmid von der Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein e. V. Er hat 2020 eine Online- und Landtagspetition mitinitiiert, in deren Folge Schleswig-Holstein den 8. Mai in diesem Jahr erstmals als Gedenktag begeht.
Es sei „befremdlich und unverständlich“, so die Petition, „dass das demokratische Deutschland es bis heute mehrheitlich vermieden hat, den 8. Mai offiziell zu einem seiner wichtigsten politischen Gedenktage zu erheben.“ Erst diese Zäsur habe eine friedliche, demokratische, rechtsstaatliche Entwicklung ermöglicht.
Eröffnet hatte die Debatte der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker (CDU), der den 8. Mai im Jahr 1985 erstmals „Tag der Befreiung“ nannte, bis dato ein Tabu in konservativen kreisen. Den Tag zu feiern fiel auch deshalb schwer, weil man sich von der DDR abgrenzen wollte, wo der 8. Mai von 1950 bis 1967 Feiertag war. In Frankreich, Tschechien, der Slowakei, Russland und weiteren Staaten der einstigen Sowjetunion ist dieser „Tag des Sieges“ ohnehin arbeitsfrei.
Debatte erst nach der Wende
Erst nach der Wende kam in Deutschland wieder Bewegung in die Debatte: Mecklenburg-Vorpommern machte den 8. Mai schon im Jahr 2002 zum Gedenk-, nicht aber zum arbeitsfreien Feiertag, Brandenburg und Thüringen folgten 2015, Bremen 2020. Hamburgs Bürgerschaft diskutierte 2018, ob der Frauentag, der 8. Mai oder der Reformationstag Feiertag werden solle. Dabei hatten sich die MinisterpräsidentInnen der vier norddeutschen Bundesländer längst auf den Reformationstag geeinigt, erinnert sich Norbert Hackbusch von der Linksfraktion.
Da ein Feiertag – das weit stärkere Symbol – also nicht durchsetzbar schien, forderte der schleswig-holsteinische „Initiativkreis“ 2020 lediglich einen Gedenktag. Der Landtag stimmte zu – und wird ihn mit weißen Flaggen der Künstlerin Ute Jürß auf dem Landeshaus begehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich