Ludwig Baumann ist tot: Der bekannte Deserteur
Der letzte Wehrmachtsdeserteur ist im Alter von 97 Jahren gestorben. Er hat jahrzehntelang für die Rehabilitierung gekämpft – und gegen den Krieg.
Vor allem Baumann war es, der über Jahrzehnte trotz massivster Anfeindungen für die Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren und sogenannten Kriegsverrätern gekämpft hatte. Neben anderen Auszeichnungen bekam er bereits 1995 für sein Engagement den Aachener Friedenspreis, 2007 den Kultur- und Friedenspreis der Bremer Villa Ichon.
Baumann war der einzige Überlebende jener 36 Initiatoren, die 1990 die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz gegründet haben. Rund 30.000 Deserteure, Verweigerer und „Kriegsverräter“ wurden von der NS-Militärjustiz zum Tode verurteilt, etwa 20.000 hingerichtet. „Der Soldat kann sterben, der Deserteur muss sterben“, lautete Hitlers Weisung.
Nach dem Krieg galten noch lange die Unrechtsurteile der NS-Militärjustiz. Der Bundestag hob sie erst 1998 auf. Vier Jahre später beschloss das Parlament dann die pauschale Rehabilitierung von Deserteuren. 2009 tilgten die Abgeordneten alle Urteile der NS-Militärjustiz gegen sogenannte Kriegsverräter. Als Verrat galten nach Auffassung der Nationalsozialisten bereits Kontakte von Soldaten zu Kriegsgefangenen, Hilfen für Juden oder kritische Äußerungen über den Krieg.
„Wir wollten einfach leben“
Baumann war 1940 zur Marine einberufen worden. Dort sei er „ furchtbar angeeckt“, weil er nicht eingesehen habe, dass er die Stiefel seiner Vorgesetzten putzen muss, erzählte Baumann einer taz-Reporterin im Jahr 2005. Man schickte ihn zur Hafenkompanie nach Bordeaux, wo er Freundschaft mit den französischen Wachleuten schloss. „Wir wollten einfach leben. Da kam der Gedanke abzuhauen“, sagte Baumann, aber er wusste nicht mehr, ob er von ihm stammte oder von den Franzosen.
1942 stahl Ludwig Baumann mit seinem Freund Karl Oldenburg Gewehre, die französischen Wachleute brachten sie auf einem Lastwagen an die Grenze, wo die Deutschen Frankreich noch nicht besetzt haben. Von einer deutsche Zollpatrouille werden sie festgenommen und als Deserteure zum Tod verurteilt. Das Verfahren dauerte 40 Minuten.
Doch Baumanns Vater, ein Tabakgroßhändler, hatte über einen Geschäftsfreund Beziehungen zu einem Großadmiral und schrieb ein Begnadigungsgesuch. Dem wird stattgegeben, aber Baumann erfuhr es in seiner Todeszelle erst acht Monate später, weil er gemeinsam mit spanischen Geiseln einen Ausbruchsversuch geplant hatte. Das Urteil wurde in zwölf Jahre Zuchthaus umgewandelt. Baumann wird später zu einem Strafbataillon nach Weißrussland geschickt. Sein Freund Oldenburg kam dort ums Leben.
Lebt gewaltfrei, lasst euch nicht für Kriege missbrauchen – das sind die Kernaussagen eines autobiografischen Buches über Baumann, das 2014 im Herder-Verlag erschien und sich wie ein Vermächtnis liest. „Wir in diesem reichen Land mit unserer Geschichte sind aufgerufen zu gewaltfreiem Handeln, uns für Gerechtigkeit, für das Leben und für den Frieden einzusetzen“, sagt er darin. Er soll auf dem Friedhof der evangelischen Kirchengemeinde Bremen-Grambke bestattet werden. Ein Datum für die Trauerfeier steht noch nicht fest.
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