Schlag gegen Hongkongs DemokratInnen: Willkür statt Rechtsstaat

De­mo­kra­tie­ak­ti­vis­t:in­nen stehen in Hongkong wegen „Verschwörung zum Umsturz“ vor Gericht. China stellt sich über bisheriges Recht – und über das Volk.

Unterstützer der Aktivisten hatlen eine buntes Transparent

UnterstützerInnen der Demokratie-AktivistInnen halten ein Banner vor dem Gericht Foto: Tyrone Siu/reuters

Hongkong ist bis zum Ende der britischen Zeit trotz pluralistischer Wahlen keine Demokratie gewesen, aber ein vollwertiger Rechtsstaat. Alle vertrauten dem, was auf Englisch „rule of law“ heißt und bedeutet, dass niemand über dem Recht steht, auch die Regierung nicht. Im Kontrast dazu steht in China, zu dem das eigentlich autonome Hongkong seit 1997 wieder gehört, die Kommunistische Partei über den Gesetzen. Sie hat sie schwammig formuliert, um sie nach Gutdünken zur Durchsetzung und Aufrechterhaltung der Herrschaft nutzen zu können. Nicht „rule of law“, sondern „rule by law“.

Mit der Einführung des sogenannten nationalen Sicherheitsgesetzes in Hongkong im Juli 2020 stülpte Peking sein Rechtsverständnis Hongkong über, um dort die Demokratiebewegung zu zerstören und ihre Anführer hinter Gitter zu bringen. Ein Indikator, wo sich Hongkongs Rechtsentwicklung jetzt befindet, zwischen Rechtsstaatstradition und Pekinger Willkürjustiz, liefert der Prozess gegen 47 Demokratieaktivist:innen, die seit Montag vor Gericht stehen wegen „Verschwörung zum Umsturz“. Sie hatten eine inoffizielle Vorwahl von Kan­di­da­t:in­nen der Demokratiebewegung organisiert, um mit den populärsten erstmals die Sitzmehrheit im Legislativrat zu erringen. Dies hätte ihnen ermöglicht, den Haushalt zu blockieren und die von Peking eingesetzte Regierungschefin zum Rücktritt zu zwingen.

Diesen verfassungsgemäßen Weg hat Peking mit der Verschiebung der Wahlen wegen Corona ebenso ausgehebelt wie jetzt mit der Anklage. Die De­mo­kra­tie­ak­ti­vis­t:in­nen sollen mittels eines Pekinger Willkürgesetzes dafür bestraft werden, dass sie demokratisch ihren Einfluss vergrößern wollten. Zugleich will Peking künftig alle Abgeordneten zwingen, China Loyalität zu schwören. An wem es dabei Zweifel gibt, der/die verliert das Mandat oder wird erst gar nicht zur Wahl zugelassen. Künftig darf nur noch das Volk vertreten, wen Peking abgesegnet hat. China stellt sich so in Hongkong nicht nur über bisheriges Recht, sondern auch über das Volk: „rule by Peking“.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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