Schlag gegen Biobetrug: Erfolgreiche „Operation Gurke“
Ermittler in 16 EU-Staaten haben verdächtige Lebensmittel sichergestellt. Angeblich 90.000 Tonnen „Öko“-Ware soll konventionell erzeugt worden sein.
Berlin taz | Polizei- und Lebensmittelbehörden haben in 16 EU-Ländern bei einem gemeinsamen Schlag gegen Biobetrug 90.000 Tonnen verdächtige Ware beschlagnahmt. Darunter waren Sonnenblumen, Mais, Sojabohnen, Apfel, Weizen, Beeren und Kokosmilch, teilte die EU-Polizeiorganisation Europol zum Abschluss der Operation „Opson VIII“ der taz mit. Der Verdacht: Billig erzeugte konventionelle Waren wurden als teure Bioprodukte verkauft. Der Einsatz dauerte von Dezember 2018 bis April 2019.
Demnach nahm die spanische Polizei Guardia Civil 9 Personen wegen Lebensmittelbetrugs fest. Rund 470 Tonnen Gemüse aus konventioneller oder Umstellungsproduktion, die dennoch als „bio“ verkauft wurden, seien sichergestellt worden. Die Kunden waren laut Europol meist aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Dänemark. Wohl deswegen nennt die Guardia Civil ihren Beitrag zu der EU-weiten Aktion „Operation Gurke“ (nicht auf Spanisch, sondern auf Deutsch).
Im Zentrum der Ermittlungen stand eine Firma, die zum Beispiel große Mengen von Gurken und Paprika vermarktete – viel mehr, als vor Ort überhaupt an Bioware hätte produziert werden können.
Im Rahmen von „Opson VIII“ seien die Ermittler auf gefälschte Dokumente, manipulierte oder unvollständige Prüfberichte, absichtlichen Einsatz von im Ökolandbau verbotenen Substanzen, mangelnde Rückverfolgbarkeit der Produkte und falsche Zertifizierung von Betrieben gestoßen, erklärte die EU-Kommission, die den Einsatz der Fahnder im Biobereich koordinierte. Man habe sich vor allem auf Importe konzentriert. Diese sind in der Vergangenheit immer wieder durch Betrug aufgefallen.
Pestizidrückstände in bedenklicher Höhe
In einem Fall seien zudem „Gesundheitsrisiken festgestellt“ worden, so die Kommission. Es handelte sich um Pestizidrückstände in bedenklicher Höhe. In den anderen Fällen könne der Ware noch das Biosiegel entzogen und diese dann als konventionelle verkauft werden. Genau hier liegt laut EU-Kommission auch ein Problem: Denn wenn Betrugsbioware nach der Entdeckung immer noch als konventionelle verkauft werden könne, sei das finanzielle Risiko für die Täter begrenzt.
Die Täter streichen oft Gewinne ein, selbst wenn sie entdeckt und bestraft werden
Die Behörde beklagte zudem, dass die Strafen vergleichsweise gering und in jedem EU-Staat anders seien. Bereits gelieferte Ware werde zuweilen nicht zurückgerufen, wenn sie sich als konventionell herausstellt. Und: Es könne sehr lange dauern, bis die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Täter würden oft Gewinne einstreichen, selbst wenn sie entdeckt und bestraft würden.
Die Kommission hat zwar nach eigenen Angaben mit einer EU-weiten Datenbank dazu beigetragen, dass die Herkunft von Bioware leichter festzustellen ist. Zudem überprüfe man jedes Jahr die Kontrollstellen, die die Produkte zertifizieren. Die Behörde verwies auch auf zusätzliche Kontrollen für Importe aus bestimmten Hochrisikostaaten. Aber: All das konnte die jetzt festgestellten Fälle nicht verhindern. Umstritten ist, ob die neue EU-Ökoverordnung, die 2021 in Kraft tritt und der Kommission mehr Befugnisse gibt, Betrügern wirklich das Leben erschwert.
Hintergrund der Operation ist das rasante Wachstum des Biomarkts in Europa. „Nachdem fast jede Produktart mittlerweile das Bio-Logo hat, ist die Wahrscheinlichkeit von Unregelmäßigkeiten und Verstößen in der Branche gestiegen“, so die Kommission. Da Bioware im Schnitt 30 Prozent teurer als konventionelle ist, ziehe das Geschäft auch „skrupellose Unternehmer“ an. Noch attraktiver werde es, weil die Bioproduktion in der EU langsam, die Nachfrage aber, etwa nach Futter für Ökotiere, sehr schnell zulege.
Leser*innenkommentare
heidudidu
Bitte seriös bleiben. Es wurden nicht 90.000 Tonnen beschlagnahmt. 90.000 Tonnen wurden untersucht, 470 Tonnen davon wurden sichergestellt.
"A targeted action led by the EU Commission with the support of Europol was run across 16 EU Member States to detect fraudulent practices pertaining to this field. More than 90 000 tonnes of suspicious organic products were checked, after which 9 individuals were arrested by the Spanish Guardia Civil (SEPRONA)."
Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt, Autor des Artikels
@heidudidu Stimmt nicht. Zitat Europol-Pressestelle in Mail an die taz:
" The 90 000 tonnes were seized in the following participating countries: Austria, Belgium, Bulgaria, Cyprus, Spain, Finland, France, Croatia, Ireland, Italy, Lithuania, Portugal, Sweden, Slovenia, Slovakia, UK"
97088 (Profil gelöscht)
Gast
Und jetzt staunen alle! In der gesamten Lebensmittelbranche wird von der Erzeugung bis zum Verkauf betrogen, dass sich die Balken biegen. Da wird Tierschutz umgangen, vergiftete Futtermittel (Klärschlammverklappung) vertrieben. Rinder mit Abdeckerresten gefüttert (BSE), Ware über das Verfallsdatum umgepackt und so weiter. Entweder, um die kleinen Margen aufzubessern (konventionell) oder um die guten Margen zu strecken (bio).
Leider habe ich noch nie einen TAZ-Bericht gelesen, wo es in diesen Fällen um Gerichtsverfahren und Verurteilungen geht oder Echtnamen von nachweislichen Täterfirmen. Schön wäre daher, in Berichte „forschend“ zu investieren an statt vorhandenes Pressematerial zu verarbeiten.
Sven Günther
Hier mal der Link zum Bundesamt für Verbraucherschutz, da ist der Fall etwas detaillierter beschrieben.
www.bvl.bund.de/DE...c12542434bodyText1
m. luz
einfach mal anrufen:
alnatura 06151/356 6000
dennree 09295-18-0
basic 089 / 30 66 896 - 0
bio-company 030 3251422-100
etc.
und dann hier die reaktionen posten gelle!
Traverso
@m. luz Ja toll.
Zählen Sie auch mal schön die ganzen Trittbrettpseudobioverkäufer Aldi, Lidl, Kaufland, Edeka usw auf, dessen Kundschaft es meist nur um billig geht und so leicht zu verarschen sind.
Auf das Ergebnis bin ich gespannt.
Melancholie
Wie kann das denn sein, dass die die Lebensmittel abzüglich zu geringer Strafe anschließend noch verkaufen dürfen?!
Beschlagnahmen und an Suppenküchen und Hilfsorganisation verteilen. ¯\_(ツ)_/¯
98589 (Profil gelöscht)
Gast
Wer es verkauft hat würde mich auch interessieren.
Habt doch mal Mut, ihr TAZler!!
4813 (Profil gelöscht)
Gast
Warum nennt man in solchen Fällen nicht Ross und Reiter. Die das gefälschte Zeug verkaufenden Unternehmen und die Ketten die es kaufen. Geschädigt sind nur wir Endverbraucher.
Und wieviel ahnten die Einzelhändler? Ich schätze mal dass Aldi und Co. Eigene Lebensmittelkontrollen machen. Also, wer hat es verkauft?
Bruder
@4813 (Profil gelöscht) Einzelhändler, und noch krasser Biobauern die einen Stand auf einem Wochenmarkt haben trifft man frühmorgens auf dem Großmarkt, wo sie sich mit derlei günstiger BIO-Ware eindecken und mit enormen Gewinnen aus dem eigenen Obstkistchen heraus verkaufen - keiner kontrolliert oder merkt das!
Waldo
@4813 (Profil gelöscht) Weil das gegen den Datenschutz verstoßen würde . Fragen Sie mal Frau Julia Klöckner.
Oder Ihre Vorgänger Schmidt, Friedrich, Aigner, Seehofer, Trittin, Künast .
Auf der anderen Seite müsste doch den meisten logisch Denkenden klar sein; Soviel Bio wie angeboten wird ist gar nicht ohne weiteres produzierbar. Siehe Erdbeerfruchtjoghurt, soviele Erdbeeren gibt es garnicht wie in den Joghurt drin sein sollte :-)
.
Rudi Rastlos
@Waldo Wie bitte? Erdbeerjoghurt mit Erdbeeren?
Das ist doch längst widerlegt. Die Erdbeeren haben , wenn überhaupt, den geringsten Anteil. Das meiste ist natürliches Aroma, Rote-Beete-Saft wegen der Farbe, Äpfel und Zucker.
Seit ich das mal im ZDF, ich glaube bei dem Lebensmitteltechnologen Sebastian Lege im "Nachbau", sah, gibt es bei mir keinen gekauften Fruchtjoghurt mehr, sondern wird selbst gemacht: Naturjoghurt und Früchte aus der TK-Truhe nach Belieben ohne Zuckerzusatz.
Ist doch lustig, wenn die Leute zum Probekosten auf den Industriefraß abfahren und das natürliche Produkt ablehnen - es "schmeckt nicht so gut". Da sieht man schon gut, wie Marketing und die Manipulation den getunten Konsumenten schaffen.