Schlag gegen Biobetrug: Erfolgreiche „Operation Gurke“
Ermittler in 16 EU-Staaten haben verdächtige Lebensmittel sichergestellt. Angeblich 90.000 Tonnen „Öko“-Ware soll konventionell erzeugt worden sein.
Demnach nahm die spanische Polizei Guardia Civil 9 Personen wegen Lebensmittelbetrugs fest. Rund 470 Tonnen Gemüse aus konventioneller oder Umstellungsproduktion, die dennoch als „bio“ verkauft wurden, seien sichergestellt worden. Die Kunden waren laut Europol meist aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Dänemark. Wohl deswegen nennt die Guardia Civil ihren Beitrag zu der EU-weiten Aktion „Operation Gurke“ (nicht auf Spanisch, sondern auf Deutsch).
Im Zentrum der Ermittlungen stand eine Firma, die zum Beispiel große Mengen von Gurken und Paprika vermarktete – viel mehr, als vor Ort überhaupt an Bioware hätte produziert werden können.
Im Rahmen von „Opson VIII“ seien die Ermittler auf gefälschte Dokumente, manipulierte oder unvollständige Prüfberichte, absichtlichen Einsatz von im Ökolandbau verbotenen Substanzen, mangelnde Rückverfolgbarkeit der Produkte und falsche Zertifizierung von Betrieben gestoßen, erklärte die EU-Kommission, die den Einsatz der Fahnder im Biobereich koordinierte. Man habe sich vor allem auf Importe konzentriert. Diese sind in der Vergangenheit immer wieder durch Betrug aufgefallen.
Pestizidrückstände in bedenklicher Höhe
In einem Fall seien zudem „Gesundheitsrisiken festgestellt“ worden, so die Kommission. Es handelte sich um Pestizidrückstände in bedenklicher Höhe. In den anderen Fällen könne der Ware noch das Biosiegel entzogen und diese dann als konventionelle verkauft werden. Genau hier liegt laut EU-Kommission auch ein Problem: Denn wenn Betrugsbioware nach der Entdeckung immer noch als konventionelle verkauft werden könne, sei das finanzielle Risiko für die Täter begrenzt.
Die Behörde beklagte zudem, dass die Strafen vergleichsweise gering und in jedem EU-Staat anders seien. Bereits gelieferte Ware werde zuweilen nicht zurückgerufen, wenn sie sich als konventionell herausstellt. Und: Es könne sehr lange dauern, bis die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Täter würden oft Gewinne einstreichen, selbst wenn sie entdeckt und bestraft würden.
Die Kommission hat zwar nach eigenen Angaben mit einer EU-weiten Datenbank dazu beigetragen, dass die Herkunft von Bioware leichter festzustellen ist. Zudem überprüfe man jedes Jahr die Kontrollstellen, die die Produkte zertifizieren. Die Behörde verwies auch auf zusätzliche Kontrollen für Importe aus bestimmten Hochrisikostaaten. Aber: All das konnte die jetzt festgestellten Fälle nicht verhindern. Umstritten ist, ob die neue EU-Ökoverordnung, die 2021 in Kraft tritt und der Kommission mehr Befugnisse gibt, Betrügern wirklich das Leben erschwert.
Hintergrund der Operation ist das rasante Wachstum des Biomarkts in Europa. „Nachdem fast jede Produktart mittlerweile das Bio-Logo hat, ist die Wahrscheinlichkeit von Unregelmäßigkeiten und Verstößen in der Branche gestiegen“, so die Kommission. Da Bioware im Schnitt 30 Prozent teurer als konventionelle ist, ziehe das Geschäft auch „skrupellose Unternehmer“ an. Noch attraktiver werde es, weil die Bioproduktion in der EU langsam, die Nachfrage aber, etwa nach Futter für Ökotiere, sehr schnell zulege.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“