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Schauspielerin über E.T.A Hoffmann„Er ist unglaublich modern“

Viele Facetten: Ein Abend in Hamburg widmet sich dem Schriftsteller, Komponisten und Beamten E.T.A. Hoffmann.

Interessiert an den Abgründen: Ein Porträt des Dichters Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (1776–1822) Foto: David Ebener/dpa
Alexander Diehl
Interview von Alexander Diehl

taz: Frau Hartmann, haben Sie einen Lieblings-Hoffmann?

Maria Hartmann: Ich müsste eigentlich zwei nennen. Ich finde nach wie vor die „Kreisleriana“ ganz großartig, die frühe, aus den „Fantasiestücken“. Wegen der Ironie, und weil es eine Betrachtung unseres Berufes ist, eine Betrachtung des Künstlers und der Kunstwelt, auf feine, ironische und auch ziemlich, ja: kräftige Art. Das gefällt mir. Auf der anderen Seite finde ich „Prinzessin Brambilla“ ganz toll, ein spätes Werk, 1820 erst geschrieben, zwei Jahre vor seinem Tod. Das deckt so eine ganz andere Art auf: dieses Grundthema Hoffmanns, die fließende Grenze zwischen Fantasie und Realität. Das wird da auf eine wunderbare Art nicht ins Auge, sondern in die Feder gefasst.

Bild: Derdehmel/Urbaschat
Im Interview: Maria Hartmann

geboren 1958 in Hamburg, erhielt ihre Schauspielausbildung bei Boy Gobert und Peter Striebeck. Sie lebt in Hamburg und Berlin.

Bei einem derart schillernden Menschen könnte es einen „Lieblings-Hoffmann“ ja auch auf andere Weise geben: Ist es der Autor E.T.A Hoffmann, der Komponist, gar der Beamte?

Der ganze Druck lastete auf dem Komponistendasein; da wollte er unbedingt Erfolg haben, ist als aber oft zurückgewiesen worden. Sein erfolgreichstes und heute noch bekanntesten Werk ist die Oper „Undine“. Die Schriftstellerei geschah fast nebenbei. Den „Sandmann“ zum Beispiel, eine großartige Erzählung, hat er zum Teil während einer juristischen Sitzung skizziert. Erstaunlich wiederum ist: So chaotisch er war, so genau und wohl auch hoch geschätzt war er als Jurist. Das war auch wie eine Art Doppelleben. Wie das so ineinander greift, das ist unglaublich; wie er das auch alles in einem Leben untergebracht hat.

Hoffmann ist 1822 gestorben, 2022 ist ein Jubiläumsjahr. Hat das etwas zu tun mit dem Zustandekommen Ihres Abendprogramms?

Ja, die E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft hat das Renaissance-Theater in Berlin gebeten, ein Begleitprogramm zu einer Ausstellung zu erstellen. Und das Theater hat wiederum mich gebeten; das waren insgesamt neun Veranstaltungen, darunter meine drei, Hoffmann aus drei Blickwinkeln. In Hamburg ziehe ich das nun sozusagen zusammen in eine einzige Veranstaltung – gar nicht so einfach!

Wegen der Fülle an Texten?

Jeder glaubt irgendwie, Hoffmann zu kennen, hat in der Schule oder so von ihm gehört. Aber ihn wirklich kennen? Der ist ja unheimlich komplex durch die ständigen Ebenenwechsel: Realität, Traumwelt, manchmal reißen Stränge ab, dann kommen sie irgendwo wieder. Das ist keine leichte Kost – was ich ja super finde. Er ist unglaublich modern in der Art, wie er eigentlich schon die Psychoanalyse vorwegnimmt, wie er Abgründe im Menschen beschreibt – und was zum Menschen alles dazugehört. Wie er als Jurist dafür war, dass man das man jemanden relativ lange selbst für seine Taten zur Verantwortung zieht, also auch für strafwürdig erachtet. Da könnte man sich doch vorstellen, so jemand würde das eher in die Krankheitsschiene schicken oder in die der psychischen Labilität. Aber er empfand auch diese Zustände als Teil der Normalität.

Der Termin

Lesung „Von Tagträumen und Nachtgestalten – Die Logik der Fantasie“ mit Maria Hartmann: Do, 8. 12., 19 Uhr, Hamburger Sprechwerk, Klaus-Groth-Str. 23

Sie bezeichnen ihn als „Taktgeber der Moderne“, also nicht nur als deren Vertreter.

Zentral ist daran die Frage der Identität: Woraus setzt sich ein Mensch überhaupt zusammen? Gibt es so was wie ein eindeutiges Ich oder sind das nicht immer viele Facetten; also gerade keine Einheit? Bei anderen Romantikern war eine Sehnsucht ein großes Thema, die radikale Subjektivität eines Ichs. Aber das Ich selbst, von dem viele Romantiker als Zentrum ausgingen, das stellt Hoffmann in Frage. Es gibt bei ihm keine strenge Einteilung in Gut und Böse im herkömmlichen Sinne; diese Dinge gehören zusammen. Abgründe gibt es, ja, innere Gespenster, aber nicht im Moralisierenden Sinne. Der Mensch hat viele Facetten, viele verborgene Winkel. Abgesehen davon haben sich ja auch viele auf ihn bezogen, es gibt viele Spuren, die er in der Literatur hinterlassen hat, stilistisch, aber eben auch thematisch. Dieses Menschenbild, diese Art von psychologischem Weitblick, diese Vision Hoffmanns: Das würde ich als einen Teil der Moderne bezeichnen.

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