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Schattenwolf nicht mehr ausgestorbenUnd da heulen sie nun rum

Heiko Werning
Kommentar von Heiko Werning

Die Gen-Manufaktur Colossal Biosciences will den Schattenwolf wieder zum Leben erweckt haben. Zum vor Jahrtausenden ausgestorbenen Urtier fehlt allerdings noch so einiges.

Zwei von drei neuen Produkten der Firma Colossal Biosciences Foto: Colossal Biosciences/reuters

Wann ist ein Mann ein Mann?“, knödelte Herbert Grönemeyer einst, und wem schon diese Frage Kopfzerbrechen bereitet, dessen Begeisterung dürfte sich in Grenzen halten über die Meldung, der Schattenwolf sei wieder da. Denn die Frage, wann ein Schattenwolf ein Schattenwolf ist, ist um einiges komplizierter. Bekannt geworden sind die Tiere vor allem im Fantasy-Genre, zuvorderst durch „Game of Thrones“, wo sie als Superwölfe, Wappentier und etwas exaltierte Familienhunde agieren.

Es gab sie allerdings tatsächlich. Sie ähnelten den heute noch lebenden Wölfen, sind aber nicht ihre Vorfahren. Mit ihrem deutlich massigeren Schädel, kräftigeren Zähnen und den kurzen Beinen am größeren Körper bespielten sie vermutlich eher die ökologische Nische heutiger Hyänen.

Der Name wurde erst in den letzten Jahren populär, zuvor wurde die Art meist etwas sperrig Aenocyon dirus oder Canis dirus genannt, was „Schreckenshund“ bedeutet und im Englischen zum „dire wolf“ führte. Aber der Hundeartige hörte eh nicht drauf, denn er ist vor über 10.000 Jahren ausgestorben. Bis zum Oktober letzten Jahres jedenfalls, folgt man den Verlautbarungen der Genmanufaktur Colossal Biosciences, die sich der De-Extinktion verschrieben hat, also der Kunst, ausgestorbene Arten wieder zum Leben zu erwecken.

Das ist ihr im Fall des Schattenwolfes nun also geglückt, wie sie auf X begleitet von einer Tonspur postet, auf der es so erbärmlich heult, als habe Elon Musk gerade die aktuellen Tesla-Charts gesehen – das erste Schattenwolfheulen seit über 10.000 Jahren. Wissenschaftliche Sensation oder Wolfshit?

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Bekannt aus Game of Thrones

Aus einem 72.000 Jahre alten Schädel und einem 13.000 Jahre alten Zahn haben die Colossals das Genom von Aenocyon dirus extrahiert, es anschließend mit dem des heutigen Wolfes abgeglichen und dabei 20 Unterschiede in 14 Genen erkannt. Die betreffenden Gene wurden per Genscherentechnik editiert, das neu zusammengebastelte Schattenwolfgenom in eine entkernte Hundeeizelle gepflanzt, die wiederum einer Hündin als Leihmutter eingesetzt.

So kamen schließlich drei Schattenwolfwelpen zur Welt, die auf die Namen Romulus, Remus und Khaleesi – eine Game-of-Thrones-Anspielung – getauft wurden. Die Tiere wachsen in einem geheim gehaltenen Privatreservat im Norden der USA auf, zertifiziert vom – kein Witz – US-Tierschutzverein. Und da heulen sie nun rum.

Sieht aus wie ein Schattenwolf, klingt wie ein Schattenwolf – also wird es wohl einer sein? Auch wenn das Genom zu über 99 Prozent übereinstimmt, bleiben vermutlich nicht nur die detektierten 20, sondern womöglich Millionen genetischer Unterschiede zwischen Schatten- und Wolf.

Zurechtgeschnitten wurden vermutlich einfach einige Gene, die bestimmte Merkmale im Aussehen bestimmen, weshalb die Newcomer dem verblichenen Vorgänger womöglich gleich oder ähnlich sehen. Das gesamte Genom aber trägt massenhaft weitere Informationen, deren Bedeutung wir gar nicht kennen, die aber entscheidend sind für das, was eine Art und ihre Anpassungsfähigkeit ausmachen, jenseits so einfacher Merkmale wie „massiger Schädel“.

Exorbitante Kosten

Hinzu kommt, dass ein authentischer Schattenwolf nicht nur genetisch geprägt wäre, sondern wichtige Verhaltensweisen von den Eltern und dem Rudel gelernt haben dürfte, wie es bei Wölfen auch der Fall ist. Mangels Role Models entwickeln Romulus & Co sich also mit ziemlicher Sicherheit zu etwas ganz anderem als dem Tier, das vor 13.000 Jahren einen Zahn verloren hat, selbst wenn sie sich äußerlich gleichen mögen.

Und schließlich macht eine Tierart nicht nur das Genom eines Individuums aus, sondern gerade seine genetische Variation zwischen verschiedenen Individuen. Colossal Biosciences schraubt allerdings, von solchen Einwänden unbeeindruckt, auch an der Wiederauferstehung von Dodos, Beutelwölfen und Mammuts herum. Bei Letzteren konnte die Firma kürzlich den wohl vor allem Frisöre schockierenden Erfolg vermelden, Wollmäuse gezüchtet zu haben, also Mäuse mit Haargenen von Wollmammuts und entsprechend zotteliger Frisur.

Gut möglich also, dass es in absehbarer Zeit zu einer Art Prehistoric Park kommen könnte. Und da ja alle gerade nach sicheren Anlagetipps suchen: Das wäre einer! Denn die Faszination, wieder zum Leben erweckte, vormals ausgestorbene Tiere zu sehen, dürfte ungebrochen sein – wen kümmert es da, wie nah dran am Urtier sie wirklich sind?

So oder so: Den Schutz heute lebender Arten ersetzt das Gengeschnippel nicht. Schon allein wegen der exorbitanten Kosten, aber auch, weil eine Tierart mehr ist als bestimmte sichtbare körperliche Merkmale einzelner Individuen. Weshalb ein Schattenwolf eben auch mehr wäre als ein genetisch veränderter Wolfshybrid. Da kann er rumheulen, wie er will.

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Heiko Werning
Autor
Heiko Werning ist Reptilienforscher aus Berufung, Froschbeschützer aus Notwendigkeit, Schriftsteller aus Gründen und Liedermacher aus Leidenschaft. Er studierte Technischen Umweltschutz und Geographie an der TU Berlin. Er tritt sonntags bei der Berliner „Reformbühne Heim & Welt“ und donnerstags bei den Weddinger „Brauseboys“ auf und schreibt regelmäßig für Taz und Titanic. Letzte Buchveröffentlichung: „Vom Wedding verweht“ (Edition Tiamat).
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13 Kommentare

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Kommentarpause ab 17. April 2025

Liebe Kommune,

wir machen Osterpause – die Kommentarfunktion bleibt für ein paar Tage geschlossen. Ab dem 22.04.2025 sind wir wieder für euch da und freuen uns auf spannende Diskussionen.

Genießt die Feiertage 🐣🌼
  • Wie auch schon beim Artenschutz in manchen Fällen, wo die noch bestehenden Artsvertreter mit der heutigen Welt klar überfordert sind, frage ich mich, ob es nicht Tierquälerei ist, ein Tier dessen Existenzgrundlage nicht mehr gegeben war wieder in die Welt zu setzen.

  • Die Sache ist eigentlich gar nicht spaßig. Bei Collossal stehen etliche Koryphäen der Syntetic Biology-Scene unter Vertrag.



    (auch aus Deutschland)



    Da kommt eine Menge wissenschaftliches Potenzial zusammen.



    Den Zauberlehrlingen ist eigentlich egal, welchen Geist sie aus der Flasche lassen. Es gibt kein Limit im Los Alamos der moderen Biologie.



    Was zählt ist die Schlagzeile, denn sie öffnet die Börsen der Sponsoren.



    Und dann lockt da der verlockende Ruhm, der/die Erste gewesen zu sein.



    Ein Jurassic Park oder ein Janson Born scheint da durchaus nicht unmöglich zu sein. Ein Ziel ist beides allemal.

  • Ich höre schon die Artensterben-Verharmloser: Siehste, das kann man alles nachträglich wieder reparieren! Uns müssen die blöden Biotope und Habitate nicht kümmern. Artenschutz geht auch nachträglich, wenn wir wieder Zeit dazu haben -- jetzt müssen wir ja erstmal reich werden. Genau wie man das ganze CO2 auch später noch wieder aus der Atmo holen kann -- da fällt denen schon was ein!







    Als wenn so eine Firma auch nur einen Finger krümmen würde, um ein Insekt wiederzubeleben. Die wollen nur Sensationen oder bessere Kuscheltiere.

    • @miri:

      Natürlich fangen die Firmen mit Tieren an, für die die Leute bereit sind, viel Geld zu bezahlen, um sie zu sehen.

      Aber warten Sie mal ab, wenn es billiger wird.

      Über kurz oder lang wird es auch um Insekten gehen.

      Zum einen um spektakuläre, zum anderen um ein Biotop perfekt nachzubilden.

  • Wolfs-Hit oder Wolf-Shit, das ist doch die Frage.

  • Warum so negativ? Ist doch ziemlich cool! Ich will Mammuts essen, mir egal wenn es nicht eines zu eins so ist wie zur Zeit deiner Verbreitung.



    Könnte man das auch mit Dinosauriern machen?

    • @Jesus:

      nein, mit dions geht das nicht. ganz einfach weil wir nicht mal einen hauch einer ahnung haben wie dino dna aussieht

      • @nutzer:

        p.s. aber dein vater kann das vielleicht...?

        • @nutzer:

          Ach und gerade als man sein altes Wissen prüfen möchte behauptet das Internetz, man habe doch schon Reste von Dino-DNA gefunden.

          • @Genosse Luzifer:

            Hast Du eine Quelle?



            Das einzige was ich finde ist eine Meldung aus 2020, dass möglicherweise etwas gefunden wurde, darauf wird danach nicht mehr verlinkt, was mich vermuten lässt, dass da nichts war...

            • @nutzer:

              die älteste sequenzierte DNA ist 1,4 Mio Jahre alt, älter geht mit heutiger Technik nicht.

        • @nutzer:

          Nein der Alte auch nicht. DNA zerfällt irgendwann und die der Dinos ist wohl hinüber.

    • @Jesus:

      Jesus will Mammuts essen, perspektivisch auch gerne Dinosaurier.

      Schöne neue Welt.