Saudi-Arabien im UN-Menschenrechtsrat: Der Fuchs, der die Hühner bewacht
Eine Onlinepetition fordert, Saudi-Arabien aus dem UN-Menschenrechtsrat zu werfen – weil es selbst Menschenrechte massiv missachtet.
Die Frage haben sie auf ein weißes DIN-A4-Blatt geschrieben: „Why is Saudi Arabia on the Human Rights Council?“ steht da, schwarz auf weiß, und darunter in Rot: „#FreeRaif“. Es ist eine rhetorische Frage, denn sie meinen: Natürlich hat Saudi-Arabien im UN-Menschenrechtsrat nichts zu suchen.
Die beiden Personen, die das Papier in die Kamera halten, sind Hillel Neuer, Geschäftsführer der NGO UN Watch und Ensaf Haidar, die Frau des Bloggers Raif Badawi, der in Saudi-Arabien im Gefängnis sitzt. Aufgenommen wurde das Foto im Jahr 2015, als sie sich in Kanada trafen. Es ziert die Onlinepetition, die sie vor zwei Jahren gestartet haben und die nun neue Aktualität bekommen hat. Auf Change.org fordern sie, Saudi-Arabien aus dem Menschenrechtsrat zu verbannen – und sammelten mehr als 15.000 Unterschriften.
Raif Badawi wurde 2012 zu zehn Jahre Gefängnis und tausend Stockhieben verurteilt, wegen „Beleidigung des Islams auf elektronischem Wege“. Seitdem ist der Blogger in Haft und gilt in seinem Heimatland als abschreckendes Beispiel für Systemkritiker. Im Ausland ist er zu einem Symbol für den Kampf für Menschenrechte geworden.
Im Oktober wurde Saudi-Arabien erneut in den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gewählt. Die UN-Vollversammlung entscheidet über die 47 Mitglieder nach einem Regionalschlüssel. Saudi-Arabien bekam 152 Stimmen und wurde damit zum vierten Mal hineingewählt. Seitdem 2006 aus der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen der Menschenrechtsrat wurde, war Saudi-Arabien nur ein Jahr nicht im höchsten Gremium zur Wahrung der Menschenrechte vertreten.
Kritiker sprechen von Kriegsverbrechen
„Es ist, als ob ein Fuchs einen Hühnerstall überwacht“, so beschreibt es UN-Watch-Chef Neuer. Ensaf Haidar äußert sich aus dem kanadischen Exil: „Wie kann Saudi-Arabien im Menschenrechtsrat sitzen und gleichzeitig selbst fundamentale Rechte missachten?“. Seit Saudi-Arabien im Menschenrechtsrat vertreten ist, wurden im Königreich laut Amnesty International 350 Personen hingerichtet, Tendenz steigend. Seit März 2015 bombardiert zudem eine von Saudi-Arabien geführte Militärallianz die Huthi-Miliz im Jemen.
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Dabei wurden laut Human Rights Watch mehr als 11.000 Zivilisten getötet oder verwundet. Weil offenbar auch Streubomben eingesetzt werden, sprechen Menschenrechtler mittlerweile von Kriegsverbrechen. Es wäre die Aufgabe des Menschenrechtsrat Ermittlungen durchzuführen, doch Saudi-Arabien blockierte bislang jegliche neutrale Aufklärung – und missbraucht seine Rolle damit bewusst, so die Kritik.
Laut Artikel 8 der Gründungsresolution hätte die UN-Vollversammlung prinzipiell das Recht, Saudi-Arabien aus dem Rat zu suspendieren, das streben die Initiatoren der Petition an. Passiert ist so etwas nur ein einziges Mal, als 2011 Libyen aus dem Menschenrechtsrat verbannt wurde. Gaddafis Vorgehen gegen Demonstranten war vor fünf Jahren Anlass genug, um von einer „grausamen und systematischen Menschenrechtsverletzungen“ zu sprechen. In seiner Bewerbung zur Wahl unterstreicht das Königreich: Wir nehmen Menschenrechte ernst, nur eben andere. Laut nationaler Gesetzgebung schützt der Staat die Menschenrechte „in Übereinstimmung mit der Scharia“.
Hoffen auf die Zivilgesellschaft
Alle fünf Jahre unterzieht sich jedes Land der UN einer periodischen Untersuchung. Im jüngsten Länderbericht beteuert das Königreich, 80 Prozent der dreistelligen Empfehlungen des UN Menschenrechtsrat „genauer zu untersuchen“. Übersetzt bedeutet die UN-Floskel, dass sich auf realpolitischer Ebene kaum etwas ändern wird.
Der Konflikt: Saudi-Arabien sitzt im UN-Menschenrechtsrat, obwohl das Land selbst massiv Menschenrechte missachtet.
Das wollen die Initiatoren dieser Petition: das Land suspendieren
Das wollen sie nicht: seine Blockademacht
Das wollen sie eigentlich: Freiheit für die Menschen in Saudi-Arabien
Zu finden unter: Change.org
Von der saudischen Regierung erhofft sich Ensaf Haidar nicht viel Veränderung, wohl aber von der digital vernetzten Zivilgesellschaft. Vor einer Woche haben 14.500 Frauen online eine Petition gegen die männliche Hegemonie im Lande unterschrieben, nennt sie als Beispiel. Eine andere Forderung aus der Zivilgesellschaft schaffte es sogar, politische Realität zu werden: Erst kürzlich schränkte Saudi-Arabien die Macht der Religionspolizei, der „Mutawa“, ein. Es sind Zugeständnisse der streng islamischen Regierung in Richtung eines freieren Saudi-Arabien. Für Ensaf Haidar ist das „zumindest ein Anfang“.
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