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Salvini blockiert SeenotrettungNach Spanien ist es zu weit

Mehrere Länder sind bereit, die Geflüchteten der „Open Arms“ aufzunehmen. Salvini sperrt sich trotzdem. Unterdessen spitzt sich die Situation an Bord weiter zu.

Salvini lässt sie nicht rein: Die Nerven auf der „Open Arms“ liegen blank Foto: ap

Madrid/Frankfurt am Main afp/epd | Im Streit um das Seenotrettungsschiff „Open Arms“ hat die spanische Regierung den italienischen Innenminister Matteo Salvini scharf kritisiert. Spaniens Verteidigungsministerin Margarita Robles sagte am Montagabend, Salvinis Vorgehen sei „eine Schande für die gesamte Menschheit“. Der Vorsitzende der rassistischen Lega-Partei verfolge „ausschließlich“ wahltaktische Ziele.

Italiens Innenminister Matteo Salvini hatte kürzlich die Regierungskoalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung aufgekündigt. Der italienische Rechtsaußen-Politiker strebt angesichts guter Umfragewerte seiner Lega-Partei Neuwahlen an. Regierungschef Giuseppe Conte wird sich am Dienstagnachmittag vor dem Senat in Rom zur politischen Krise in dem Land äußern.

Die Situation an Bord der vor Lampedusa ankernden „Open Arms“ belastet die Crew und die rund 100 Geflüchtete an Bord zunehmend. In der Nacht zum Dienstag holte die italienische Küstenwacht acht weitere Geflüchtete und einen Mitarbeiter aus medizinischen Gründen von Bord, wie die Crew auf Twitter mitteilte. Auf Fotos zeigt sie einen kollabierten Flüchtling.

Am Morgen sei erneut ein Migrant ins Wasser gesprungen, um an Land zu schwimmen. „Die Situation ist außer Kontrolle“, twitterte die Crew. Die „Open Arms“ sucht seit 19 Tagen einen sicheren Hafen für die Geflüchteten. Spanien bot Häfen bei Gibraltar und auf den Balearen an. „Open Arms“-Initiator Oscar Camps lehnte dies unter Verweis auf die zu langen Strecken ab.

„Humanitärer Imperativ“

Camps schrieb in der Nacht auf Twitter, unter den aktuellen Bedingungen an Bord könne das Schiff nicht einmal mehr eine Reise von drei Tagen zu den Balearen antreten. Die Psychologen an Bord hätten eindringlich davor gewarnt, mit den verbliebenen fast 100 Menschen erneut aufs offene Meer zu fahren.

Camps kritisierte zugleich die spanische Regierung: Während der vergangenen fast drei Wochen habe das Schiff die Regierung in Madrid gebeten, die „Open Arms“, die unter spanischer Flagge segelt, zu unterstützen, internationales Recht gegen Italiens Innenminister Matteo Salvini durchzusetzen. Salvini hat die Häfen für zivile Seenotretter geschlossen. Stattdessen wolle sich Spanien jetzt mit Italien einigen.

Der Sondergesandte des UN-Menschenrechtskommissariats für das Mittelmeer, Vincent Cochetel, verlangte, die „Open Arms“ müsse sofort in den nächstgelegenen Hafen einlaufen. Das sei nicht nur ein „humanitärer Imperativ“, sondern auch eine gesetzliche Verpflichtung des internationalen Seerechts, schrieb er auf Twitter.

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10 Kommentare

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  • Spanien hat den Hafen erst angeboten hat, nachdem die Rettung schon 2 Wochen vergangen war.

    Wäre die Open Arms direkt nach Spanien gefahren, hätte sie gegen internationales Recht verstoßen (was Italien übrigens die ganze Zeit tut, sowie alle Küstenstaaten am Mittelmeer, hierzu bitte SOLAS, SAR convention, UNCLOS/SRÜ zu Rate ziehen).

    • 0G
      06455 (Profil gelöscht)
      @Niko Rose:

      Gibt es nähere Infos zu ihrer Behauptung, die Open Arms hätte gegen internationales Recht verstoßen, wenn sie nach Spanien gefahren wäre?

      • @06455 (Profil gelöscht):

        Im Seerecht ist es die Pflicht einer*s jede*n Kapitän*in nach einer Rettung von Schiffbrüchigen den nächsten, sicheren Hafen anzulaufen und den Geretteten den Landgang zu ermöglichen. Genauso sind alle Küstenstaaten verpflichtet die Rettung zu unterstützen, den Landgang zu ermöglichen und eine medizinische Erstversorgung zu gewährleisten.



        Matteo Salvini verstößt von Beginn an gegen internationales Recht und gegen Abkommen, die auch Italien unterschrieben und ratifiziert hat.

  • Als Deutsche möchte ich mich nur zu Deutschland äußern und bin allmählich der Ansicht, Deutschland sollte seine Grenzen öffnen, für jede und jeden der hier gerne leben möchte.

    Ob daraus etwas auch nur annähernd Gutes entsteht, weiß ich nicht, aber mittlerweile finde ich fast alles besser, als diese Heuchelei, die moralische Überhöhung von Deutschen und die Spaltung dieser Gesellschaft.

    Machen wir halt die Grenze für Einreisende auf und schauen, wie lange unsere Ressourcen besonders für die schwächeren Mitglieder unserer Gesellschaft (Alte, Kranke, Kinder, Lernschwächere, Behinderte mit und ohne Migrationshintergrund) ausreichen.

    Dann hat Frau Rackete ihre Antwort und all' die anderen auch.

  • Ich denke Salvini wird hart bleiben und dann? Das ganze Theater nützt nur seinem Wahlkampf.

  • Man muss auch mal fragen, ob es weiterhilft, wenn die Rettungsboote noch immer Italien anfahren, wo die Helfer genau wissen, dass Italien sie nicht einfach aufnimmt und die Situation in Italien für Flüchtlinge prekär ist.

    Dass die Flüchtlinge abdrehen, wenn sie seit 19 Tagen auf dem Schiff ausharren müssen und Europa in Sichtweite haben, ist mehr als verständlich.

    Hätte die Crew gleich Spanien angesteuert, wären die Flüchtlinge wohl schon seit zwei Wochen vom Schiff.

  • Leider ist auch Spanien absolut unglaubwürdig wenn es darum geht Italien zur Einhaltung internationaler und Europäischer Gesetze und der EU Charta zu bringen. Bereits 2017 wurde Spanien vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt wegen illegaler Push-Backs in Melilla (Spanische Enklave, Grenze Marokko). Wegen tödlicher Schüsse auf Flüchtlinge und ebenfalls illegaler Push-Backs der Überlebenden, die Ceuta (die zweite spanische Enklave, Grenze Marokko) erreichten, wurde Spanien ebenfalls angeklagt.



    Beide Fälle siehe:



    www.ecchr.eu/fall/...-nt-gegen-spanien/



    www.ecchr.eu/fall/...sh-back-bei-ceuta/



    Das tödliche spanische Grenzregime hat sich seitdem nicht geändert. Jeder EU Staat könnte im Einklang mit den Genfer Konventionen Flüchtlingen das Massensterben auf dem Mittelmeer und das Geschacher um jeden einzelnen Geretteten beenden. Nach Genfer Konventionen ist es geboten Fluchtwege offen zu halten auch ohne Papiere die im Kriege + vom Verfolgerstaat nicht zu kriegen sind. Personenbeförderungsunternehmen wie Flugzeugen und Fähren konnten bis ins Jahr 2001 Menschen die glaubwürdig Schutz nach UN Kriterien beanspruchten - gegen Bezahlung der normalen Tickets natürlich befördern. Geprüft wurde dann im Zielland u.a. in sogenannten "Flughafenverfahren". Die Abschaffung dieser internationalen Schutzregel Fluchtwege offen zu halten die nach den Verbrechen Nazideutschlands und der fatalen Abschottung der Nachbar- und Transitstaaten so beschlossen wurde ist die Ursache dafür dass die EU-Grenzen heute die tödlichsten weltweit ist. Klammheimlich freuen sich alle EU-Regierungen doch dass Salvini den brutalen Grenzmacker gibt. Alle schielen zu Hause auf "ihre" Rassisten und opfern lieber Flüchtlinge als Wählerstimmen im vorauseilenden Gehorsam schenken sie damit Europa den neuen Nazis und Populisten. Das betrifft uns alle auch wenns gerade "nur" um Flüchtlinge geht.

    • @Nina Janovich:

      Vor allem sollten das tödliche marokkanische Grenzregime (eine Grenze hat ja immer zwei Seiten.) seiner Verpflichtung aus der Genfer Flüchtlingskonvention nachkommen und sich um die Flüchtlinge kümmern.

      Stattdessen schauen sie zu, wie die Menschen sich am Stacheldraht aufspießen.

      Es kann doch nicht angehen, dass die Flücghtlinge ihr Leben aufs Spiel setzen, weil sie in Marokko schlecht versorgt werden.

      Warum gibt es in Marokko nur ein UNHCR-Büro bei so vielen Flüchtlingen?

      • @rero:

        "Es kann doch nicht angehen, dass die Flücghtlinge ihr Leben aufs Spiel setzen, weil sie in Marokko schlecht versorgt werden."

        Marokko ist doch selbst Herkunftsland. Welchen Sinn würde es machen, perspektivlose Flüchtlinge aufzunehmen, wenn man ihnen keine Perspektive geben kann? Es würde nur die Situation in Marokko verschlechtern. Libanon, Jordanien, Türkei sind hinsichtlich syrischer Flüchtlinge abschreckende Beispiele.

  • Welch eine Schande für Europa!



    Das kommt davon, daß wir noch keine "Verfassung für Europa" haben, sondern lediglich einen "Vertrag von Lissabon" als "aktion europa" (klein geschrieben) d.h. WORK in PROCESS bzw. noch in Arbeit!



    Deshalb werden Menschenrechte trotz UN CHARTA nicht anerkannt und umgesetzt.