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Sachbuch „Die Erfindung der Hausfrau“Mutti lädt das Gewehr nach

Evke Rulffes rekonstruiert in ihrem Buch die Erfindung und Entwicklung der Hausfrau. Es offenbart Einblicke in Moral, Ökonomie und Gendergap.

In den 1960ern: Das bisschen Haushalt … man rät zu Pausen, um Unfälle zu vermeiden Foto: Claus Krause/dpa/picture alliance

Lange Zeit durfte man auch als Feministin die Hausfrau als Horror- und Schreckbild betrachten, ihren (vermeintlich selbstgewählten) Rückzug ins Häusliche belächeln. Seit einigen Jahren verhält es sich anders.

Statt die Hausarbeit mit männlichem Blick abzuwerten, wird die ökonomische und soziale Bedeutung der unentgeltlich erledigten Care-Arbeit hervorgehoben. Trotzdem bleibt die Hausfrau eine Problemfigur. Evke Rulffes widmet ihr nun ein Buch: „Die Erfindung der Hausfrau“. Es liefert, anders als man zunächst annehmen könnte, weniger eine politische Streitschrift zur Rehabilitation der Figur als vielmehr einen kulturhistorischen Abriss der Entwicklung der Hausfrau.

Und der erweist sich als enorm spannend, zeigt er doch, wie die einst respektierte und qualifizierte Figur der Hausmutter, die das 17. und 18. Jahrhundert mit allerhand Traktaten bedachte, Schritt für Schritt zu einer sozialen Problemfigur wurde: von Konservativen zum Idealtypus stilisiert, vom linksliberalen Milieu eher abgewertet.

So konnte man noch vor gut einem Jahrzehnt in der Werbung das Lob auf die „Familienmanagerin“ hören. Das verwies einerseits auf professionelle Fähigkeiten des Wirtschaftens – weswegen sich auch ausgerechnet Angela Merkel auf die sprichwörtlich kluge wie sparsame „schwäbische Hausfrau“ berufen konnte. Andererseits deutete es aber auch auf die Unentbehrlichkeit der Mutter/Hausfrau hin – wie soll so ein Betrieb denn ohne eine Managerin laufen? Das freilich verlieh dem Lob einen reaktionären Twist.

Das Hausmuttermanagement

Rulffes zeigt nun, dass die anfängliche Rolle der Hausmutter tatsächlich eher im Management beispielsweise großer Gutshöfe bestand. Nie im Leben hätte die Hausmutter selbst gebacken oder die Wäsche gewaschen. Vielmehr leitete sie ihr Personal an und traf grundlegende ökonomische Entscheidungen für den Hof: Welche Waren des täglichen Bedarfs sollten selbst hergestellt werden? Vom einfachen Leinen bis zum Lampenöl musste für jede Haushaltsware eine sorgfältige ökonomische Kalkulation getroffen werden.

Die Autorin beleuchtet einen in Vergessenheit geraten Typus von Ratgeber, die Hausmutter- und Hausvater-Literatur. Besonders gründlich untersucht sie das Hausmutter-Buch von Christian Friedrich Germershausen, das nicht nur allerhand alltagspraktische Tipps, von Kuchenrezepten bis hin zu Serviervorschlägen, beinhaltet (man möge doch bitte die Maden vor dem Servieren aus dem Käse entfernen), sondern auch die groben Seiten des Hausmutterdaseins beleuchtet: Im Falle eines Überfalls auf das Haus fällt es der Hausmutter zu, das Haus zu verbarrikadieren und das Gewehr nachzuladen.

Evke Rulffes: „Die Erfindung der Hausfrau. Geschichte einer Entwertung“. Harper Collins, Hamburg 2021, 288 Seiten, 22 Euro

Die Pointe besteht aber darin, dass zu Germershausens Zeit die Hausmutter-Literatur aufgrund sozialer und ökonomischer Umwälzungsprozesse bereits überholt ist. So wie auch das gezeichnete Bild der Hausmutter/-frau immer schon Fiktion ist. „Ratgeberliteratur ist normative Literatur, die ein fiktives Ideal als Normalität verkauft.“

Das gilt auch für die Schriften Jean-Jacques Rousseaus, der ein neues Mutterideal formt, das das Bild der bürgerlichen Hausfrau und Mutter fortan prägt. Der Wandel von der managenden Hausmutter zur Hausfrau, die vor allem für Fragen der Reproduktion verantwortlich ist, „verläuft über die Schnittstelle der Figur der Mutter“.

Sie soll nicht arbeiten

Aber es muss noch ein weiterer Aspekt hinzutreten: Die bürgerliche Frau und Mutter soll, dem Ideal nach, nicht arbeiten; aber im Rahmen der ökonomischen und sozialpolitischen Umbrüche des 19. Jahrhunderts gelingt es bürgerlichen Männern nicht mehr, ein ausreichend großes Einkommen zum Unterhalt von Frau, Familie und Gesinde zu erzielen. Also fallen die vormals von Personal gegen Entgelt verrichteten Tätigkeiten der Hausfrau zu.

So stellt sich die Erfindung der Hausfrau als Abschluss eines Prozesses dar, der sowohl von moralphilosophischen Überlegungen wie ökonomischen Zwängen geleitet ist. Den ökonomischen Wert der Care-Arbeit auch für die Gesellschaft auszuweisen, ist daher der erste Schritt zur Überwindung der Entwertung der Figur der Hausfrau.

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16 Kommentare

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  • Hausfrau-Sein bestand früher nicht v.a. aus Care-Arbeit. Noch in den 50-ern gehörten dazu (falls die Familie in einem Haus wohnte): Gärtnern und Landwirtschaften (Gemüse-, Beerenanbau, Hühner), Wäschewaschen ohne Maschine, alle Wäsche bügeln (damals war nichts pflegeleicht), Putzen, Nähen-Stopfen, und natürlich jeden Tag ein Essen dann auf dem Tisch, wenn Mann und Kinder nach Hause kamen. Nicht umsonst gab (gibt?) es die Lehre zur Hauswirtschaft; Hausfrauen waren eben keine "Amateurinnen". Hausfrauendasein damals hat nichts mehr mit Hausfrau von heute zu tun. Was heute eher öde ist, war damals mindestens so anstrengend, wie einem anderen Beruf nachzugehen - allerdings (wenn man den Begriff der Reproduktion außer Acht lässt) dem direkten Kapitalverwertungsprozess entzogen . Die Machtverhältnisse waren dabei natürlich aus heutiger Sicht absolut nicht akzeptabel.

    • @resto:

      Nicht zu vergessen!



      Daß die Frauen im Ruhrgebiet erst Mitte der 50er mittels Streik! die Kleche beendeten - die Untertageklamotten der Bergleute - für lau - in den Bottichen zu waschen! Waschmaschinen Fehlanzeige

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @resto:

      Hausfrau sein besteht heute aus Prosecco trinken und dann mit dem SUV zum Friseur, weil Männe den Porsche nimmt. Nachmittags dann in den Waldkunstpfadverein um Künstler auszusuchen - gerne auch knackige.



      Frau ist heutzutage finanziell unabhängig, weil sie geerbt hat.

  • Mir scheint das besprochene Buch schlauer, als der Artikel.



    Aus der Leseprobe:



    »Außerdem hat mich immer schon die Frage umgetrieben, wie es bloß dazu kommen konnte, dass eine Arbeit (die Haus- und Care-Arbeit) mit einem Geschlecht und dem Familienstand (weiblich und in Partnerschaft / Mutter) verknüpft ist – und diese Arbeit dann auch noch gar nicht als Arbeit angesehen wird, weil sie nicht bezahlt wird.«



    Und weiter unten:



    »Während sich die männlichen Berufe in dieser Zeit professionalisierten, setzte bei den häuslichen Tätigkeiten eine Deprofessionalisierung ein – die Hausfrau und Mutter sollte letztendlich als Amateurin alleine alle Aufgaben übernehmen, die früher in einem stark arbeitsteiligen Haushalt verschiedenen Expert*innen überlassen gewesen waren.«



    Also, das Bild der Hausfrau aufzuwerten bringt gar nichts.



    Wenn es was zum Überwinden gibt, dann diese falschen Kopplungen.

  • Ok Ok. Wennmer das “Guts“ bei den Höfen mal besser wech lassen! Newahr.



    Normal •



    (Hab letztere Fruunslüd noch in Form der Herrinnen der Höfe -



    Meiner staatschen Tanten & Großtanten selbst schmunzelnd erlebt.



    Und die gelebten Altenteilerverträge* sprachen eine mehr als deutliche Sprache!;)



    & zur Wehrhaftigkeit =>



    “Kaant man nur rinn - Ever de Bräägen kaamt ünner de Deek!“



    De Fru achter de Döör - mit der 🪓 in de Hannen!“



    & servíce *



    “Dunn loop ik de Möeltwiit up un daal!“



    Mein Lieblingsonkel als er den Hof -



    Endlich - nach Intervention unserer alten Dame!;)



    Abgegeben hatte. Nich einfach - sech ik di.



    &Däh!



    Seine “alte“ Kähte - einer der wenigen gütigen Menschen - die ich erleben durfte!



    Hatte es weit besser => sie ging wie bisher der jungen Kähte zurhand!



    Normal.

    Liggers. So geit dat!



    &



    (Zur bürgerlichen Seite - ein andermal - wa.)



    Unsere alte Dame - meine Tanten - zieh ich heut noch den Hut •



    Die brauchten sonn wohlfeiles “…ach du liebe Zeit“-Gesabbel!



    Von welcher Seite auch immer - kein Stück! 😹😹😹



    Aber Hallo

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Inner DDR hat zum Schluß selbst meine bürgerliche Mutter gearbeitet. Weil es zu Hause langweilig war, da alle anderen Frauen gearbeitet haben.



      Aber in den Kindergarten musste ich Gottseidank nicht.

      • @4813 (Profil gelöscht):

        Liggers. Kindergarten blieb mir auch erspart. Doch.



        SBZ/DDR - bürgerlich - Newahr.

        Ein fernes Stichwort.



        98 Stück Vieh auf 150 qm einschl. 🐐-



        Das schmiß weitgehend Hera die Göttermutter. Kaninchenfutter - großes Bruderherz*39 - erst danach zur Hermann-Schule ums Eck.



        De Ohl hatte als Handlungsbevollmächtigter plötzlich Hensel&Haenert am Hals. Weil die Herren Prokuristen alle was verschoben hatten - gen Workuta entschwunden.



        Und die alte Dame*04? - 100% schwerbeschädigt - Freifahrt RB - vertickte alles aufm Schwarzmarkt Berlin & versorgte die halbe Straße.



        BRD - setzte sich das ähnlich fort.



        1000qm Ackerfläche => Garten:



        Das Relikt der Ökobewegung der 20er => alles nach Böttner! (nicht immer einfach;)( & schmiß en passant den Hintergrund des Großhandels ihres früheren Verlobten. Hatte zuvor das Haus drauf einschl Finanzierung gebaut



        Und bugsierte gemeinsam zwei Rabauken von Gnaden (Schulabbrecher Sitzenbleiber!;) ins Leben.



        Langweilig - war ihr jedenfalls nicht.



        Das abendliche Klappern der Nadeln hab ich noch im Ohr - 🤣 -

        Soweit mal

        • @Lowandorder:

          Supi!!



          Während die Eine, Uroma(B.n.o.) mir vorgelesen hat, klapperte die andere Oma(Kind v. Uroma;-))mit die Nadeln vor sich hin.(Der Kater saß och noch mit da.)



          Watt habt ihr nur, jejen, nen ordentlichen(Zonen;-)- Kindergarten.



          www.ddrbildarchiv.de/search.php

          • @Ringelnatz1:

            Sach mal so:

            Meine Kids - meine Enkel waren alle in einem Kindergarten. Ja.



            Großes Bruderherz ist mit Kinderfrauen aufgewachsen.



            Sowas gab‘s post WK II - nicht mehr.



            Laß ich meine Kindheit bis Herrmann Schule in der Blumenstr Revue passieren: ich glaube für uns beide - hätte sojet (Kindergarten) nicht gepaßt.



            “Ihr habt gerade noch auf der Straße gespielt mit den anderen. Dann schaute ich in den Garten & du spieltest seelenruhig vor dich hin. “Hattet ihr Streit?“ “Nö. Nix. Wollte für mich sein.“



            Unsere alte Dame & das - zieht sich durch mein Leben bis heute in allen Lebrnsbereichen. Möcht‘s nicht missen.

            • @Lowandorder:

              ..Meine Kids - meine Enkel waren alle in einem Kindergarten. ..



              Dem ist wohlgetan!



              Die Lehrerinn,sie wissen, war lieber im Kuhstalll als imKindergarten.



              Hätt ich auch gemacht. Kälbchen streicheln. Klaro, welcher Berliner will das nicht.

              Man hört nie auf, erziehungsbedürftig zu sein;



              ich gehe jetzt noch in die Schule und lerne von Leuten,



              die meine Enkel sein könnten.

              Theodor Fontane

              • @Ringelnatz1:

                Ach was! Ein weites Feld am Stechlin.

                Schonn. Lernen bis zum letzten Atemzug. Liggers.



                (Grade gestern den Kupferdämpfer an 🎺 handgeführt! zu 🎸 im Duo! Booey;)



                Da bin ich bis hück aufsaugend wie ein Schwamm. But.



                Häppchen - Portioniertes von doch eher Bemühten “…einen hatten wir“ Tucho!



                Das widerstrebt - der Kreativität - dem atemlosen Wundern (meine Schulzeit wie mein Studium “Abstimmung mit den Füßen!!“ Beruf “wie wir mit dem linken widerborstige Kollegen …klarkommen!“ (it works!;) & Musike!! vor allem - kann ich mühelos so lesen! Danke.



                (Gilt für großes Bruderherz - ein weit widerborstiger Kreativbolzen 1. Kajüte - in noch höherem Maße - mit komplett anderem Lebensweg post Schule.



                Aber Hallo.)

                kurz - neugierige Autodidakten - die sich nach gusto für jeden Scheiß interessieren(=Absintern von Wissen & Erfahrungen!!) - mit latentem autistischen Zug (sonst funzt das nicht - wie ja die Wissenschaftsgeschichte wunderbar zeigt => mal Thomas Kuhn (ua zu Ernst Mach;) - Paul Feyerabend et al. anschnüffeln!;))



                - always at your servíce - 🧐 - & nischt for unjut - wa.

          • @Ringelnatz1:

            Kindergarten in Maske eingeben!

          • 4G
            4813 (Profil gelöscht)
            @Ringelnatz1:

            Ei, meine Nichte kam mit sechs Wochen rein. Das hat Folgen.

      • @4813 (Profil gelöscht):

        Endlich tut sich was hier!;-)



        Interessiert zwar niemanden mehr aber nachlesen schadet nicht.



        de.wikipedia.org/w...ienpolitik_der_DDR



        Große Unterschiede auch Stadt und Land.



        SM,vier Kinder,Pflanze, Vieh(Kuh)stall d.h. rund um die Uhr, Haushalt, Mann;-),



        Osten also es gab alles, Viehzeug a. H..



        wie oben @RESTOGemüse-, Beerenanbau, Hühner, Karnickel, Enten, ich frage mich heute noch wie die Frauen, das Alles geschafft haben.



        Ach so, auch ich ziehe den Hut!



        Kindergarten war jut. Supi Gärtnerinn!