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Saša Stanišić und die „Tagesschau“Und raus bist du!

Saša Stanišić gewinnt den Deutschen Buchpreis, die „Tagesschau“ schreibt seinen Namen falsch. Eigentlich keine Überraschung.

Saša Stanišić (links) gewinnt den diesjährigen Deutschen Buchpreis Foto: Andreas Arnold/dpa

Was muss ein Mensch tun, um als zugehörig zu gelten? Reicht es, fast 30 Jahre lang in Deutschland zu leben, einen deutschen Pass zu haben, Deutsch zu studieren, eine Poetikdozentur an einer deutschen Hochschule innezuhaben, deutschsprachige Bücher zu schreiben, mit ihnen Bestsellerlisten zu füllen und für diese Werke mit renommierten Stipendien und Preisen ausgezeichnet zu werden, um als deutscher Schriftsteller zu gelten?

Offenbar nicht. Das zumindest könnte man meinen, wenn man am Montagabend um 20 Uhr die „Tagesschau“ angeschaut hat. Nachdem Saša Stanišić den Deutschen Buchpreis erhielt, berichteten die Kolleg*innen der ARD: „Sasa Stanisic erhält Deutschen Buchpreis“.

Nicht nur die „Tagesschau“ hielt es für zweitrangig, den Namen des Autors korrekt zu schreiben. Auch die taz schrieb ihn falsch. Und im April erklärte die Frankfurter Rundschau sogar: „Vorweg sei bemerkt, dass das Schriftprogramm, über das wir für die Zeitung verfügen, leider nicht in der Lage ist, den Namen des Autors korrekt abzubilden.“ Zur Erinnerung: Es ist 2019, jedes Handy kann Stanišić korrekt schreiben.

Vielleicht war es Nachlässigkeit. Vielleicht lag es auch daran, dass die ARD den Schriftsatz einfach nicht hat.* Oder es lag daran, dass Annika und Karsten von der „Tagesschau“ nicht wissen, wie es sich anfühlt, wenn der eigene Name falsch geschrieben wird, und deswegen nicht darauf achten. Wie auch immer: Es ist, wie Jagoda Marinić twitterte, Zeit, dass die ARD ihr Buchstabensortiment der deutschen Literatur anpasst.

Helena statt Jelena, Fernando statt Jihad

Denn es ist zwar kein Problem, wenn man einen Namen falsch schreibt. Aber es ist ein Problem, wenn das einfach so hingenommen wird. Wenn man sich nicht einmal die Mühe macht, einen Namen richtig zu schreiben. Und es ist ein Problem, wenn die bekannteste Nachrichtensendung in Deutschland die Namen von Menschen, die in diesem Land das öffentliche Leben prägen, wissentlich falsch schreibt – nicht zuletzt, weil es die Aufgabe von Journalismus ist, korrekt zu berichten.

Gleichermaßen beschämend und ironisch ist, dass ausgerechnet die Würdigung eines Buches über Identität, über Zugehörigkeit und Fremdsein dieses Werk als das markiert: anders. Aber es ist eben auch keine Überraschung. Nicht wenige migrantische Personen ändern ihren Namen oder die Schreibweise ihrer Namen, um in diesem Land richtig angesprochen und benannt zu werden, um weniger anders, um zugehörig zu sein: Sie nennen sich Helena statt Jelena, Vanessa statt Hồng Vân, Fernando statt Jihad.

Die Lektüre von „Herkunft“ sei allen ans Herz gelegt, die das Problem nicht nachvollziehen möchten. Denn über seinen Namen, oder wie Stanišić sagt: die Häkchen in seinem Namen, schrieb er bereits in dem nun ausgezeichneten Buch. Stanišić empfand sie in Deutschland als „Hindernis“: „Sie stimmten Beamte und Vermieter skeptisch, an der Grenze dauerte die Passkontrolle länger als bei Petra vor und Ingo hinter dir.“ Es ist egal, was Migrant*innen in Deutschland tun, am Ende bleiben sie ein Sonderzeichen.

* Bis zur Veröffentlichung des Beitrages am 15.10. um 16.11 Uhr gelang es nicht, eine Stellungnahme der ARD zum Thema zu bekommen.

* Update: Am 16.10. um 16:04 Uhr gab ein Sprecher des NDR folgende Stellungnahme der Redaktion weiter: „ARD-aktuell nutzt nur bei französischen, spanischen und portugiesischen Namen Akzente, Tilden u. ä. – sowohl bei Klein- als auch bei Großbuchstaben. Diese Sprachen sind weiter verbreitet als andere und werden über die jeweiligen Länder hinaus gesprochen (z.B. in Lateinamerika oder Afrika/Asien). Auch Agenturen arbeiten offensichtlich mit unterschiedlichen Richtlinien – dort sieht man bei Fällen wie diesem diverse Schreibweisen.“

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13 Kommentare

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  • Man kann sich auch über Nichtigkeiten aufregen. Wenn der Zeichensatz eines Namens in einer Landessprache nicht existiert, dann wird transkribiert. Das machen alle und es ist eine akzeptable Vorgehensweise mit guter Begründung.



    Das hat nichts mit fehlendem Respekt vor der Person zu tun.

  • Ach ja, vor allem mit slawischen Namen und ihrer Aussprache tun sich unsere Journalisten schwer bzw. ist es ihnen wurscht. So wird der einstige serbische Machthaber in Serbien, (ha hier streikt bei den Accents auch meine Tastatur) immer noch Milosevitsch, anstatt korrekt Miloschewitsch ausgesprochen. Nu ja, dafür rächen wir uns bei den ausländischen Medien mit Kramp-Karrenbauer........

  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    Ich habe als Kind in der tiefsten DDR in einer Zeitung geholfen(alter Ausdruck)



    Dieser Anblick der Setzer, der Geruch, die Hektik,.die klappernden Geräusche und die Maschinen,die Maschinen



    an sich! Klapp und Peng!



    Die Rahmen falsch, alles wieder auf Null!



    Vergangen.Trotzdem, nicht vergess



    en!



    Oh, vom Thema abgewichen!

  • Meine Tochter hat nen rumänischen Nachnamen und wird mir vllt irgendwann Vorwürfe deswegen machen, weil der sehr viele Buchstaben mit Dach (überm A) oder mit umgekehrtem Dach oder Komma am T oder oder oder geschrieben wird und sie ihn immer und immer wieder buchstabieren werden muss..



    Meine persönliche Meinung dazu ist: Es ist schwer bei der Ausstellung eines offiziellen Dokumentes, aber in der Realität schreibt selbst ihr Vater die Haken und Ösen nicht mit.. und der WEISS wo die hingehören.



    Die deutsche Sprache hat keine Haken/Akzente/Tilden oder so.. bis auf die Punkte über den Umlauten. Und die werden in anderen Sprachen für gewöhnlich auch weggelassen, weil keiner was damit anfangen kann.



    Klar ist es schön, wenn Journalisten sich die Mühe machen, Namen korrekt zu schreiben. Nur können sehr viele Menschen einfach kaum einordnen, wie die korrekt ausgeschriebenen Namen nun ausgesprochen werden - weil das halt Fremdsprachen sind.. oder fremdsprachlich geschriebene Namen... als Bsp: wenn jemand Saša heißt und das soll Sascha gesprochen werden: was ist daran schlimm? Ich musste den Buchstaben grad aus dem Text kopieren, damit ich ihn hier "schreiben" konnte... dieser Buchstabe existiert erstmal so nicht in der deutschen Sprache und was ist gegen Sascha (falls das überhaupt richtig ausgesprochen/ausgeschrieben ist?) einzuwenden? Wenn ich nach Russland auswandern würde, wäre es auch an der Zeit, mich an die Schreibweise zu gewöhnen: Др. Хуевер



    Wäre dann halt so... Von den Asiatischen Schriftzeichen ganz zu schweigen...



    Das soll kein Motzkommentar sein. Ich verstehe nur nicht wirklich, warum es ein Problem ist, Namen "einzudeutschen" (gilt ja auch für alle anderen Sprachen genauso - fragen sie mal nen Jürgen oder nen Björn oder so). Woher soll ich denn bitte wissen, wie ein Komma unterm A in dieser oder ein Dach aufm A in jener Sprache gesprochen wird. (Und ja ich gebe mir Mühe. Klappt aber nicht immer. Und dann will ich nicht für meine Unkenntnis verurteilt werden.

  • Ich finde es gut, Namen mit allen möglichen "Sonderzeichen" richtig zu



    schreiben. Aber die Kunst, daraus ein Problem zu machen, verstehen nur wir Deutsche. Ebenso bei der Aussprache. Während wir uns bemühen, korrekt "Mark Sackerbörg" und "Robert Maller" zu sagen, wüsste ein Amerikaner nicht, was an "Angela Mörkel" oder "Helmet Cole" falsch sein sollte. Ein bisschen Fehlertoleranz und Humor können hier nicht schaden.

    • @Haggi:

      (Zeilenumbruch unbeabsichtigt)

  • Noch mehr Empörung im Empörungsdeutschland. Ja, die Häckchen sollten schon sein, ihr Weglassen ist aber noch lange keine Fremdenfeindlichkeit. Da schütteln sich die wirklich Fremdenfeindlichen doch vor Lachen. Was ist hier eigentlich die These? Richtig deutsch bist du erst wenn die anderen richtig Deutschen deinen Namen richtig schreiben obwohl der nicht richtig deutsch geschrieben wird? Aber sollte man nicht jeden so schreiben, wie er geschrieben wird? Unabhängig davon, ob man Buchpreis- Gewinner ist oder Deutscher?

  • Vielleicht sollten wir unsere inkonsequenten Rechtschreibregeln überdenken.

    Alle so zu schreiben, wie in andern Länder und dannauch noch so auszuspechen ist auf Dauer nicht machbar.

    Die Spanier sind da konsequent:



    Entweder man spricht es so aus, wie man es schreibt (mit seltsamen Ergebnissen :-) ) oder man schreibt es auf Spanisch wie man es spricht.

  • "wüsste auch nicht, warum sich das irgendwie schlimm anfühlen sollte."



    Na, dann lesen Sie den Artikel noch mal genauer. ;)

    • @Uranus:

      Der Kommentar ging an RUEDIGER.

  • "Oder es lag daran, dass Annika und Karsten von der „Tagesschau“ nicht wissen, wie es sich anfühlt, wenn der eigene Name falsch geschrieben wird, und deswegen nicht darauf achten." Ich verzichte in englischsprachigen Ländern immer auf die Umlautpunkte meines Namens, weil das nun mal einfacher ist, und wüsste auch nicht, warum sich das irgendwie schlimm anfühlen sollte. Man kann Dinge auch künstlich kompliziert machen.

    • @Ruediger:

      ich sehe das weglassen zwar auch nicht als "Fremdenfeindlich" an , empfinde es aber aus eigener Erfahrung als lieblos, wenn der eigene Name immer wieder (auch wiederholt) falsch geschrieben wird.

      Ihr glaubt gar nicht auf wie viele Male man Friderike falsch schreiben kann.



      Frederike



      Friederike



      Friederieke



      Fridericke



      und besonders schön ist immer die Form mit ie und

      Und wenn man andauernd bei Behörden erklären muss, dass der Familienname nicht mit ä geschrieben wird.



      Besonderes seit es das Internet gibt glaubt einem das kaum einer mehr.

      Lieblos? wer sich fragt was das ist, so ne Form zwischen unachtsam und mir doch egal

    • RS
      Ria Sauter
      @Ruediger:

      Sehe ich auch so.



      Mein Familienname wird noch nicht mal in Deutschland richtig geschrieben, obwohl ich einen urschwäbischen Namen trage.



      Habe nicht gewußt, dass ich beleidigt sein sollte.



      Pst... es ist mir schnurzpiepegal. Es gibt wichtigeres!