SWR-„Tatort“ aus Konstanz: Dieser Nebel, zum Kotzen
Zwei Tote, dysfunktionale Familien und eine Entführung, die nie gemeldet wurde: Der neue „Tatort“ vom Bodensee ist verwirrend und gut.
Darauf hat man lange gewartet: eine Entführte, die sich bis zur letzten Minute der Opferrolle verweigert. Die dem Idioten, der sie festhält, keinen Zentimeter Genugtuung zugesteht und ihrem millionenschweren Vater in das Telefon, das ihr vom Täter gegens Ohr gehalten wird, entgegenblafft: „Kannst du nicht einmal machen, was man dir sagt!“
Holla, der Konstanzer „Tatort“. Dabei ist die Folge „Winternebel“ mit all den Elementen ausgestattet, die sonst katastrophale Verwirrung auslösen: zwei Ermittler aus zwei Ländern, zwei Fälle, zwei Leichen. Die natürlich zusammengehören, weil: Zwei Mordopfer an einem Tag, das gibts in Konstanz sonst nie.
Dummerweise hat der Schweizer Kollege Matteo Lüthi (Roland Koch) eines der beiden Opfer erschossen. Aber mit Klara Blum (Eva Mattes) und ihren beiden Assistenten findet er Lügengespinste und entdeckt eine Entführung, die nie gemeldet wurde. Dysfunktionale Familien, so weit das Auge reicht. Wo die Tochter vor Gericht gegen den Vater aussagt, Demonstrationen anführt, und ein Mann mit anderen Frauen rummacht.
Assi Perlmann (Sebastian Bezzel) wächst einem mit seinem Sarkasmus langsam richtig ans Herz, und die Idee, zwei Kommissare angetrunken die leere Wohnung einer Vermissten durchstöbern zu lassen, ist wirklich sehr nett. Dazu liefert der Film endlich den Beweis, dass Schwyzerdütsch ohne Synchronisierung funktioniert. Wieso das bei den Schweizer Folgen nicht geht? Ein ewiges Rätsel.
Obendrauf schaffen es diese 90 Minuten besser als jeder Imagefilm der Bodensee-Tourismus-Gesellschaft, die Gegend um Konstanz und Kreuzlingen zu zeigen, wie sie ist: Hügel mit schicken Designerhäusern, den See, die Fähre, die Gassen, das Ufer – in ihrer ganzen herbstlichen Pracht. Also neblig, dunkel und dauernd feuchtnass. Einfach zum Kotzen.
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