piwik no script img

SPD kommt mit Ansinnen nicht weitScheuer will kein Tempolimit

Geht es nach Bundesverkehrsminister Scheuer, soll es keine neue Debatte um Tempo 130 auf Autobahnen geben. „Bohei“, keilt die SPD-Chefin zurück.

Ginge es nach der SPD, stünden diese Schilder wohl bald überall an deutschen Autobahnen Foto: Florian Gaertner/photothek/imago

BERLIN dpa/taz | Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will mit dem Koali­tionspartner SPD nicht über ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen reden. „Wir haben weit herausragendere Aufgaben, als dieses hochemotionale Thema wieder und immer wieder ins Schaufenster zu stellen – ein Thema, für das es gar keine Mehrheiten gibt“, sagte er am ersten Weihnachtsfeiertag der dpa. Er setze dagegen auf eine „bessere Verkehrsbeeinflussung und Verkehrslenkung durch digitale Systeme.“

Die SPD eiert derweil herum. Erst im Oktober hatte sie im Bundestag einen Antrag der Grünen auf ein allgemeines Tempolimit abgelehnt. Allerdings nicht, weil sie den Schritt inhaltlich für falsch hielt, sondern um den Koalitionsvertrag einzuhalten. Auf dem Parteitag Anfang Dezember hatte sich die SPD dann erneut für ein Tempolimit ausgesprochen, wie auch schon auf dem Parteitag 2007. Daraufhin kündigte die neue SPD-Spitze um Walter-Borjans und Esken an, mit der Union über das Thema zu verhandeln. Jetzt reagierte Scheuer und lehnte ab – gut platziert in der an Nachrichten armen Weihnachtszeit.

„Nachrichten abseits des Maut-Debakels“

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken konterte wiederum pikiert. „Ich kann ja verstehen, dass Verkehrsminister Scheuer versucht, Nachrichten abseits des Maut-Debakels zu produzieren. Er ist aber nicht in der Position, im Alleingang die Angelegenheiten der Koalition zu regeln“, merkte sie am Mittwoch an. „Ein Tempolimit auf unseren Autobahnen ist gut für den Klimaschutz, dient der Sicherheit und schont die Nerven der Autofahrer. Und deshalb werden wir darüber auch im neuen Jahr wieder sprechen.“ Außerhalb Deutschlands sei ein Tempolimit der Normalfall. „Nur die CSU macht noch so einen unbegreiflichen Bohei draus“, so Esken. Thomas Bareiß, CDU-Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, ätzte auf Twitter: „Sind das die Themen mit denen die SPD wieder Volkspartei werden möchte…? Tempolimit bringt weder nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz noch macht er unsere Autobahnen sicherer.“

Großteil von Autobahnnetz ohne Tempolimit

Ohne Tempolimit sind immer noch 70 Prozent des Autobahnnetzes. Dauerhaft oder zeitweise geltende Beschränkungen mit Schildern gibt es auf 20,8 Prozent des Netzes, wie halbwegs aktuelle Daten der Bundesanstalt für Straßenwesen zeigen. Unabhängig davon gilt eine empfohlene Richtgeschwindigkeit von 130. In der EU gibt es überall sonst Tempo-Beschränkungen. Bei der Unfallstatistik auf Autobahnen liegt Deutschland im Mittelfeld.

Scheuer spricht beim Tempolimit von einem „emotionalen Thema“, Bareiß warnte bereits im Januar 2019 vor einer Einschränkung von Freiheit und Mobilität. Beide geben damit den Takt in der Union vor. Das Thema wird wohl kaum in der Großen Koalition neu verhandelt. Und der nächste Bundestagswahlkampf? Wird auch ein Tempolimitwahlkampf.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • O Mannomann, die SPD macht einfach alles falsch. Wenn die SPD überhaupt noch in irgendetwas gut ist, dann im Falschmachen. Der sogenannte kleine Mann hierzulande, der wenigstens noch etwas hat, hat sein Auto. Sozusagen der gefühlte kleine Rest an Freiheit und jetzt wollen sie ihm das auch noch nehmen. Warum denn nicht gleich 88 km/h wie in Amerika oder 40 km/h wie auf den Landstraßen von Sri Lanka. Wenn die SPD kein Feeling mehr für was hat, dann für Freiheit. Die Linke scheint´s, kennt Freiheit nur noch in der Form "frei von" (Läusen). Es ist ein komplettes Desaster. Können die nicht mal was Eigenständiges machen ohne auf die Linken oder die Grünen zu schielen? Kein Wunder, daß die keiner mehr wählt. Und jetzt begehen sie aus lauter Angst vor dem Tod auch noch Selbstmord.

  • Nur Frau Merkel weiß, warum Herr Scheuer immer noch Minister ist.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ein Land, das sich einen solch be. Scheuer ten Verkehrminister leistet, kann nicht alle Muttern am Reifen haben.

    Für Tempo 100. Damit 130 gefahren wird.

  • „bessere Verkehrsbeeinflussung und Verkehrslenkung durch digitale Systeme.“

    Na, da ist der Andi ja auch Fachmann. Der gehört aus dem Amt entfernt und vor Gericht gestellt. Eine solch fahrlässige Verschwendung von Steuergeldern sollte dringend als Straftatbestand anerkannt werden

  • Ein Tempolimit nur fuer diejenigen Autos, die bei ueber 130 km/h keine guenstigen Abgaswerte nachweisen koennen, waere das intelligentere Vorgehen und ergaebe annaehernd dasselbe, da die Autohersteller kein Interesse haben, fuer Gebrauchtautos Softwareupdaten und Nachzertifizierungen vorzunehmen..

  • Der Scheuer hat ja politisch sowieso schon soviel Dreck am Stecken: Da kommt's darauf auch nicht mehr an.



    Aber vllt sollte man allen Abgeordneten die gegen das Tempolimit gestimmt haben die Todesanzeigen jener Unfallopfer schicken, die Opfer des fehlenden Tempolimits geworden sind.



    Entweder weil ein Unfall dann nicht geschehen wäre oder weil die Unfallfolgen dann nicht so dramatisch ausgefallen werden.



    Denn die Abgeordneten sind ja nur ihrem Gewissen unterworfen und entscheiden selbst (GG Art38) - daher sind sie mitverantwortlich für die Unfallopfer.

  • "Bohei" keilt die Spd-Chefin... Eskens konterte pikiert... Bareiß ätzte...



    Geht das nicht in seriöser Sprache? Was für unfähige Ignoranten lässt die BILD, SORRY, die taz hier auftreten?

  • Meint der Scheuer eigentlich, weil er aus welchen obskuren Gründen auch immer er als Verkehrsminister eingesetzt wurde, hätte er jetzt das Meinungsmonopol zu allen Fragen betreffs Verkehr? Er möchte doch bitte einmal all seine bisherigen Entscheidungen überprüfen. Diese alle schienen doch einfach aus dem Bauch und nur mit Überlegungen für finanziellen Vorteil von bestimmter Klientel getroffen worden zu sein.

    Da muss man gar nicht seine verrückteste Entscheidung betrachten, die den Steuerzahler je nach Quelle Milliarden kosten werden. Der Herr muss doch irgendwie Intelligenz besitzen, ansonsten wäre er doch selbst in der CSU nicht bis an seine so hohe Stelle gerückt. Daran ändert auch seine Auszeichnung als 'Schmalspurdoktor' in Osteuropa nichts.

    Wie konnte er nur Elektroroller auf Straßen und Gehwegen zulassen. In anderen Ländern hatte man ihre Gefahr erkannt und hatte sie gerade wieder verboten - aber der deutsche Verkehrsminister musste die Interessen der Hersteller durchsetzen. Was hat ihn dazu getrieben? Die vollen Straßen und Trottoirs in deutschen Städten können es wohl nicht gewesen sein.

    Ist ihm die dringliche Lage des Klimas nicht bewusst? Wie kann er da noch mit gutem Gewissen als Bremser für klimafreundliche Maßnahmen auftreten?

    Man darf sich nur wünschen, dass die Amtszeit dieses Herren sehr, sehr bald enden wird!

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @fvaderno:

      .



      Sie geben sich alle ja fast alle Antworten bereits selbst.



      Übrigens sehe ich hier ein schweres Versäumnis von FFF welches eindrücklich deren seltsam "unpolitisch"-ökologische Haltung dokumentiert. Ein besseres Target für Anklagen als Herrn Scheuer kann man sich doch fast gar nicht ausdenken. Mit einer gezielten Kampagne gegen ihn könnten die vermutlich ziemlich rasch und effektiv etwas bewirken, im Gegensatz zum hundertsten Rant-Artikel in der Taz

  • Die Forderung der SPD resp. Frau Eskens ist doch lächerliche Symbolpolitik. Wer die Unfallzahlen signifikant senken will, eliminiert die Aztos - und zwar alle - aus den Städten und von den Landstraßen, denn dort gibt es die meisten Verkehrstoten. - Tempolimit 130 auf der Autobahn? Schon jetzt fahren die meisten nicht schneller, wenn es Verbote oder Verkehrsaufkommen überhaupt zulassen. Und nachts wird sich niemand dran halten, weil nicht umfassend kontrolliert werden kann.

    Mit verstärkter Elektromobilität löst sich das Problem von selbst, da nur sinniges Fahren die Reichweite sichert. Aber nach vorne schaut die SPD schon lange nicht mehr. Links zu sein bedeutet mit SPD-Brille inzwischen, reaktionär zu sein.

    • @Manfred MIlde-Büttcher:

      Es wundert mich, daß Sie nicht gleich alles verbieten wollen, was auch nur irgendwie umweltverschmutzend ist. Autofahren, am PC chatten, draußen grillen, Motorsport, Fernsehen, Heizung einschalten, heiß duschen, Kühlschrank...

  • Die Union wünscht also eine technische Lösung, an der Parteispender verdienen können. Nicht wirklich überraschend. Ansonsten gilt Freie Fahrt, wie in Nordkorea, Somalia und Nepal auch.

    • @Lieblich:

      nicht wirklich überraschend ist die SPD mit diesem Uralt-Thema aus der Mottenkiste. So wird das nix, weil das sowas von abgestanden ist. Zwar ist derzeit die Umwelt das Einundalles auf der Welt. Aber immer wieder das gleiche zu hören, ermüdet. Wenn es ums Auto geht, kennt der Deutsche kein Pardon, weder beim SUV noch beim Spritpreis noch beim Tempo noch bei Fahrverboten. Wenn eine Partei das aufgreift, kann sie gleich Selbstmord begehen. Quo vadis - SPD ?