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SPD-Parteitag in Nordrhein-WestfalenBefürworter, bitte melden

Martin Schulz sagt in Dortmund, er sei sich ziemlich sicher, „dass wir Skeptiker überzeugen können“. Die Parteiführung werde geschlossen in den Parteitag gehen.

Versteckt sich da ein Befürworter unter dem Tisch? SPD-Chef Martin Schulz vor dem Sonderparteitag Foto: reuters

Dortmund dpa | SPD-Chef Martin Schulz hat die Befürworter von Koalitionsverhandlungen mit der Union aufgefordert, sich in der parteiinternen Debatte stärker zu Wort zu melden. „Ich ermutige alle, die zufrieden sind, das laut zu sagen“, sagte Schulz am Montag angesichts von Kritik und Nachforderungen aus den eigenen Reihen. Schulz verwies vor einem Treffen in Dortmund mit den Parteitagsdelegierten aus Westfalen auf die positiven Einschätzungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes und von Verdi-Chef Frank Bsirske.

Die SPD habe bei den Sondierungen mit der Union „eine große Liste von Erfolgen“ vorzuweisen, betonte Schulz. Das Erreichte gehe teilweise auch über das vom SPD-Parteitag vor Aufnahme der Sondierungsgespräche Geforderte hinaus.

Schulz traf am Montagabend in Dortmund erstmals nach Ende der Sondierungen auf die kritische Basis in Nordrhein-Westfalen. Bei einer Vorbesprechung zum Bundesparteitag am nächsten Sonntag in Bonn warb er bei den westfälischen Delegierten für Koalitionsverhandlungen. Am Dienstag trifft er in Düsseldorf auf die rheinischen Delegierten. NRW stellt bei dem Parteitag mit 144 Entsandten etwa ein Viertel der Entscheider.

Der Parteitag soll darüber entscheiden, ob die SPD in Koalitionsverhandlungen mit der Union einsteigen wird. Schulz sagte in Dortmund, er sei sich ziemlich sicher, „dass wir Skeptiker überzeugen können“. Die Parteiführung werde geschlossen in den Parteitag gehen.

Das Sondierungsergebnis sei kein Koalitionsvertrag, betonte Schulz. „Wenn das so wäre, bräuchten wir keine Koalitionsverhandlungen.“ Die SPD-Mitglieder müssten sich darüber im Klaren sein, „dass wir auch eine Verantwortung für dieses Land haben“.

Vor dem NRW-Auftritt der SPD-Spitze dämpfte Landesparteichef Michael Groschek Hoffnungen auf bereits geforderte Nachbesserungen. Der Vorsitzende des mächtigen SPD-Landesverbands warnte die Gegner einer großen Koalition davor, zu hohe Erwartungen zu wecken. „Natürlich ist das Sondierungspapier kein fertiger Koalitionsvertrag. Wir dürfen aber nicht mehr versprechen, als wir am Ende halten können“, sagte Groschek der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung und dem Kölner Stadt-Anzeiger (Montag).

Nachbesserungen oder keine Nachbesserungen?

Auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) schloss größere Nachverhandlungen aus. Einige Themen könnten zwar noch „präzisiert“ werden und andere Bereiche fehlten noch völlig in dem 28-seitigen Sondierungspapier von Union und SPD, sagte Laschet in Düsseldorf. Aber: „Das Papier liegt auf dem Tisch.“ Die Bürger erwarteten jetzt kein „Parteiengezänk“, sagte Laschet, der sich auch von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und dessen Formulierung vom „Zwergenaufstand“ in der SPD distanzierte. Er würde den Begriff nicht verwenden, sagte der Regierungschef im ZDF-„Morgenmagazin“. „Jeder einzelne Delegierte auf einem Parteitag hat die gleiche Stimme, und da gibt es keine Riesen und keine Zwerge.

Nachbesserungen hatten unter anderem der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ins Gespräch gebracht. Sie betreffen zum Beispiel die Einführung der Bürgerversicherung und ein Verbot der Befristung von Arbeitsverträgen ohne sachlichen Grund.

Vor seinem Auftritt in Dortmund verteidigte Schulz das Ergebnis der Sondierung. „Wir haben eine lange Liste von Punkten durchgesetzt, die das Leben der Menschen ganz konkret verbessern“, sagte Schulz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Dienstag). „Daran gibt es nichts kleinzureden.“ Die SPD habe natürlich nicht alles bekommen. „Aber das, was wir durchgesetzt haben, rechtfertigt die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen.“

Der SPD-Bundesvorstand hatte sich am Freitag nach Abschluss der Sondierungsgespräche in Berlin mit großer Mehrheit für Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU ausgesprochen. Auch Landesparteichef Michael Groschek zeigte sich von den Sondierungsergebnissen überzeugt und will in NRW dafür werben.

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13 Kommentare

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  • Stegner und Dreyer machen doch völlig zu Recht auf erforderliche Nachbesserungen aufmerksam. Nur weil die Union das ablehnt, muss die SPD sich noch lange nicht darauf einlassen. Alles zu tun, was die Union will, wenn es sonst keine Koalition gibt? Das wäre falsch und demokratisch nicht vertretbar.

     

    Wie sagte Schulz? Ohne Bürgerversicherung geht es nicht! Dann sollte der Mann persönlich in die Verhandlungen gehen und das mit Nachdruck vertreten.

     

    Die SPD scheint sich aber nicht bewusst zu sein, dass so nachlässig und weich geführte Verhandlungen die nochmalige Halbierung des Wählerpotentials zur Folge haben kann mit Aussichten, dass die Partei in 20 Jahren Bestandteil des Gesichtsunterrichts ist. Ein Beispiel unter vielen: Die Zentrumspartei war einst eine große Volkspartei und kommt heute nicht mehr über 5 %.

     

    Ulkiger Weise kann die Ablehnung der SPD-Basis allerdings der Parteiführung Nachverhandlungen zum erwünschten Ziel erleichtern. Witer so Leute.

    • @Celsus:

      "Wie sagte Schulz? Ohne Bürgerversicherung geht es nicht!"

      Sie meinen den Herrn Schulz der vor der Wahl sagte: "Ich will Kanzler werden."

      und nach der Wahl: "Es wird keine Fortführung der Großen Koalition geben!" Sie meinen dieser Herr Schulz würde ensthaft mal etwas mit Nachruck vertreten.

      Schön wärs.

    • @Celsus:

      Zwischen der Volkspartei "Zentrum" und der 5%-Partei "Zentrum" liegt meines Wissens nach der zweite Weltkrieg.

       

      Das ist wohl kaum mit der SPD vergleichbar.

  • Sie schreiben es, die SPD Parteiführung schafft sich nicht ab. Die sind sich schon aus Einkommensgründen einig. Es ginge doch so leicht, einfach aus den GroKo Vorbereitungen aussteigen.

    Aber die wissen nach 100 Prozent für Schulz ist es schwer nach Wochen nein zu seiner Politik zu sagen.

  • Letztes Mal Mindestlohn, dieses Mal Mindestrente. Sehr gut. Bei der Groko gibts wenigstens ein kleines bisschen Sozialpolitik. Dafür sahs bei Jamaika minimal grüner aus.

  • Jetzt geht ein politischer "Umfaller" schon auf Zustimmungsbettelkurs ?

    Wie tief kann man nur sinken ?

  • 6G
    64984 (Profil gelöscht)

    Schulz sagte : Die SPD-Mitglieder müssten sich darüber im Klaren sein, „dass wir auch eine Verantwortung für dieses Land haben“.

    Genau, und aus genau diesem Grunde sollte die SPD der CDU sagen, dass sie nur noch bereit ist über eine Koalition mit CDU und Grünen, aber ohne CSU zu verhandeln.

    Denn erstens hat sich die CSU schon mit der Glyphosat-Aktion als verläßlicher Ioalitionspartner disqualifiziert. Die CSU hat offensichtlich nicht einmal Respekt vor dem Grundgesetz und der Weisungsbefugnis der Kanzlerin.

    Und was Flüchtlinge betrifft, unterscheidet sie sich kaum noch von der AfD und da sind sich ja alle Anderen Parteien einig, dass man mit dieser Partei nicht koalieren darf,

    Der Begriff „Zwergenaufstand“ zeigt, dass man vor innerparteilicher Kritik keinen Respekt hat. Und dass man Sätze in ein Protokoll reinschmuggelt, zeigt, dass sie nicht koalitionsfähig ist.

    Und Maut, Glyphosat und Dieselkrise zeigt, dass die CSU nicht ans Gemeinwohl denkt, sondern nur an Undustrie- und Lobbyinteressen.

    • @64984 (Profil gelöscht):

      Und Maut, Glyphosat und Dieselkrise zeigt....

       

      ... das die "Probleme" linker Menschen außerhalb der taz bei weitem nicht so wichtig sind wie hier angenommen wird.

      Sonst hätten ja die Grünen die Mehrheit.

       

      Und die Flüchtlingspolitik ist das beste Argument die CSU zu wählen - zumindest hat man da keine ostdeutschen Vollbernd's dabei.

      Wer in München Probleme mit gegrenzten Wohnraum hat sollte halt nicht noch die Welt einladen.

      • @Thomas_Ba_Wü:

        Guter Beitrag, besser kann es nicht

        ausgedrückt werden.

      • 4G
        42494 (Profil gelöscht)
        @Thomas_Ba_Wü:

        Die Grünen sind links? Das ist bisher an mir vorbeigegangen.

        • @42494 (Profil gelöscht):

          Liegt wahrscheinlich daran, dass "linke Grüne" bei der ersten Wahlentscheidung sang und klanglos untergehen ;)

          • 6G
            64984 (Profil gelöscht)
            @Thomas_Ba_Wü:

            Naja, die CSU hat 6% der Stimmen erhalten, die Grünen 9%, die AfD 12%. Bei der AfD haben aber 2/3 der Wähler (also 8%) die AfD nicht wegen dessen Programm (oder der Flüchtlinskrise) gewählt, sondern weil sie generell mit den anderen Parteien unzufrieden sind (z.B. wegen Maut, Glyphosat, Dieselkrise oder was auch immer) .

            Auf ncht jeder, der der Meinung ist, dass man die Autoindustrie billig hat davon kommen lassen oder dass es unverantwortlich ist, ein potentiell krebserzeugendes Mittel 5 weitere Jahre in immer größeren Mengen auf die Felder zu sprühen, wählt deshalb die Grünen. Ich z.B. nicht. Aber wenn Sie glauben, dass CDU/CSU einfach diese Art von Politik weitermachen können, solange sie immer nur kräftig auf die Flüchtlinge einschlagen, werden sie sich irgendwann sehr wundern.

  • Man muss halt die Sorgen der SPD-Linken und Jusos ernst nehmen