SPD-Finanzpolitiker über Sondierung: „Es gibt Spuren von Realismus“
Der SPD-Finanzpolitiker Carsten Sieling sagt, dass die Union für eine schwarz-rote Koalition ihr Wahlversprechen brechen muss. Steuererhöhungen seien notwendig.
taz: Herr Sieling, heute beginnt die dritte Sondierungsrunde mit der Union. Das am meisten umkämpfte Thema sind Steuererhöhungen. Warum ist das für die SPD eine Glaubensfrage?
Carsten Sieling: Steuererhöhungen an sich sind für uns keine Glaubensfrage. Es kommt darauf an, dass wir im Bereich der Bildung, der Infrastruktur, aber auch der Schuldenbegrenzung deutliche Fortschritte machen. Das muss finanziert werden.
Die Gespräche mit den Grünen sind am Steuerthema gescheitert. Warum sollte das für die SPD anders laufen?
Die Union muss sagen, wie sie gesellschaftliche Notwendigkeiten finanzieren will. In den bisherigen Sondierungsgesprächen kamen dazu keine Vorschläge. Das ist eine Absage an jeglichen Gestaltungsanspruch. So macht man keine Grundlage für eine Koalition.
Einer von beiden müsste sein Wahlversprechen brechen. Warum soll das die Union sein?
Weil es Herausforderungen gibt, die jede Regierung bewältigen muss. Im Übrigen ist es ja so, dass die Union beim Thema Finanztransaktionsteuer durchaus der Einführung einer neuen Steuer zugestimmt hat. Auch das Bekenntnis der Kanzlerin zur Fortsetzung des Soli zeigt, dass es Spuren von Realismus gibt.
Der 54-Jährige ist Mitglied im Finanzausschuss des Bundestags, Vizesprecher der Parlamentarischen Linken und im SPD-Parteivorstand.
Im Wahlkampf hat Peer Steinbrück gesagt: Wir werden einige Steuern für manche erhöhen. Welche wären das?
Nur die für Leute, die das bezahlen können. Uns geht es um den Spitzensteuersatz, um eine Erhöhung der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge und um Vermögensbesteuerung.
Ihr Parteichef Sigmar Gabriel hat nach dem ersten Sondierungsgespräch mit der Union erklärt, Steuern seien kein Selbstzweck. Das klingt nach Kompromiss.
Das ist kein Kompromiss, sondern die Möglichkeit für die Union, Vorschläge zu machen. Die hat sie bislang nicht genutzt.
Glauben Sie, dass sie diesmal Vorschläge unterbreitet?
Das wäre spannend. Denn dann müsste ja Herr Schäuble noch irgendwo ein Schatzkistchen stehen haben. Anders wäre nicht erklärbar, woher das Geld ohne Steuererhöhungen plötzlich kommen sollte.
Bei der Großen Koalition 2005 hat die SPD Steuererhöhungen ausgeschlossen und die CDU 2 Prozent mehr Mehrwertsteuer vorgeschlagen. Rausgekommen sind 3 Prozent. Warum sollten sich die Wähler diesmal auf die SPD verlassen?
Weil uns genau dieser Fehler von damals sehr bewusst ist. Eine Mehrwertsteuererhöhung halte ich übrigens diesmal für ausgeschlossen.
Am Sonntag findet der Parteikonvent statt. Könnten Sie der Basis Koalitionsverhandlungen empfehlen, wenn das Sondierungsgespräch kein Ergebnis bei der Steuer bringt?
Nach den bisherigen Sondierungsgesprächen sind noch keine Grundlagen für eine solche Empfehlung vorhanden. Deshalb muss es bei dem Gespräch heute bei mehreren Themen deutliche Fortschritte geben.
Auch beim Thema Steuer?
Es muss die klare Aussage kommen, dass notwendige Projekte angegangen werden und dass es hier Gesprächsbereitschaft gibt. Auch wenn Sondierungsgespräche noch keine konkreten Vereinbarungen sind, muss es aber deutliche Signale geben.
Angenommen, es gibt nach dem Konvent Koalitionsgespräche, in denen die Union immer noch sagt: Mit uns keine Steuererhöhungen. Welche Mittel hätte die SPD dann noch, gegenzusteuern?
Zurzeit sind wir im Vorgeplänkel. Erst die Koalitionsgespräche werden den Schwur bringen. Wir haben vereinbart, dass wir am Ende unsere Mitglieder befragen. Die werden strikt darauf gucken, was rausgekommen ist.
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