piwik no script img

S-Bahn in BerlinBald ohne die Deutsche Bahn?

Rot-Rot-Grün streitet über die Zukunft der S-Bahn. Mehr Wettbewerb geplant – und auch viel mehr neue Fahrzeuge.

So soll die neue Baureihe 484 der S-Bahn Berlin aussehen Foto: dpa

Berlin taz | Eine Entscheidung über die zukünftige Organisation der Berliner S-Bahn rückt näher. Die Ausschreibung neuer Fahrzeuge sowie auch der Verkehrsleistung soll bereits im Sommer 2019 starten. Die Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für die Grünen) plant, die Linien der Stadtbahn und der Nord-Süd-Bahn in einem Wettbewerbsverfahren zu Marktpreisen zu vergeben.

Die Berliner S-Bahn in den anstehenden Vergabeverfahren auf mehrere Unternehmen aufzuteilen, wäre eine Premiere in Deutschland. Bisher sind alle S-Bahn-Netze fest in der Hand der Deutschen Bahn AG – auch in Berlin. Es wäre der erste Versuch, ein abgeschlossenes S-Bahn-Netz auf mehrere Betreiber aufzuteilen und Linien auch von Nicht-DB-Unternehmen fahren zu lassen. Die Bahngewerkschaft EVG spricht gar von einer Spaltung der Berliner S-Bahn.

Als der Senat 2013 zum ersten Mal versuchte, die Ringbahn auszuschreiben, war die DB der einzige Anbieter. Diese Monopolstellung ließ sich das Unternehmen vom Senat mit einer Zuschusserhöhung um 66 Prozent je Zugfahrt bezahlen. Eine solche Situation möchte die Senatorin unbedingt verhindern. Die DB-Tochter S-Bahn Berlin GmbH wäre dann nur noch eine von mehreren Bewerbern.

Um die Ausschreibung auch für andere Unternehmen attraktiv zu machen, muss Günther S-Bahn-Fahrzeuge bereitstellen, die unabhängig vom Betreiber zur Verfügung stehen. Die S-Bahnen für den Ring gehören noch der DB. Die Länder Berlin und Brandenburg müssten so in den nächsten Jahren zwei bis drei Milliarden Euro allein für Fahrzeuge auftreiben. Angesichts der Schuldenbremse und der allgemeinen Haushaltssituation ein unmögliches Unterfangen. In der Vorinformation zur Ausschreibung steht, dass die Fahrzeuge nun von einem Dritten finanziert werden sollen. Als wahrscheinlich gilt, dass entweder ein großes Finanzinstitut oder ein Fahrzeughersteller selbst die Bereitstellung übernehmen. Ab 2026 sollen die neuen Fahrzeuge für erste Fahrten zur Verfügung stehen.

Die Gewerkschaft spricht gar von einer Spaltungder S-Bahn

SPD und Linkspartei teilen jedoch Bedenken der Gewerkschaft, dass mit einer Aufteilung der Verkehre ein erhöhter Koordinierungsaufwand und unklare Verantwortungsbereiche zulasten der Fahrgäste einhergehen. Sie lehnen Günthers Pläne ab und wollen damit auch rund 3.000 Arbeitsplätze bei der S-Bahn Berlin GmbH sichern. Für viele DB-Beschäftigte wäre der erzwungene Wechsel zu einem anderen Unternehmen mit dem Verlust diverser Sozialleistungen verbunden, eine Absenkung des Lohnniveaus soll jedoch vertraglich unterbunden werden.

Obwohl für viele der Gedanke, den S-Bahn-Betrieb zu teilen und damit zwei konkurrierende Unternehmen innerhalb eines Systems zu schaffen, absurd erscheint, so ist diese Art, Bahnverkehr zu organisieren, weit verbreitet. Auch im Berliner Regionalverkehr teilen sich drei verschiedene Unternehmen die Strecken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • es wäre eventuell sinnvoller Betrieb und Wartung (Eventuell Besitz) der S-Bahnen zu trennen. Das die Deutsche Bahn da schludert ist ja bekannt. (Ein Hoch auf die Privatisierung.) Dann kann man den Betrieb auch anderweitig vergeben.

    Ich denke das wäre Sinnvoller als eine Balkanisierung des S-Bahnnetzes.

  • Mal wieder ein Beispiel warum die "Schuldenbremse" eine sinnvolle öffentliche Dienstleistung verhindert.

    Diese falsche Regelung muss endlich wieder weg.

  • Wow- Ich bin kein Freund des Konzerns DB. Nur was man hier lesen darf lässt einen kopfschüttelnd zurück.

    1) Eine neue Gesellschaft, die die Züge finanziert, lässt sich diese auch ordentlich bezahlen. Der über die Laufzeit verteilte Gesamtbertrag dürfte weit über die genannten Zahlen hinausgehen.

    2) Welcher Vorteil sollte sich durch die genannte Vereilung der STrecken ergeben? Die Nachteile liegen dabei doch auf der Hand. Es besteht die Gefahr, dass bei jedem Umsteigen ein neues Ticket zu lösen ist.

    3) Was passiert, wenn die S-Bahn GmbH sämtliche Einzelaufträge gewinnt? Eine Teilnahme an allen Vergabelosen kann nicht ausgeschlossen werden und die Kosten dürften erheblich steigen.

    4) Der Senat war ja bisher schon sehr unerfolgreich in seinem Ausschreibungsverhalten. Bei diesen ganzen Stolperfallen wird das doch zum Desaster.

  • Berührungspunkte gibt es eigentlich nur am Gesundbrunne, wo Rindbahn und Nord-Südbahn am selben Bahnsteig halten und das Umstegen ermöglichen sollen, und in Teilen des östlichen Rings, wo sich Strecken von Nordost nach Südost mit dem Ringverkehr mischen (was aus diesen wird, steht im Artikel nicht).

    In Wuhletal treffen sich U-Bahnen der BVG mit S-Bahnen der DB, scheint nie ein Problem gewesen zu sein.

    Die Gleise bleiben im Besitz und Betrieb der Deutschen Bahn?

  • > ... so ist diese Art, Bahnverkehr zu organisieren, weit verbreitet.

    "Andere machen es auch" war noch nie ein Argument...

    • @bohem:

      'Andere machen es auch' ist zwar kein Argument es deswegen auch zu machen. Es zeigt aber das es technisch und organisatorisch möglich ist und man sich dort vor Ort anschauen kann, was die Vor- und Nachteile sind. Eine gute Entscheidung setzt eine breite und tiefe Informationsbeschaffung aus unterschiedlichen Quellen voraus.

  • Was ist eigentlich mit der Möglichkeit, das ganze als Anstalt öffentlichen Rechts neu zu organisieren, also weg von einer Privatveranstaltung

    • @Martin_25:

      Das ist eine gute Idee und grundlegende Dienstleistungen sollten eigentlich Gemeineigentum sein und gemeinwirtschaftlich betrieben werden. Neben der Ablehnung des Gemeineigentums durch weite der Politik steht einer solchen Umwandlung wohl auch die Schuldenbremse im Wege. Die Anstalt öffentlichen Rechts müsste daher über beträchtliche finanzielle Mittel verfüge, um Trassen, Fahrzeuge und Bahnhöfe betreiben, instandhalten und regelmäßig neue Fahrzeuge beschaffen zu können. Diese Mittel müssten der Anstalt von den Ländern Berlin und Brandenburg bereitgestellt werden, was unter Einhaltung der Schuldenbremse wohl nicht möglich ist. Darüber hinaus müsste man prüfen, ob eine solche Umwandlung EU Wettbewerbsrecht tangiert.

      • @Ressourci:

        Die Trassen und Bahnhöfe müssten ja nicht nur betrieben und instand gehalten werden. Zunächst müssten diese angeschafft werden. Schon allein das dürfte jeden Kostenrahmen sprengen.