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S-Bahn-Chaos in BerlinUte Bonde auf dem Gipfel

Nach den Chaos-Wochen bei der Berliner S-Bahn verspricht das Unternehmen Besserung. CDU-Verkehrssenatorin Ute Bonde irrlichtert derweil weiter.

Weichenstörung: Berlins Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) Foto: Florian Boillot

Berlin taz | 489 Wörter zählt die Mitteilung, die Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) am Mittwoch verschicken ließ. Gut die Hälfte davon sind technische Begriffe wie „infrastrukturseitige Störungen“ oder „präventive Instandhaltung“.

Dazu kommt noch das übliche Gephrasel von einem „konstruktiven Gespräch“. Soll wohl heißen, auf dem Krisengipfel der Senatorin mit der Deutschen Bahn und deren Tochter S-Bahn Berlin haben alle Beteiligten versprochen, sich etwas mehr am Riemen reißen zu wollen.

Schadet ja nichts, sich und den Berlinern irgendetwas zu versprechen. Seit Wochen vergeht kein Tag ohne betriebsbedingte Störungen im S-Bahn-Netz. Mal fehlt Personal, mal fallen Stellwerke und Signale aus, dann wieder macht eine Weiche die Grätsche. Das System versinkt im Chaos, den Kunden vergeht die Geduld.

Etwas Geheimnistuerisches umwehte das Treffen, für das im Vorfeld nicht einmal Ort und Zeitpunkt bekannt war. Auch von einem Krisengipfel zu den S-Bahn-Störungen war nicht die Rede, denn das Wort „Krise“ gibt es bei Ute Bonde nicht.

Einfach mal reden

Stattdessen, heißt es, habe ein „Gespräch“ stattgefunden, bei dem neben dem Konzernbevollmächtigten der Deutschen Bahn für Berlin, Alexander Kaczmarek, auch S-Bahn-Chef Peter Buchner sowie Imke Kellner und Renado Kropp von der DB InfraGO dabei waren. Thema des Talks: „Wirksame Gegenmaßnahmen zur Negativentwicklung der Zuverlässigkeit bei der S-Bahn“.

Bereits vor dem Treffen hatte Bonde angekündigt, dass sie sich nicht auf Mitte der 2030er Jahre vertrösten lassen wolle – ein Zeitraum, den die Bahn zuvor in Aussicht gestellt hatte. In einem Interview sagte Bonde aber auch, dass das Beheben von „maroder Infrastruktur“ Zeit brauche.

Nun wurde am Mittwoch festgestellt, dass ein „akuter Handlungsbedarf“ bestehe und „alle Bemühungen dahin gehen müssen, eine Trendumkehr zu erreichen“. Eine Taskforce soll gegründet werden, an der auch die „Hersteller der Systemkomponenten“ beteiligt sind.

„Präventive Instandhaltung“

Neben maroden Stellwerken wie dem am Hackeschen Markt klagte die S-Bahn zuletzt immer wieder darüber, keine Ersatzteile beschaffen zu können, da diese von den Herstellern abgemeldet worden seien. Die Einbeziehung der Hersteller soll nun offenbar zu neuen Lösungen und schnelleren Reparaturen führen.

Auch sollen die Erfahrungen bei der Entstörung des Stellwerks am Hackeschen Markt auf andere störanfällige Streckenabschnitte angewandt werden. Das ist dann das, was die Senatorin unter „präventiver Instandhaltung“ versteht.

Wichtigster Punkt dürfte sein, dass bis zur geplanten Umstellung der kompletten Signal- und Sicherungssysteme Mitte der 2030er Jahre eine Übergangslösung geplant ist. Diese neuen Überwachungssysteme befänden sich derzeit in der technischen Genehmigungsprüfung.

Grüne kritisieren mageres Ergebnis

Die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Antje Kapek, spricht von einem „mageren Ergebnis“ und ein paar „Notpflastern“, die beim Gipfel besprochen worden seien. „So bekommt die Bahn die Probleme nicht in den Griff“, sagt Kapek zur taz. „Es kann nicht sein, dass an manchen Tagen 75 Prozent des S-Bahn-Verkehrs gestört sind.“

An Verkehrssenatorin Bonde hat die Grünen-Politikerin deshalb eine klare Botschaft. „Sie soll sich mehr auf ihre Kernaufgaben konzentrieren.“ Tatsächlich war Bonde zuletzt immer wieder mit Meldungen und Forderungen auffällig geworden, als ob sie die Maxime der amerikanischen Maga-Bewegung beherzigen wolle, die Zone mit „Shit“ zu fluten.

Ihr jüngster Vorstoß: Das Anwohnerticket fürs Parken soll künftig nicht nur am Wohnort gelten, sondern auch an anderen Stellen der Stadt. Berlins Autofahrer werden von ihrer Autosenatorin nicht enttäuscht sein.

Zuvor hatte Bonde einmal mehr ihre Idee einer Magnetschwebebahn ins Spiel gebracht. Sie soll vom ICC in Charlottenburg zum BER führen. Grünen-Politikerin Kapek nennt das eine „bewusste Ablenkungsstrategie, die darüber hinwegtäuschen soll, dass Bonde nichts für den ÖPNV tut“.

Vielleicht will Bonde aber auch davon ablenken, dass inzwischen in Teilen der Koalition darüber spekuliert wird, wie lange sie noch zu halten sein wird. Selbst im Senat wurde ihr zuletzt die Stirn geboten. Ihre Vorlage, mit der auf zahlreichen Tempo-30-Abschnitten wieder Tempo 50 gelten sollte, hat die Koalitionspartnerin SPD am Dienstag kurzfristig von der Tagesordnung genommen. Es bestehe noch Redebedarf, hieß es.

Selbst CDU geht auf Distanz

Mehr noch: Auch in der CDU ging man jetzt auf Distanz zur eigenen Senatorin. Fraktionschef Dirk Stettner etwa forderte, dass bei der Untersuchung der Verkehrssicherheit nicht nur Schulen berücksichtigt werden sollten, sondern auch Kitas. Dort, wo die Sicherheit nicht gewährleistet werden kann, dürfen Kommunen nach der Novelle der Straßenverkehrsordnung eigenständig Tempo 30 anordnen.

Auch SPD-Fraktionschef Raed Saleh sagt zu Bondes Versuch, Tempo-30-Abschnitte abzuräumen: „Das sind Debatten von vorgestern. Vor Kitas, Schulen, Senioreneinrichtungen brauchen wir mehr Tempo 30, nicht weniger.“ Und: „Die Senatorin sollte nicht überreizen.“ Mit ihrer wieder aufgewärmten Idee einer Magnetschwebebahn etwa setze Bonde völlig falschen Prioritäten.

Er zumindest kenne keinen Berliner, der sich „dringend“ eine Magnetschwebebahn wünsche. „Wir brauchen keine Debatte über Magnetschwebebahnen. Die Menschen wollen, dass Busse und Bahnen pünktlich kommen. Das hinzukriegen, ist die Aufgabe der Senatorin“, sagt Saleh zur taz.

Gleiches gelte für Bondes Tempo-50-Initiative. Auch hier sei eine Mehrheit der Berliner gänzlich anderer Ansicht als die Senatorin. „Frau Bonde steht da allein. Sie muss jetzt nacharbeiten“, so der SPD-Politiker. Bei Problemen mit Weichenstörungen kann sie ja bei der Bahn nachfragen.

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