Russland will die Krim: Die Schlinge zieht sich zu

Russland treibt den Anschluss der Krim voran. Die Halbinsel solle zu einem gleichberechtigten Subjekt der Russischen Föderation werden, heißt es aus Mosaku. Kiew protestiert.

Pro-Ukraine-ktivistin in Rom. Bild: dpa

WASHINGTON/KIEW/LYON/WIEN/MOSKAU afp/dpa | Ungeachtet aller Sanktionsdrohungen des Westens treibt Russland den Anschluss der zur Ukraine gehörenden Krim voran. Vor dem Referendum am 16. März über den künftigen Status der Krim stellt Moskau der Schwarzmeer-Halbinsel die Eingliederung in die Russische Föderation in Aussicht.

„Wenn eine solche Entscheidung bei dem Krim-Referendum getroffen wird, dann wird die Republik zu einem gleichberechtigten Subjekt der Russischen Föderation mit allen Rechten und Vollmachten“, sagte die Chefin des russischen Föderationsrates, Valentina Matwijenko, am Freitag. Als Teil Russlands werde die Krim künftig mehr Rechte haben als in der Ex-Sowjetrepublik Ukraine, versprach Matwijenko bei einem Treffen mit Krim-Parlamentschef Wladimir Konstantinow. Die Bürger der Krim würden alle Rechte russischer Staatsangehöriger haben, gleiche Löhne, Renten und gleichen Anspruch auf Sozialleistungen.

Der Stadtrat von Sewastopol auf der ukrainischen Halbinsel Krim hatet am Donnerstag eine Angliederung an Russland beschlossen. Das Gremium habe sich entschieden, sich der Russischen Föderation anzuschließen, hieß es in einer Erklärung auf den Internetseiten des Stadtrats. In Sewastopol ist die russische Schwarzmeerflotte stationiert.

Ministerpräsident Arseni Jazenjuk hielt dagegen, ein Anschluss der Halbinsel Krim an Russland per Volksentscheidwürde würde „niemand in der zivilisierten Welt" anerkennen. Zu weiteren Verhandlungen mit Russland zeigte er sich bereit. Das Nachbarland müsse jedoch seine Unterstützung für Separatisten auf der Krim beenden und seine Soldaten abziehen.

Obama und Putin am heißen Draht

In einem Telefonat mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin hat US-Präsident Barack Obama Russlands Vorgehen in der Ukraine verurteilt und die Sanktionen des Westens gerechtfertigt. Obama warf Putin in dem einstündigen Gespräch eine Verletzung der Souveränität und der territorialen Integrität der Ukraine vor, wie das Weiße Haus am Donnerstagabend mitteilte.

Putin hob in dem Telefonat die Bedeutung der bilateralen Beziehungen zwischen Washington und Moskau hervor. Diese seien „von höchster Bedeutung für die weltweite Stabilität und Sicherheit“ und dürften wegen des Konflikts in der Ukraine nicht aufs Spiel gesetzt werden, hieß es in einer Erklärung des Kremls. Das Weiße Haus erklärte, Obama habe Russland erneut eine Einmischung in der Ukraine vorgeworfen. Diese habe die USA veranlasst, „in Absprache mit unseren europäischen Partnern“ Strafmaßnahmen zu ergreifen.

Obama macht in dem einstündigen Telefonat auch deutlich, dass eine diplomatische Lösung des Konflikts möglich sei. Moskau müsse unter internationaler Vermittlung direkte Gespräche mit der neuen Führung in Kiew aufnehmen, forderte der US-Präsident. Er rief Putin erneut dazu auf, seine Truppen auf der Krim wieder in die Kasernen zu schicken und internationalen Beobachtern freien Zugang zu gewähren.

Das US-Repräsentantenhaus billigte derweil Finanzhilfen für die vom Staatsbankrott bedrohte Ukraine. Mit 385 zu 23 Stimmen sprach sich die Kongresskammer am Donnerstag für die Vergabe von Kreditgarantien an die Übergangsregierung in Kiew aus. Das Gesetz geht nun an den Senat, der ebenfalls zustimmen muss.

Erneut Einreise von OSZE-Beobachtern verhindert

Die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) haben am Freitag einen neuen Versuch unternommen, auf die ukrainische Halbinsel Krim zu gelangen. Der Konvoi mit den rund 40 Militärexperten wurde am Nachmittag von Bewaffneten an einem Kontrollposten am Zugang zur Krim gestoppt, wie afp-Reporter berichteten. Am Donnerstag waren die Beobachter durch Bewaffnete daran gehindert worden, in das Gebiet vorzustoßen.

Für die allgemein angespannte Stimmung steht auch ein Vorfall am Donnerstagabend. Ein Flugzeug mit Regierungschef Jazenjuk an Bord wurde in Wien nach einem Terroralarm der deutschen Flugsicherheit von Spezialkräften umstellt. Jazenjuk war am auf dem Rückweg vom Brüsseler EU-Krisengipfel, als bei der Flugsicherung Karlsruhe ein unklarer Warnhinweis aus Belgien einging.

Die Wiener Flughafenleitung teilte laut Polizei am Donnerstag gegen 19.00 Uhr mit, es liege eine Bedrohung der im Anflug befindlichen Maschine der Austrian Airlines vor. Sie berief sich auf die deutsche Flugsicherung. Diese habe mit dem Kapitän Funkkontakt gehabt, der jedoch nur sehr knapp geantwortet habe. Deshalb sei man von einer realen Bedrohung ausgegangen – zumal bekanntgewesen sei, dass sich Jazenjuk mit Begleitern an Bord befand.

Das Flugzeug wurde vom Einsatzkommando Cobra und Spezialkräften für Terrorismusbekämpfung umstellt und durchsucht. Der Kapitän erklärte später, ein Funkspruch der Flugsicherung Karlsruhe sei undeutlich bei ihm angekommen, deshalb habe er nur knapp geantwortet. Er habe aber „unmissverständlich mitgeteilt, dass alles in Ordnung sei“. Trotz des Zwischenfalls konnte Jazenjuk seine Reise noch am Donnerstagabend planmäßig mit dem Anschlussflieger nach Kiew fortsetzen.

Die internationale Polizeibehörde Interpol prüft derweil einen Antrag der Übergangsregierung in Kiew, den entmachteten ukrainischen Präsidenten weltweit zur Fahndung auszuschreiben. Das Gesuch sei am Mittwoch eingegangen, erklärte Interpol am Freitag. Eine sogenannten Rote Notiz zur Festnahme und Auslieferung Janukowitschs würde an alle 190 Interpol-Mitgliedsländer und damit auch an Russland gehen. Interpol betonte aber, die Mitgliedsstaaten könnten nicht zu einer Festnahme gezwungen werden.

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