Russland und der Westen: Die Zeichen stehen auf Eskalation
Nach den ergebnislosen Gesprächen zwischen Russland und dem Westen fürchten viele in der Ukraine weitere Versuche Moskaus, das Land zu destabilisieren.
Man sei in einer Sackgasse angelangt, zitiert der ukrainische Dienst von BBC den Militärfachmann Michael Kofman vom Kennan Institute. Zwar sei es erfreulich gewesen, dass beide Seiten den Wunsch hatten, sich mehrere Stunden an den Verhandlungstisch zu setzen, resümiert das Portal strana.news. Gleichzeitig werde aber die Sprache immer bedrohlicher. Der Westen drohe mit Sanktionen, Russland mit einer militärischen Antwort. Und so sei auch ein völliges Scheitern der Verhandlungen und die von Russland angekündigte „militärische Antwort“ nicht mehr auszuschließen.
Im ukrainischen Dienst von BBC wundert sich Alexander Gabujew vom Moskauer Carnegie-Center, dass Russland in aller Öffentlichkeit unter Diplomaten eher unübliche Begriffe wie „rote Linien“ oder „nicht zulässig“ verwende.
Auch die für den britischen Thinktank Chatham House tätige russische Politologin Lilia Schewzowa glaubt in der renommierten nv.ua (der früheren Nowoje Wremja), „dass der Kreml mit seiner Drohung Fenster zu zerschlagen, aggressive Hormone aktiviert … Russland kann überspitzt formulieren, wenn es sicher sein kann, dass sich sein Gegenüber an die Vorgaben des Protokolls hält. Doch was passiert, wenn das Gegenüber dieses Verhalten kopiert?“
Kollektives Handeln
Putin, so Schewzowa, wolle die Ära Gorbatschow und Jelzin endgültig ad acta legen. „Folglich ist es notwendig, die durch den Zusammenbruch der UdSSR geschaffene frühere Ordnung aufzuheben und ihren Architekten, die USA, zu zwingen, das Spiel von vorn zu beginnen“, so Schewzowa. Letztendlich treibe Russland den Westen geradezu zu kollektivem Handeln.
Unterdessen wurde bekannt, dass offensichtlich mehrere Internetportale staatlicher ukrainischer Stellen Opfer von Hackerangriffen geworden sind. Das meldete der ukrainische Dienst von BBC. Am Freitagvormittag seien die Seiten der Regierung, des Außen-, des Sport- und des Energieministeriums nicht erreichbar gewesen.
Der bekannte ukrainische Blogger und Korrespondent Denis Trubetskoy fürchtet daher etwas anderes: „Während die Welt vor allem über die Gefahr einer direkten russischen Invasion redet, gehen der hybride Krieg und die gezielte Destabilisierung der Lage in der Ukraine immer weiter. Ebenfalls wie die schleichende Invasion Russlands in der Ostukraine. Im westlichen Diskurs wäre es enorm wichtig, diesen Konflikt nicht auf den sogenannten neuen großen Krieg zu reduzieren“, so Trubetskoy.
„Dass den Westen fast nur die Verhinderung des ‚großen Kriegs‘ interessiert, nützt vor allem Russland und ist wohl auch eines der Ziele Moskaus, das unter diesem Schirm doch einiges durchsetzen könnte. Die Sicherheit der Energieobjekte ist dabei eines der Themen, die von ukrainischen Experten mit größter Sorge wahrgenommen werden, weil Strom in diesem Winter ohnehin recht knapp ist.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin