Russischer Rückkehrer: Danke, Viktor!
Der russische Sportminister Michail Degtjarjow steht nicht mehr auf der EU-Sanktionsliste. Er ist überzeugter Putinist.

M ichail Degtjarjow ist gewiss keine große Nummer in der russischen Politik. Seit Mai 2024 ist er Sportminister der Russischen Föderation und im Dezember wurde er Präsident des Russischen Olympischen Komitees. Das ist infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vom Internationalen Olympischen Komitee suspendiert. Degtjarjow darf also nicht mit abstimmen, wenn in dieser Woche im griechischen Luxusresort Costa Navarino ein neuer IOC-Präsident gewählt wird.
Dennoch schaffte es der 44-Jährige in der vergangenen Woche in die großen Nachrichten über das Weltgeschehen. Ungarns Premier Viktor Orbán wollte seine Zustimmung zur Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland nur geben, wenn die bestehenden Maßnahmen gegen drei Personen aufgehoben würden. Eine davon war eben jener Michail Degtjarjow.
Der bedankte sich umgehend bei Ungarn „für die konsequente politische Haltung zum Schutz der olympischen Werte“, was auch immer er darunter verstehen mag. Und er machte klar, dass es keineswegs einen politischen Sinneswandel bei ihm gegeben habe, der zu der Aufhebung der Sanktionen gegen ihn geführt hat. Degtjarjows Name stand bereits 2014 auf einer der ersten Sanktionslisten der EU. Der damalige Abgeordnete der Staatsduma, der für die nationalistische Liberaldemokratische Partei Russlands des Politextremisten Wladimir Schirinowski im Parlament saß, hatte damals eine Botschaft für die sogenannte Volksrepublik Donezk in Moskau feierlich eröffnet. Zudem ließ er sich gerne in Uniform bei Propagandaevents für die Okkupation der Ostukraine fotografieren.
Das findet er bis heute richtig. „Russland hat das Recht, seine nationalen Interessen zu verteidigen – auch im Sport. Und wir werden dies unter der Führung unseres Präsidenten Wladimir Wladimirowitsch Putin tun“, wird er vom russischen Portal sports.ru zitiert. Klar, die obligatorische Ergebenheitsadresse an den Präsidenten darf nicht fehlen. Dass er seinem Staatschef in Treue verbunden ist, konnten alle, die es wollten, sehen, als er Neujahrsgrüße seiner Familie in Fan-T-Shirts mit Putins Konterfei in sozialen Medien postete.
Bewährungsaufgabe im fernen Osten
Wladimir Putin hatte ihn zum Sportminister befördert, nachdem er sich im fernen Osten des Landes bewährt hatte. 2020 wurde er zum Gouverneur von Chabarowsk ernannt. Dort war es zu Massenprotesten gekommen, nachdem der Kreml den beliebten Vorgänger Degtjarjows abgesetzt hatte. Tausende demonstrierten regelmäßig für jenen Sergei Furgal, der beschuldigt wurde, Morde an Geschäftsleuten in Auftrag gegeben zu haben. Degtjarjow sollte die Lage beruhigen.
Was ihn dafür qualifiziert hat, wusste damals niemand so recht in Chabarowsk. Das Buch, das er über seinen Parteichef Wladimir Schirinowski geschrieben hat, wird es wohl kaum gewesen sein. Dass Schirinowski, wie es in der Biografie heißt, mit Graf Dracula, Napoleon und Albert Einstein verwandt sein soll, glaubten wohl nicht einmal die treuesten Verehrer des charismatischen Nationalistenführers.
Mit Mühe und Not und gelang es den erfahrenen Wahlfälschern des Kreml, Degtjarjow bei der Gouverneurswahl 2021 zu einem Ergebnis von 56 Prozent zu verhelfen. So richtig heimisch geworden ist der Politiker im Osten des Landes wohl nie. Immerhin beruhigte sich die Stimmung in der Provinz, was von Putin gewiss registriert worden ist. Auch auf anderen Wegen hat Degtjarjow immer wieder versucht, Putins Aufmerksamkeit zu erregen. Einmal schenkte er ihm eine Uniform, auf die er ein Putin-Zitat hat sticken lassen: „In der Wahrheit liegt die Stärke. Der Sieg wird unser sein.“ Der Lohn war dann die Bestellung zum Sportminister.
Dieser Putinist darf nun also frei durch Europa reisen, um über die Wiedereingliederung Russlands in den Weltsport zu verhandeln. Das ist sein erklärtes Ziel. Ach ja, mit Sport hatte Degtjarjow bislang nicht viel zu tun. In seiner Jugend soll er mal Fechter gewesen sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!