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Russische Supermarktkette in Leipzig„Jeden Tag nur Tiefstpreise!“

Ware auf Paletten, keine Werbung, kein Schnickschnack: „Mere“ will Aldi und Lidl Konkurrenz machen. Kritiker warnen vor noch mehr Preiskampf.

Wer braucht schon hübsch eingeräumte Regale? Foto: dpa

Leipzig taz | Geht es noch billiger als billig, noch ramschiger als auf der Resterampe? Wem die neuen „Edel“-Strategien von Discountern wie Lidl und Aldi Unbehagen bereiten (raumgreifende Farbkonzepte, knackiges Obst, frisches Brot, Bio- und Fairprodukte), findet vielleicht künftig beim russischen Discounter Mere eine Anlaufstelle für Einkäufe des täglichen Bedarfs.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat bereits angesichts der Eröffnung der ersten deutschen Filiale in Leipzig vor noch mehr Dumping bei den Lebensmittelpreisen gewarnt. Der Start des Geschäfts der sibirischen Unternehmensgruppe Torgservis sei ein „Alarmsignal“, sagte der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler. Wer damit werbe, die ohnehin günstigen Discounter in Deutschland noch zu unterbieten, drehe an einer Abwärtsspirale.

Die 2009 gegründete Firma Torgservice betreibt nach eigenen Angaben in Osteuropa und Asien 928 Filialen. Laut einem Sprecher gab es „extremen Andrang“, als am Dienstag der Mere-Markt im Leipzig-Portitz um 9 Uhr öffnete. Der Supermarkt, der in einer früheren Aldi-Filiale unterkam, wirbt mit dem Motto „Jeden Tag nur Tiefstpreise“. Mere will nach eigenen Angaben zuerst in Ostdeutschland Fuß fassen – und dabei Ketten wie Aldi und Lidl Konkurrenz machen.

Lange Schlangen an den Kassen

Keine Werbung, kein Schnickschnack, die Ware wird auf Paletten angeboten: Frischwaren wie Gemüse, Obst oder Eier fehlen zwar, aber Lebensmittel machen etwa 70 Prozent des Angebotes aus. Auch Textilien, Drogerieartikel und Haushaltswaren gehören zum Sortiment. Ein Besen kostet zum Beispiel 89 Cent, 520 Gramm Sauce Bolognese gab es für 65 Cent, eine 1,75-Kilo-Dose Thunfisch kostet 8,37 Euro. Das kam am ersten Tag am Stadtrand von Leipzig gut an: Es gab Schlangen an den Kassen.

„Lebensmittel dürfen keine Ramschware sein“, mahnte hingegen die NGG. Die Kosten für Mensch und Umwelt seien enorm, wenn die ohnehin günstige Discounterware noch einmal unterboten werden solle.

Angeblich will das russische Unternehmen in Deutschland hundert Filialen eröffnen. Dennoch bescheinigen Experten der neuen Kette wenig Erfolgschancen. Es sei „unmöglich, Discountern wie Aldi oder Lidl Konkurrenz zu machen“, sagte Erik Maier, Juniorprofessor von der Handelshochschule Leipzig zum MDR. Die Margen im deutschen Lebensmittelhandel seien bereits gering und die Marktmacht der milliardenschweren Konzerne sehr groß.

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25 Kommentare

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  • Im Grunde funktioniert der Laden doch wie Aldi früher, einfach die Waren auf die Paletten und billig verkaufen. Ich brauche keine Wellnessoase um einzukaufen.

    • @Zven:

      Als Aldi sich entwickelte, gab es zuvor keinen Aldi, das ist bei Mere anders. Der rusishe Discounter trifft auf tausende von Läden der Konkurrenz. Und Mere muss seine Produkte ja auch irgendwo kaufen. Da die neue Kette keine Marktmacht hat, kann sie die Hersteller und Bauern nicht unter Druck setzen. Also bleiben die Preise "oben". Mere hat nichts in der Hand, um das zu ändern. Russische Produkte dürften hier kaum ankommen. Fazit: Mere wird keinen Erfolg haben.

  • Stimmt, im Ausland sind das keine billigläden, habe ich auch schon festgestellt, obwohl es den gleichen schrott wie hier gibt.

  • Puh. Ich fahr direkt mal zum demeterhof einkaufen, nach dem gruselartikel hier :)

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Markt ist die Interaktion zwischen Angebot und Nachfrage. Schon vergessen? Die Nachfrage in Form unserer KonsumentInnen ist eher preisunelastisch nach „unten“ orientiert - ausgerichtet am persönlichen Gewinnempfinden. Anbieter, die das befriedigen können etablieren sich am Markt. Da muss nicht zwingend Dauerhaft sein, kann es aber. Selbst die 1€-Läden überleben gut! Alles klassisches kapitalisitisches Verhalten. Da spielt Gemeinwohlverantwortung überhaupt keine Rolle, nur persönliche Nutzenmaximierung.

    • @97088 (Profil gelöscht):

      Genau das wollte ich auch sagen.

      Man kann im Kapitalismus nicht dagegen protestieren, das jemand Waren von Paletten verkauft.

      Und in einer Zeit, wo Aldi und Lidl sich durch die Gesellschaft nach "oben" arbeiten, steigen eben andere ganz unten wieder ein.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    "520 Gramm Sauce Bolognese gab es für 65 Cent, eine 1,75-Kilo-Dose Thunfisch kostet 8,37 Euro."



    Alle ahnen: Davon wird die Welt garantiert nicht besser. Wer es trotzdem kauft, stellt sich dumm - kein Weg in das individuelle Glück, also letztlich verschenkt. Aber extrem teuer für die Anderen.

    • @90118 (Profil gelöscht):

      Dumm stellen sich sowieso schon alle Verbraucher hinsichtlich fairer Löhne, Umwelt, Naturschutz, Artenvielfalt und co.



      Dort wirds nur noch offensichtlich dumm.

      • 9G
        90118 (Profil gelöscht)
        @Rudolf Fissner:

        Zugegebenermaßen hatte ich diesen Gedanken auch schon. Das dunkle Ende dieses Denkens ist aber sehr schädlich. Deshalb finde ich schon den Schritt erstrebenswert, dass ein Verbraucher weniger in solch ein Etablissement gehen könnte.

  • Wenn es Aldi, Lidl und die Tafeln nicht gäbe, müssten die Ärmsten verhungern. Von 4 € am Tag, die man den Ärmsten zugesteht, ist Biomarkt nämlich nicht drin.

  • Passt prima in die heutige Zeit.

  • Industriefraß von der Palette,



    deutsche Esskultur,



    billig, billig,



    Öko wollen



    aber billig, billig,



    Zahnausfall



    die Kasse zahlts ja,



    selber schuld,



    vielleicht



    aber auch so gewollt.



    von den Drückern



    des BDI und DIHK.



    Krebsgeschwüre allesamt



    willkommen geheißen



    von den Betreibern der



    Privatkliniken.



    Willkommen, Schnäppchenjäger



    im Computertomographen.



    Alternativ: Solidarische Landwirtschaft

    • @nun_aber_mal_halblang:

      nette iDee, allerdings..

      stören die Störer

      Deutschland eineig Lobbyland..

      Aber fordern kann man´s

      ist edel

      nicht verwerflich

      weiter machen

      der Weg ist das Ziel

  • Wenn also ausländische Konzerne Dumping bei uns betreiben, ist das ein Problem. Dass unsere Aldildl's im europäischen Ausland die Preise kaputtmachen, ist nicht so wild.



    Lang lebe unsere deutsche Sicht der Dinge!

    • @Ralfhans:

      Was meinen Sie mit "Preise kaputt machen"?



      Ich war sowohl in Polen, Rumänien als auch mehrmals auf Rhodos bei Lidl. Länder, in denen die durchschnittlichen Einkommen nicht annähernd den deutschen Entsprechen. Bis auf territoriale Spezifika bei Lebensmitteln ist das Sortiment wie hier- aber fast immer teurer als wir es kennen.

  • Ich weiß jetzt nicht genau ob ich das gut finden soll. Und falls sich der Markt durchsetzt lesen wir in ein paar Jahren dann wieder wie schlecht die Mitarbeiter dort behandelt werden. Ist doch immer das gleiche.

  • Na ja. Zumindest die Russen in Deutschland werden dort nicht einkaufen. Da ist Markenbewusstsein vorhanden.

    Eine Low-Level-Billigkette für Lebensmittel wird mit nachhaltiger oder ökologisch und ökonomisch sinnvoller Herstellung noch weniger zu tun haben als bei bisherigen Discountern.

    Wenn ich mir die NL-Billigkette HEMA ansehe, die es auch schon gibt (keine Lebensmittel), ist das schon abschreckend genug.

    • @Sven2000:

      HEMA eine Billigkette? Wie man darauf kommt ist mir schleierhaft. Kleidung ist dort sicher günstiger als Ware aus dem Öko/Fair Klamottenladen, sieht dafür aber auch nicht so schaurig aus.

    • @Sven2000:

      Sie haben den Deutschen Lebensmitteinzelhandel nicht verstanden. An der Qualität kann man kaum noch sparen.



      Entschieden wird über die Logistik und natürlich den Einkauf. Dabie gilt je mehr desto besser. Deswegen ist z.b. Kaisers verkauft worden. Einfach zu klein.



      Die Qualität eines Markenproduktes ist in der Regel übrigens nicht besser als die eines NoName Produktes.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ..."Ware auf Paletten, keine Werbung, kein Schnickschnack"?



    So ähnlich ging's mit Aldi auch los. Regale mit Kartons, die vorne nur aufgeschnitten wurden, dazwischen Palletten, ähnlich wie auf dem Foto, mit Mehl, Zucker etc..

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Was kann daran falsch sein, wenn "Mere" jetzt diesseits der systemisch eingemeindeten Tafeln -aka privatwirtschaftlich organisierter Armenspeisung- genau das tut, was vor Jahren noch bei Aldi & Co. nicht ganz falsch war.

    Und die potentielle Zielgruppe dürfte heute, unter dem Elendsregime von HartzIV nebst Aufstocker und anderer, erpresster Hungerlöhne eher noch größer sein, als vor zwanzig, oder dreissig Jahren.

    • @90857 (Profil gelöscht):

      Ich lese Ihren Kommentar als Abwehr der im Artikel geäußerten Kritik an Mere. Dabei geht Ihr Kommentar aber dahingehend daneben, dass die zitierte Gewerkschaft aber gegen Niedriglöhne (Aufstocken ist in der Gastro sehr üblich) kämpft, also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen will.

    • @90857 (Profil gelöscht):

      Fragt sich dann, welche Abart Arbeitsverträge Mere seinem Personal aufzwingt.

      • @geo-gop:

        Die werden mit Naturalien entlohnt. Pro Arbeitsstunde eine Dose Bolognese.

      • @geo-gop:

        die gleichen wie die sub-unternehmer von edeka, rewe und co. es gibt in deutschland ja zum glück eine untergrenze...

        lidl und aldi zahlen besser, btw ;-)