piwik no script img

Russische Sportler bei OlympiaEinladung für Schleichwege

Kommentar von Johannes Kopp

Die Bedingungen des IOC für die Teilnahme an Olympia sind vage. Fest steht, dass Sporterfolge politisch instrumentalisiert werden können.

IOC-Chef Bach empfiehlt die Wiederzulassung russischer und belarussischer SportlerInnen Foto: Denis Balibouse/reuters

D er Zerfall des internationalen Sportsystems steht auf dem Spiel, hatte der oberste Sportfunktionär Thomas Bach gewarnt. Die nun formulierte Empfehlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Sport­le­r:in­nen aus Russland und Belarus wieder zu den Wettkämpfen zulassen, verhindert diesen Zerfall nicht, sie dokumentiert ihn. Es ist der untaugliche Versuch, die Welt des Sports nachträglich zu vakuumieren, um sie vor den zersetzenden Einflüssen der politischen Realität zu schützen.

In den Laborräumen des IOC hat man sich überlegt, wie man die Vorzeigeathleten der brutalen Invasionsmacht Russland möglichst unbeschadet in die olympische Fantasiewelt des friedlichen Miteinanders transferieren kann, wo sie im Wettstreit mit ukrainischen Konkurrenten bestenfalls noch die verbindende Kraft des Sports symbolisieren sollen.

Die Bedingungen, die man dafür ausformuliert hat, sind gewiss weitgehender, als viele zuvor gedacht haben. Um als neutraler Athlet zugelassen zu werden, müssen Be­la­rus­s:in­nen und Russen nicht nur auf nationale Fahnen, Hymnen und Teamwettbewerbe verzichten. Mitmachen dürfen sie lediglich, wenn sie den Krieg nicht „aktiv“ unterstützen und nicht beim belarussischen oder russischen Militär „unter Vertrag stehen“.

Nach jetzigem Stand wäre damit die große Mehrheit der russischen Olym­pia­kan­di­da­t:in­nen ausgeschlossen. Doch wer definiert, was aktive Unterstützung heißt? Wie wird das mit welchem Aufwand überprüft? Und ist der Ausschluss von Militärangehörigen nur eine formale Klausel fürs gute olympische Gewissen, die durch einen kurzfristigen Eintritt in einen vorgeblichen Zivilberuf fix ausgehebelt werden kann?

Eine nationale Angelegenheit

Derart unscharfe Voraussetzungen klären wenig, sie sind vielmehr eine Einladung für Schleichwege und weitere Debatten. Und sie sind ein Ergebnis der auch im internationalen Sport bestehenden weltweiten Uneinigkeit darüber, wie auf Russlands Invasion reagiert werden soll. Das Grundproblem der IOC-Empfehlung besteht darin, dass der olympische Sport sich der polarisierten politischen Lage nicht entziehen kann, indem er das Individuum und seine Rechte in den Mittelpunkt rückt.

Der internationale Sport ist schon immer ein Instrument nationaler Selbstvergewisserung gewesen. Medaillen werden als Währung nationaler Stärke gelesen. Sport ist eine nationale Angelegenheit. Per Gremienbeschluss kann man ihn zwar zur Privatangelegenheit umetikettieren, nur hilft das wenig. Die politische Instrumentalisierung russischer Sporterfolge lässt sich nicht verhindern.

Selbst das IOC scheint von seiner eigenen Empfehlung nicht überzeugt zu sein. Ausdrücklich wies man daraufhin, dass dadurch noch keine Vorentscheidung darüber getroffen worden sei, ob Sport­le­r:in­nen aus Russland und Belarus an den Olympischen Spielen 2024 in Paris teilnehmen können. Man werde erst einmal die Umsetzungen der vorgeschlagenen Maßnahmen beobachten und diese dann bewerten. Die Tür wurde also ein Stück weit unter dem Verweis geöffnet, dass sie vielleicht gleich wieder zugeschlagen wird. Die Zerrissenheit im internationalen Sport könnte kaum größer sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Russlands Athleten sind meist Soldaten immer Teil der Propaganda. Jeder Athlet der sich pro-Krieg oder pro-russisches Militär in irgendeiner Weise geäußert hat oder aufgetreten ist muss ausgeschlossen werden.

  • Die olympische Idee kann dann nun auch weg.

  • Dieses internationle Vermarktungs- und Propaganda-System unter dem "Label" Sport kann ruhig kaputt gehen. Wer bei dieser Farce noch mitmacht, hat seine guten Gründe. Der Menschheit würde nichts fehlen, ohne Olympia, dem WM-Zirkussen und so weiter. Das würde viel CO2 Equivalente einsparen! Als weg mit dem Sch..