piwik no script img

Russische Propaganda im LibanonPutin, Freund des Korans

Auf den Straßen des Libanon sind Werbeposter des russischen Präsidenten mit Koran in der Hand aufgetaucht. Was hat es damit auf sich?

Das Foto auf den Werbepostern in Beirut zeigt Putin bei seinem Besuch im russischen Derben Foto: Gavriil Grigorov/ap

Beirut taz | Ungewöhnliche Werbeplakate kleben seit Kurzem auf großen Reklametafeln am Rande vieler Straßen im Libanon. Darauf zu sehen ist, wie sich der russische Präsident Wladimir Putin einen Koran an die Brust drückt. Auf Arabisch steht darüber: „Wächter und Beschützer der Religionen.“

Das Foto stammt von dem Besuch Putins in der Dzhuma-Moschee im russischen Derben am 28. Juni. Mit der Kampagne soll der jüngste Vorfall einer Koranverbrennung in Schweden angeprangert werden. Am 28. Juni hatte ein irakischer Geflüchteter vor der größten Moschee Stockholms das heilige Buch der Muslime angezündet.

Eine frühere Koranverbrennung in Stockholm hatte bereits Schwedens Nato-Beitritt gefährdet: Die Gegenreaktionen in der mehrheitlich muslimischen Türkei waren maßgeblich dafür verantwortlich, dass der schwedische Antrag zunächst scheiterte. Zwar ist die Türkei wieder zurückgerudert, doch die Ereignisse spielten direkt in die Hände des Kremls. Später kam heraus, dass ein kremlnaher rechter Journalist den Provokateur Rasmus Paludan für die Verbrennung bezahlt hatte.

Die Propagandaplakate im Libanon hängen vor allem in muslimisch dominierten Vierteln wie in den von der Hisbollah kontrollierten südlichen Vororten von Beirut und in der Tempelstadt Baalbek, aber auch im ärmlichen Viertel Karantina in Beirut und entlang der einzigen Autobahn des Landes.

Putins Rhethorik

Auf den Werbetafeln ist das Logo eines „russisch-libanesischen Kooperationsbüros“ namens Roslivan abgebildet. Informationen über das Büro findet man kaum, eine Webseite hat es nicht. Angaben des russischen Staatssenders Russia Today (RT) zufolge hält das Zentrum die Bevölkerung „über die Ereignisse in Russland und die Haltung Moskaus auf dem Laufenden“.

Der Präsident dieser Organisation, Muhammad Nasser al-Din, sagte zu Russia Today, das Ziel der Kampagne sei, der westlichen Dominanz entgegenzuwirken. Diese untergrabe die religiösen und moralischen Werte. Das klingt ganz nach russischer Rhetorik.

In einem Video eines Ablegers von RT zu der Kampagne sagt ein muslimischer Scheich: „Wenn ein Mensch eine gerechte und positive Stellungnahme abgibt, wissen wir das zu schätzen.“ Es sei noch besser, wenn diese Stellungnahme von einem „Führer einer Supermacht wie Präsident Putin kommt“.

Im Anschluss sagt der Professor einer russischen Universität im Libanon, Hamid Abu Zahr, in dem Beitrag: „Ich bin stolz, wenn ich dieses Bild mit Slogans im Libanon sehe, sodass die Menschen an touristischen und nichttouristischen Orten im Libanon es sehen können.“

Die ganze Rhetorik kommt zu derselben Zeit, in der Putin die Schwarzmeerinitiative für Weizenlieferungen aufgekündigt hat. Vergangenes Jahr hatte eine Getreideblockade Russlands im ukrainischen Hafen von Odessa zu Engpässen bei Weizenlieferungen geführt – auch im Libanon und seinen Nachbarstaaten.

Stößt die Propaganda auf fruchtbaren Boden? Einer neuen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zufolge merken die Li­ba­ne­s*in­nen die Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine vor allem an Preissteigerungen von Lebensmitteln. Von 535 befragten Menschen im Libanon bewerteten 22 Prozent Russlands Einfluss dennoch als „hilfreich für die Menschen“. 37 Prozent jedoch sagten, Russlands politische Einmischung in der Region sei schädlich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Perfide Propaganda. Wobei die Frage ist, ob sie die Libanesen, die nicht sowieso schon prosyrischen Gruppen angehören, wirklich an Land ziehen kann. Man weiß dort natürlich, dass Russland die Schutzmacht Assads ist, und viele (auch sunnitische) Libanesen sind antisyrisch eingestellt.

  • Bei solch einer Steilvorlage der Schweden ist es doch klar das es für Eigenwerbung benutzt wird.

    • @Ramaz:

      Sie haben den Artikel gelesen? "Später kam heraus, dass ein kremlnaher rechter Journalist den Provokateur Rasmus Paludan für die Verbrennung bezahlt hatte."



      Da hat sich wohl jemand selbst die Steilvorlage gegeben. Moskaus Einfluss war auch recht durchsichtig, denn der Zeitpunkt wird kaum zufällig gewählt worden sein. Das machen die mittlerweile so plumb bei allen wichtigen Entscheidungen des Westens: Immer schön einen Keil zwischen die Nato-Länder treiben ...

  • Ich dachte immer, für strenggläubige Muslime (und die Hamas im Libanon gehört mit Sicherheit dazu) ist das Anfassen des Korans ohne vorherige rituelle Waschung, und obendrein noch durch Andersgläubige, ein absolutes No-Go?

    • @TheBox:

      Absolute No-Go-Grundlagen sind bei religiösen Strategen in der Regel erstaunlich flexibel, wenn es um das höhere Ganze geht.

  • "Auf den Straßen des Libanon sind Werbeposter des russischen Präsidenten mit Koran in der Hand aufgetaucht. Was hat es damit auf sich?"



    Simpel: ein (angeblicher) Gegenentwurf zum koranzerstörenden Westen (siehe gerade Schweden), und Muslime sollten sich lieber mit Russland einlassen.



    Im Grunde stimmt es ja auch. Putin dürfte muslimische Untertanen genauso menschenverachtend opfern wie seine sonstigen Russen.

  • Möglicherweise unterstützt Russland den Libanon seit dessen Wirtschaftskrise und bekommt im Gegenzug solche werbewirksamen Fotos mit Putin.

    • @Jairi:

      Dem Libanon geht es gerade richtig dreckig! DIE Gelegenheit für Putin ganz billig neue Claqueure zu aquirieren ...