Russische Propaganda im Libanon: Putin, Freund des Korans
Auf den Straßen des Libanon sind Werbeposter des russischen Präsidenten mit Koran in der Hand aufgetaucht. Was hat es damit auf sich?
Das Foto stammt von dem Besuch Putins in der Dzhuma-Moschee im russischen Derben am 28. Juni. Mit der Kampagne soll der jüngste Vorfall einer Koranverbrennung in Schweden angeprangert werden. Am 28. Juni hatte ein irakischer Geflüchteter vor der größten Moschee Stockholms das heilige Buch der Muslime angezündet.
Eine frühere Koranverbrennung in Stockholm hatte bereits Schwedens Nato-Beitritt gefährdet: Die Gegenreaktionen in der mehrheitlich muslimischen Türkei waren maßgeblich dafür verantwortlich, dass der schwedische Antrag zunächst scheiterte. Zwar ist die Türkei wieder zurückgerudert, doch die Ereignisse spielten direkt in die Hände des Kremls. Später kam heraus, dass ein kremlnaher rechter Journalist den Provokateur Rasmus Paludan für die Verbrennung bezahlt hatte.
Die Propagandaplakate im Libanon hängen vor allem in muslimisch dominierten Vierteln wie in den von der Hisbollah kontrollierten südlichen Vororten von Beirut und in der Tempelstadt Baalbek, aber auch im ärmlichen Viertel Karantina in Beirut und entlang der einzigen Autobahn des Landes.
Putins Rhethorik
Auf den Werbetafeln ist das Logo eines „russisch-libanesischen Kooperationsbüros“ namens Roslivan abgebildet. Informationen über das Büro findet man kaum, eine Webseite hat es nicht. Angaben des russischen Staatssenders Russia Today (RT) zufolge hält das Zentrum die Bevölkerung „über die Ereignisse in Russland und die Haltung Moskaus auf dem Laufenden“.
Der Präsident dieser Organisation, Muhammad Nasser al-Din, sagte zu Russia Today, das Ziel der Kampagne sei, der westlichen Dominanz entgegenzuwirken. Diese untergrabe die religiösen und moralischen Werte. Das klingt ganz nach russischer Rhetorik.
In einem Video eines Ablegers von RT zu der Kampagne sagt ein muslimischer Scheich: „Wenn ein Mensch eine gerechte und positive Stellungnahme abgibt, wissen wir das zu schätzen.“ Es sei noch besser, wenn diese Stellungnahme von einem „Führer einer Supermacht wie Präsident Putin kommt“.
Im Anschluss sagt der Professor einer russischen Universität im Libanon, Hamid Abu Zahr, in dem Beitrag: „Ich bin stolz, wenn ich dieses Bild mit Slogans im Libanon sehe, sodass die Menschen an touristischen und nichttouristischen Orten im Libanon es sehen können.“
Die ganze Rhetorik kommt zu derselben Zeit, in der Putin die Schwarzmeerinitiative für Weizenlieferungen aufgekündigt hat. Vergangenes Jahr hatte eine Getreideblockade Russlands im ukrainischen Hafen von Odessa zu Engpässen bei Weizenlieferungen geführt – auch im Libanon und seinen Nachbarstaaten.
Stößt die Propaganda auf fruchtbaren Boden? Einer neuen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zufolge merken die Libanes*innen die Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine vor allem an Preissteigerungen von Lebensmitteln. Von 535 befragten Menschen im Libanon bewerteten 22 Prozent Russlands Einfluss dennoch als „hilfreich für die Menschen“. 37 Prozent jedoch sagten, Russlands politische Einmischung in der Region sei schädlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin