Rumäne oder Syrer?: Der Mann mit zwei Namen
Bremens Ausländerbehörde hat einem Eigentümer von Wohnungen im Delmenhorster Wollepark zu einer neuen Identität verholfen. Die Behörde schweigt zum Vorgang.
BREMEN taz | Milad H. ist zwar in Bremen gemeldet, er hieß allerdings nicht immer so. Unter dem Namen Mohamad A. war er 2008 zum Geschäftsführer der Im- und Exportfirma „Roma Rose International GmbH“ bestellt worden. So steht es im offiziellen Handelsregistereintrag. Die Firma handelt mittlerweile auch mit Käse und Kosmetika und ist bereits mehrfach umgezogen. Zurzeit residiert sie im Bremer Stadtteil Kattenturm. Unter dieser Adresse ist auch Milad H. alias Mohamad A. gemeldet.
Milad H. und sein Bruder Waled haben ihre Identität geändert. Das Migrationsamt Bremen, als lokale Ausländerbehörde, hat die neuen Angaben offenbar anstandslos akzeptiert und die Personalpapiere entsprechend umgeschrieben.
So änderte Mohamad A. nicht nur seinen Namen, sondern auch sein Geburtsdatum – vom 1. Januar 1975 auf den 29. Mai 1977. Zudem gibt er jetzt Aleppo in der „Arabischen Republik Syrien“ als Geburtsort an. Vor Jahren soll Milad H. alias Mohamad A. noch Rumänien als sein Heimatland genannt haben.
Den Behörden ist die merkwürdige Identitätsänderung offensichtlich nicht unbekannt. In einer „Erweiterten Melderegisterauskunft“ des Bremer Bürger-Service-Centers-Nord „von Anfang August 2017 findet sich ein überraschender Hinweis: „Bei Mohamad A. handelt es sich anscheinend um eine Alias-Identität.“
Aus der Meldeauskunft von Milad H.
Weiter heißt es: „Das Migrationsamt Bremen hat sowohl die Änderung des Namens als auch des Geburtsdatums veranlasst.“ Und: Für genauere Auskünfte möge man sich ans Migrationsamt wenden. Der Senator für Inneres aber schweigt zu dem Vorgang – mit Verweis auf den Datenschutz.
Warum der Identitätswechsel von Milad H. und seinem Bruder unwidersprochen akzeptiert worden ist, bleibt im Dunkeln. Auch sind viele weitere Fragen offen: Wie wurde die Bremer Meldebehörde überhaupt auf die falsche Identität der Brüder H. aufmerksam? Wie sorgfältig wurden deren neuen Angaben überprüft? Und: Existieren weitere Alias-Identitäten?
Die Polizei braucht zwei Wochen
Fast zwei Wochen dauert es, bis die Bremer Polizei auf eine entsprechende Anfrage reagierte, aber dann nur die knappe Antwort schickte: Aus „kriminaltaktischen Gründen“ seien keine Angaben möglich. Milad H. selbst will sich zu seiner Alias-Identität nicht äußern. Inzwischen wird wegen einer „ausländerrechtlichen Straftat“ gegen ihn ermittelt.
Besonders pikant: Milad H. ist Eigentümer von sieben Wohnungen im Delmenhorster Wollepark, seinem Bruder gehören dort zehn Einheiten. Beide Männer sind mit Mehmet E. befreundet. Der wiederum ist Eigentümer von insgesamt 15 Wohnungen. Sein Bruder, Sultan E., war bis vor Kurzem Verwalter der Eigentümergemeinschaft der beiden heruntergekommenen Blocks im Wollepark, die wegen des desolaten Zustands jetzt für unbewohnbar erklärt werden sollen.
Über die Zukunft des verwahrlosten Wohnquartiers in Delmenhorst gab es vergangene Woche ein Gespräch, zwischen Vertretern der Stadt und Matthias Volkmer, dem neuen Verwalter der Eigentümergemeinschaft, der insgesamt 80 Wohnungen in den beiden Problem-Hochhäusern gehören. Seit Monaten haben die Stadtwerke dort Wasser und Gas abgestellt, weil rund 110.000 Euro Schulden aufgelaufen sind. Das Gespräch sei konstruktiv verlaufen, sagen beide Seiten. Bislang haben sie auch ein gemeinsames Ziel: Die verbliebenen Mieter sollen ausziehen.
Aber schon bei der Frage, wer die Kosten für die erforderliche Brandwache übernimmt, die nach dem Wasserstopp Anfang Juli eingerichtet wurde, ist man sich uneinig. Rund 10.000 Euro pro Woche streckt die Stadt dafür vor. Und völlig unterschiedlich sehen beide Seiten die Zukunft der Wohnblocks: Die Stadt will den Eigentümern die Wohnungen abkaufen, um die desolaten Blocks abzureißen.
Doch die wollen nicht. Milad H. etwa versichert, er werde seine Wohnungen niemals verkaufen, nicht mal, wenn ihm 100.000 Euro für jede geboten würden. Mehr noch: Die Eigentümer seien Opfer einer „korrupten Stadt- und Stadtwerke-Mafia“, schreibt er in einer in Englisch verfassten Mail.
Auf der jüngsten Eigentümerversammlung vor gut zwei Wochen ließ sich Milad H. in den Verwaltungsbeirat wählen, unter seiner alten Alias-Identität Mohamad A. Unter diesem Namen wurde er auch kürzlich in einer Ermittlungsakte der Oldenburger Staatsanwaltschaft geführt. Die Stadtwerke Delmenhorst hatten Anzeige erstattet, wegen der hohen Außenstände, die immer noch nicht bezahlt wurden. Sie vermuten, dass die Zahlungen für Gas und Wasser von den Wohnungseigentümern veruntreut wurden. Das Jobcenter Delmenhorst hatte diese direkt an sie überwiesen, sie wurden aber offenbar nicht weitergegeben.
Warum die Staatsanwaltschaft nicht über die neue Identität des Mohamad A. informiert war, konnten die Oldenburger Ermittler bislang nicht beantworten. Das Strafverfahren ist inzwischen eingestellt. Dagegen haben die Stadtwerke Delmenhorst jetzt Beschwerde eingelegt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch