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RüstungsimporteSpanien will keine Waffen aus Israel mehr

Nach internem Druck hat Spaniens linke Regierung einen Vertrag für Munition gekündigt. Vom israelischen Außenministerium folgt scharfe Kritik.

Ein pro-palästinensischer Demonstrant hält bei einem Protestmarsch in Madrid im März ein Schild mit der Aufschrift „Israel tötet“ Foto: Manu Fernandez/ap

Madrid taz | Spaniens Linkskoalition unter dem Sozialisten Pedro Sánchez kündigt einen Vertrag für Munition aus Israel für die paramilitärische Polizeieinheit Guardia Civil in Höhe von 6,6 Millionen Euro. Es handelt sich um Kugeln vom Kaliber 9 mm Parabellum des Unternehmens IMI Systems LTD.

Innenminister Fernando Grande-Marlaska hatte die Munition mitten in der Osterwoche bestellt, in der Hoffnung, dies würde in den Ferien untergehen und nicht für Schlagzeilen sorgen. Doch weit gefehlt. Politiker des kleineren der beiden Koalitionspartner, dem linksalternativen Bündnis Sumar unter Arbeitsministerin und zweiter stellvertretenden Ministerpräsidentin Yolanda Díaz, schlugen Alarm.

Sie erinnerten Ministerpräsident Sánchez an seine nach Beginn des Gaza-Feldzuges der israelischen Armee eingegangenen Verpflichtung, in Israel weder Kriegsgerät zu kaufen noch Rüstungsgüter dorthin zu liefern. Nach tagelangem hin und her kündigte Sánchez jetzt den Vertrag.

Mindestens zwei weitere Verträge aus dem Verteidigungsministerium liegen auf Eis. „Nach Ausschöpfung aller Verhandlungsmöglichkeiten haben das Präsidium der Regierung, das zweite Vizepräsidentenamt sowie die zuständigen Ministerien beschlossen, den Vertrag zum Kauf von Munition des israelischen Unternehmen IMI Systems einseitig zu kündigen“, heißt es aus der Regierung.

Aus Israel meldet sich derweilen das Außenministerium zu Wort und „verurteilt aufs Schärfste die Entscheidung der spanischen Regierung, einen mit IMI Systems unterzeichneten Vertrag einseitig zu kündigen, sowie ihre Ankündigung, künftig keine Verteidigungsabkommen mit israelischen Unternehmen mehr abzuschließen.“ Sánchez opfere „Sicherheitserwägungen politischen Zielen“ und stelle „sich weiterhin auf die falsche Seite der Geschichte gegenüber dem jüdischen Staat, der sich an sieben Fronten gegen Terroranschläge verteidigt“, heißt es weiter.

Spanischer Außenminister: „Zweistaatenlösung erreichen“

Der spanische Außenminister José Manuel Albares reagierte nicht direkt auf Israel, schreibt jedoch auf X: „Im Interesse grundlegender Menschlichkeit müssen wir den Krieg beenden und eine Zweistaatenlösung erreichen. Wir werden uns nicht mit Gewalt abfinden. Frieden ist möglich. Ein dauerhafter Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln dürfen nicht aufgeschoben werden.“ Spanien gehört zu den Ländern, die in Folge des Krieges in Gaza Palästina als Staat anerkannt haben.

Sumar und die im Bündnis beteiligte postkommunistische Vereinigte Linke feiern die Aufkündigung des Vertrages als Erfolg. Doch die Debatte um Israel dürfte damit erst begonnen haben. Denn jetzt tauchen weitere Nachrichten zum Waffenhandel mit Israel in der Presse auf – trotz der Ankündigung, diese Handelsbeziehung einzustellen.

Laut dem Friedensforschungszentrum Delàs, einer unabhängigen Einrichtung in Katalonien, hat Spanien seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem Beginn des israelischen Gaza-Feldzuges, insgesamt 46 Bestellungen in Israel aufgegeben. Der Gesamtwert solle sich auf über eine Milliarde Euro belaufen.

Laut Delàs wurden zehn Bestellungen in Höhe von insgesamt 817 Millionen Euro noch nicht ausgeführt. Das Institut verlangt, dass auch diese Verträge umgehend storniert werden. Das Verteidigungsministerium will davon nicht wissen. Denn bei den meisten Verträgen handele es sich nicht um die Lieferung neuer Waffen oder Munition, sondern um Nachfolgeverträge, um Systeme im Besitz der spanischen Armee weiter betreiben zu können.

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11 Kommentare

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  • Spanien war schon im Mittelalter das Epizentrum europäischen Antisemitismus. Die Katholische Kirche schoss aus allen Rohren.

    Später applaudierten die Franco-Faschisten Hitlers antijüdischer Politik.

    Und heute? Bundeszentrale für politische Bildung: "Internationale vergleichende Umfragen, die seit der Jahrtausendwende durchgeführt werden, haben gezeigt, dass Spanien zu den Ländern in Westeuropa gehört, in denen der Antisemitismus besonders ausgeprägt ist. In der 2009 veröffentlichten Studie "Global Attitudes & Trends" des Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center wurde festgestellt, dass 46 Prozent der spanischen Bevölkerung abfällig über Juden urteilten. Spanien war das nichtmuslimische Land mit den negativsten Werten bei den Ansichten über Juden."

    Sieht so aus als wäre das ganze Zeugs im kollektiven Unbewussten der Spanier hängengeblieben, die Linken machen da keine Ausnahme. Reflexion scheint nicht stattzufinden. Im Gegenteil, jetzt wollen sie Israel sogar vom European Contest in Israel ausschließen.

    Vielleicht sollte sich da der Fokus besser auf Spanien richten.

    www.bpb.de/themen/...tismus-in-spanien/

    • @shantivanille:

      Ich bin mir nicht ganz sicher, was Sie sagen wollten. Dass man Völkerrechtsverstöße dulden soll, sobald sich ein Staat als "jüdisch" definiert? Wie sollen wir denn eine solche Auffassung nennen?

    • @shantivanille:

      Die Entscheidung Spaniens, keine Minition mehr aus Israel zu kaufen als Antisemitismus zu geiseln und Vergleiche zur Franco Diktatur zu ziehen, ist schon echt harter Tobak oder ums deutlicher zu formulieren. Es ist ein in jeder Hinsicht unlauterer Versuch, die klare Grenze zwischen kritischer Auseinandersetzung mit der Politik einer rechtsnationalen Regierung und Rassismus zu verwischen.



      Wenn irgendwo eine Reflexion ganz offensichtlich nicht stattfindet, dann genau an so einem Punkt.

    • @shantivanille:

      Was hat denn die Absage dieser Waffenlieferung mit Antisemitismus zu tun? Das sollte vielmehr ein Beispiel für sämtlichen Waffenhandel mit Kriegsverbrechern gelten, Ex- und Import gleichermaßen. Und Kriegsverbrecher sind in diesem Konlikt auf BEIDEN Seiten zu finden. Das zu bestreiten wäre purer Fanatismus. Nein, ich bin eben NICHT antisemitisch!

  • Spanien hat nicht nur den Staat Palästina anerkannt, sondern ist auch der Völkermord-Klage gegen Israel beigetreten. Das ist ganz schön heuchlerisch.

    • @ecox lucius:

      Das ist konsequent von Spanien.



      Vielleicht etwas, was wir uns abschauen können, als werteorientierte Bundesrepublik (dabei ruhig dann auch bei Marokko/Westsahara etc.).

    • @ecox lucius:

      Heuchlerische Konsequenz oder konsequente Heuchelei?

      Zitat @ecox lucius: "Spanien hat nicht nur den Staat Palästina anerkannt, sondern ist auch der Völkermord-Klage gegen Israel beigetreten. Das ist ganz schön heuchlerisch."

      Spanien hat nicht nur den Staat Palästina anerkannt, sondern ist auch der Völkermord-Klage gegen Israel beigetreten. Das ist ganz schön konsequent.

  • "¡Israel asesina!" heißt entgegen der verharmlosenden Bildunterschrift: "Israel mordet!"

  • Versteh die Logik nicht, wenn ich möchte das weniger Palästinenser erschossen werden ist es doch gut soviel Munition wie möglich zu kaufen. Am besten wir kaufen alle Munition die im gesamten nahen Osten im umlauf ist und dann können sich diejenigen die dort unbedingt Krieg wollen halt mit Steinen bewerfen.

    • @Jesus:

      Die Munition, die an Spanien geliefert wird, dürfte in Israel keine Mangelware sein (andernfalls würde man sie wohl nicht verkaufen). Allerdings finanziert man mit solchen Geschäften die israelische Waffenindustrie - und das zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt.

    • @Jesus:

      Weltfremd naiver Einwurf