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Rückzug von Sahra WagenknechtDas Momentum ist vorbei

Daniel Bax

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Daniel Bax

Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ steht vor einer ungewissen Zukunft. Die Partei zehrte von der Strahlkraft ihrer Galionsfigur. Das geht nun nicht mehr.

Sahra Wagenknecht verlässt die Pressekonferenz vor Fabio De Masi und Amira Mohamad Ali, wo sie ihren Rücktritt bekanntgegeben hat Foto: Michael Kappeler/dpa

W as bleibt vom Bündnis Sahra Wagenknecht ohne Wagenknecht an der Spitze? Die BSW-Chefin will den Vorsitz der Partei, die noch ihren Namen trägt, nun abgeben. Im Dezember will das BSW auf seinem Parteitag im Magdeburg zudem seinen Namen ändern. Das Kürzel soll künftig für Bündnis Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft stehen – so der Vorschlag der Parteiführung. Das BSW sieht damit einer ungewissen Zukunft entgegen. Denn ob der BSW-Europaabgeordnete Fabio De Masi, der auf Wagenknechts Wunsch neben Amira Mohamed Ali künftig die Geschicke der Partei leiten soll, das Ruder noch einmal herumreißen kann, ist fraglich.

Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel: In diesem Zwischenstadium bewegt sich das Bündnis Sahra Wagenknecht wie ein Untoter, seit es bei der Bundestagswahl spektakulär knapp an der Fünfprozenthürde scheiterte. Nicht einmal 10.000 Stimmen fehlten dem BSW. Union und SPD wären dann zur Regierungsbildung auf die Grünen angewiesen gewesen. Tempi passati! Nun dümpelt das BSW in Umfragen bundesweit nur noch bei 3 bis 4 Prozent. Zwar drängt das BSW bis heute auf eine Neuauszählung der Stimmen. Doch ob und wann diese kommt – und ob sie das Ergebnis ändert –, bleibt ungewiss. Wagenknecht selbst scheint kaum noch daran zu glauben.

Es ist dennoch zu früh, das BSW komplett abzuschreiben. Im Osten Deutschlands ist es immer noch eine relevante Regionalpartei, seit es dort bei drei Landtagswahlen im Herbst 2024 reüssierte. Es ist an zwei Landesregierungen beteiligt, in Brandenburg und in Thüringen. In Sachsen ist es ein Zünglein an der Waage, das der Minderheitsregierung von CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer und SPD zur Mehrheit verhelfen kann. Im nächsten Jahr stehen zudem Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin an, und in beiden Bundesländern hat das BSW laut Umfragen immer noch gute Chancen, über 5 Prozent zu kommen.

Aber reicht es für mehr? Das historische Momentum scheint vorbei. Ihre Haltung zum Krieg in der Ukraine, der Wagenknecht einen Teil ihrer Popularität verdankt, polarisiert die Gemüter nicht mehr so sehr. Und die wiederauferstandene Linke hat mit ihrem Sozialpopulismus dem BSW die Show gestohlen. Bisher zehrte das BSW von der Strahlkraft ihrer Galionsfigur. Selbst bei den Landtagswahlen prangte ihr Gesicht auf den Plakaten, obwohl Wagenknecht selbst nicht kandidierte. Wenn sie sich nun in die zweite Reihe zurückzieht, geht das nicht mehr. Das BSW könnte damit, zumindest im Bund, bald Geschichte werden. Wagenknechts Nachfolgern an der Spitze ihrer Partei droht die Rolle von Nachlassverwaltern zuzufallen.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Themenchef im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Am 19. November 2025 erscheint sein neues Buch "Die neue Lust auf Links" über das Comeback der Linkspartei im Goldmann Verlag.
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15 Kommentare

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  • Hauptsache, sie kann weiter quatschen, ohne dafür die Verantwortung übernehmen zu müssen. 30 Jahre Dauer-Politikpräsenz ohne jemals dafür geradezustehen: WOW – krasse Leistung!

  • Das BSW ist am Ende. Wagenknecht zieht für sich noch schnell zurück.

  • Das einzige für was das BSW gut war, ist, dass es der AfD entscheidende Stimmen kostete.



    Pro: dadurch haben wir in Thüringen eine stabile Regierung bekommen.



    Kontra: wir müssen Frau Wolf erdulden, die den Karren sukzessive tiefer in Dreck fährt und die AfD ist längst wieder erstarkt



    Alles in allem ein sinnloses Spektakel und ohne Langzeitwirkung gegen die AfD

  • Welche Strahlkraft? Der Kabarettist Wilfried Schmickler nannte die Inszenierung von Sarah passend: „Oskar Lafontaine im Outfit von Rosa Luxemburg“. Der Beschreibung ist kaum etwas hinzuzufügen.

  • "Rückzug von Sahra Wagenknecht"



    Ach ja, wozu eine verlorene Wahl doch gut sein kann.



    "Die Partei zehrte von der Strahlkraft ihrer Galionsfigur."



    Gemessen daran, was Wagenknecht schon alles angestoßen und erfolglos wieder fallengelassen hat, war diese Strahlkraft offenbar nicht so groß, wie sie und ihre Gefolgschaft immer angenommen haben.

  • die "strahlkraft der galionsfigur" gehört entzaubert, z.b. durch die lektüre dieses buches:



    "(sie) baut Brücken ins neofaschistische Lager, hat ihren anti­kapitalistischen Standpunkt eingetauscht gegen einen, der den deutschen Kapitalismus (den sie Marktwirtschaft nennt) unterstützenswert findet, und kultiviert idealistisch-konservatives und reaktionäres Gedankengut (Natürlichkeit sozialer Gesellschaftsformen, Universalität historisch-spezifischer Sachverhalte, Identitätstheorien etc.). Zeit für eine kritische Auseinandersetzung mit Wagenknechts ökonomischen, politischen und kulturellen Diagnosen und Perspektiven."



    argument.de/produk...ksalsgemeinschaft/



    so war der austritt der sarah wagenknecht aus der LINKEn ein segen: danach ging es mit der LINKEn rasant aufwärts.

    • @Brot&Rosen:

      Die Linke hat bei der letzten Wahl 8,8 % erhalten. In Umfragen steht sie bei 10 %. Das nennen Sie rasant aufwärts. Regiert die Linke demnächst mit.

      • @Martin Sauer:

        Vor dem Austritt Sarah Wagenknechts aus der Linken, lagen die Werte aber deutlich unter den 8%, soll heißen von diesem Zeitpunkt bis jetzt hat sie sich ungefähr verdoppelt. Also ja, es ging und geht aufwärts......

      • @Martin Sauer:

        Im Oktober 2023, als Wagenknecht aus der Linken austrat, stand die Partei bei 3%. Die allgemeine Einschätzung war, dass die Linke als Partei keine Zukunft hat. Aktuell steht die Linke in Umfragen bei 10 - 12 %.



        Es mag auch andere Faktoren geben, aber das Verschwinden des ehm ... "nationalsozialen" Flügels hat der Linken definitiv gutgetan.



        Und selbstverständlich ist ein Zuwachs von 7 - 9% in 2 Jahren eine rasante Entwicklung

  • "Das BSW könnte damit, zumindest im Bund, bald Geschichte werden."



    Es gibt sie noch, die guten Nachrichten!

  • Welches sind die wesentlichen Unterschiede von LINKE und BSW?

    Sehr interessante Aussagen von Lena Saniye Güngör:



    www.abgeordnetenwa...-von-linke-und-bsw

    Sahra Wagenknecht hat sich durch ihr übersteigertes Ego und ihre populistischen Machtansprüche selbst ins Abseits manövriert.

  • Hoffen wir mal, dass das BSW in der Versenkung verschwindet. Auf der Zersplitterung der Parteienlandschaft liegt kein Segen.

  • Das sich Sahra tatsächlich zurückzieht halte ich für eine Illusion. Das wird wie bei der PIS in Polen mit Kacynski laufen: Offiziell abgetreten und damit komfortabel von öffentlicher Kritik und Verantwortung abgeschirmt, aber intern über die neue Grundwertekommission jetzt auch nach den schriftlichen Statuten mit absoluter Vetopower über alle Parteiangelegenheiten ausgestattet.

    • @TheBox:

      "Dass sich Sahra tatsächlich zurückzieht halte ich für eine Illusion."



      Nicht unbedingt. Dass ihr das Durchhaltevermögen bei ausbleibenden Anfangserfolgen fehlt, hat sie ja schon mehrfach gezeigt.

    • @TheBox:

      So ist es -- eine Traumrolle für Frau Wagenknecht; die Mühen des Alltags müssen andere übernehmen.

      Ich wundere mich, dass Herr de Masi das mitmacht.