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Rückholaktion für deutsche UrlauberAlle haften für sich selbst

Heiko Maas will uns in diesem Sommer zwar ziehen lassen. Doch dieses Mal soll es keine Rückholaktionen für deutsche Urlauber geben.

(Noch) angenehm leer: Strand im spanischen Torremolinos Foto: Francis Gonzalez/SOPA Images/ZUMA Wire/dpa

B ald kann es losgehen – auch touristische Reisen werden wieder möglich! Natürlich wird es aus den Suhlen der schlechten Laune und Missgunst wieder das obligatorische Genöle über selbstsüchtige Urlauber geben, werden die Nationaltrottel wieder gnaddeln, dass das Getreidesilo von Wusterhausen/Dosse mit angrenzendem Spaßbad auch sehr sehenswert sei, und werden Klimapuristen mit ihren Wehklagen in den sozialen Netzwerken über die Reisen der anderen die Server in Kalifornien zum Glühen bringen, aber dennoch: Sehr viele Menschen werden sich fix vom Acker machen.

Denn es tut dem Menschen nicht gut, zu lange am Stück in Deutschland interniert zu sein. Das merkt man ja gerade überall. Eine Reise ins Ausland kann helfen, über den Tellerrand zu blicken, dann laufen die Gedanken vielleicht auch nicht ständig quer, sondern mal wieder geradeaus. Wenn dann mit Strand, Bergen oder überhaupt mal irgendwas Ansehnlichem Besseres zu tun ist, als Twitter und Leserkommentarspalten vollzuschreiben, können wir alle mal durchatmen. Doch Reisen bedeutet Verantwortung.

Die Welt da draußen ist groß, wir müssen lernen, auf unseren eigenen Beinen zu stehen. Weshalb unser sorgender Übervater, Außenminister Heiko Maas, explizit daran erinnert, dass er verlorene Schäfchen diesmal nicht wieder abzuholen gedenkt. Die müssen ganz allein der Wildnis trotzen. Keine Rückholaktion, falls das Urlaubsland dichtmacht – ein durchaus realistisches Szenario in einer pandemischen Lage, die weite Teile der Welt praktisch ungeimpft lässt.

Tausende Australier mussten das gerade erfahren: Ihr Heimatland lässt aus Indien niemanden mehr einreisen, nicht mal eigene Staatsbürger. Eine derartige Konsequenz ist in Deutschland, wo man es während der gesamten Pandemie nicht mal erwogen hat, ein funktionstüchtiges Kontrollregime bei Einreise und Einhaltung von Quarantänevorschriften einzuführen, natürlich undenkbar. Umso richtiger, wenn Maas jetzt auf das Selbstverständlichste hinweist: Reisende soll man nicht aufhalten, aber auch nicht aus ihrer Verantwortung entlassen, für sich und andere. Wer losfährt, haftet für eigene Risiken. Und soll sich so verhalten, dass er für andere keine mitbringt.

Wem das zu viel ist – auch in Wusterhausen/Dosse soll es sehr schön sein. Es gibt da sogar ein Spaßbad. Und der Internetempfang in Brandenburg unterstützt den guten Vorsatz, mal eine Weile offline zu bleiben.

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Heiko Werning
Autor
Heiko Werning ist Reptilienforscher aus Berufung, Froschbeschützer aus Notwendigkeit, Schriftsteller aus Gründen und Liedermacher aus Leidenschaft. Er studierte Technischen Umweltschutz und Geographie an der TU Berlin. Er tritt sonntags bei der Berliner „Reformbühne Heim & Welt“ und donnerstags bei den Weddinger „Brauseboys“ auf und schreibt regelmäßig für Taz und Titanic. Letzte Buchveröffentlichung: „Vom Wedding verweht“ (Edition Tiamat).
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7 Kommentare

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  • nette Info, ich mag den Artikel wirklich.

  • Apropos haften - wie wäre es für Klimaschäden zu "haften"? Bspw. Kostenbeteiligung an Beseitigung von Sturmschäden, Kompensation Ernteausfälle, Unterstützung von Klimaflüchtlingen usw. ...



    Hin-und Rückflug nach Palma de Mallorca bedeuten 0,606 t CO2.



    Bei angenommenen klimaverträglichen Jahresbudgets eines Menschen von 1,5 t CO2 sind demnach also bereits mehr als ein Drittel des Jahresbudgets aufgebraucht. Eine Flugreise nach Gran Canaria bedeuten bereits 1,315 t CO2, womit das Jahresbudget also fast aufgebraucht wäre.



    #flygskam

    • @Uranus:

      Ich bin ein großer Befürworter von Eigenverantwortung.



      Zum Stichwort Haftung mittels Kostenbeteiligung fielen mir da eine ganze Menge Dinge ein, auch ganz abseits Klimathemas.

      • @Schwarmgeist:

        Mein Einwurf war mehr eine polemische Übertragung des Umgangs mit der Pandemie auf das damit ebenso verbundene Problem der CO2-Emissionen als eine pragmatische Forderung. Da fände ich von vorhinein eine gemeinschaftlicher Regelung sinnvoller, wie bspw. tatsächlich klimafreundliche Reisemöglichkeiten/alternativen jenseits von Fliegen, Kreuzfahrten sowie eine Kontingentierung oder ein CO2-Pro-Kopf-Budget als ein Appell an die Eigenverantwortung. Letzteres funktioniert kaum bzw. hat nicht den notwendigen Effekt. Wie es im allgemeinen sinnvoll ist, entlang der Maxime zu handeln, dass Freiheit dort endet, wo die der Anderen beginnt, macht es Sinn diese auch auf die Konsumfreiheit zu übertragen. Jene wird im Kapitalismus nämlich oftmals als absolut/uneingeschränkt präsentiert. Und sicher, auch anderes menschliches Handeln ist hoch problematisch - insbesondere vorherrschendes wirtschaftliches Handeln im kapitalistischen System, wie auch die fehlende Einpreisung von Zerstörung/diverse negative Auswirkungen auf Mensch/Tier/Natur in Warenpreise.

    • @Uranus:

      Offenbar ist das vielen egal, wenn sie sich am Zielort wie die Sardinen auf einem Stück Ödland mit Dreckwasser dahinter legen können. Optimisten nennen diesen Zustand "Strand".

      • @Bunte Kuh:

        Das mag bei einigen der Fall sein. Schwierig ist, denke ich, das Erlangen einer Einsicht in die abstrakten, globalen, negativen, zeitversetzten Folgen der Klimaerhitzung und die Vordringlichkeit der Bedrohung durch die Klimaerhitzung und hieraus abzuleitende schnelle, radikale Veränderungen bezüglich Konsum, Produktion und Lebensweise. Dann noch unreflektierte Gewohnheiten/Luxusansprüche/vermeintlich zwingende Bedürfnisse ("Ich muss einmal im Jahr in den Urlaub fliegen"). So etwas schrieb hier ja auch mal eine TAZ-Autorin. Dann kapitalistisch geprägte Konsumethik uneingeschränkte Konsumfreiheit. Dann kindischer/ohnmächtiger Verweis auf die Anderen ("DIE machen aber auch" oder "DIE sind aber noch viel schlimmer"), als alternativlos gepredigte und verinnerlichte kapitalistische Regierungspolitik ... lässt bei vielen diesbezüglich nicht auf ausgeprägte Mündigkeit schließen. Viele Menschen haben ja Kinder oder innerhalb der Familie. Insofern denke ich nicht, dass all jene so abgebrühte Zyniker*innen sind, dass sie die Vernichtung der Lebensgrundlage für jene in Kauf nehmen würden.

  • Wusterhausen/Dosse.. eine wirklich guter Idee für die nächsten Urlaub. Gefällt mir.