Rückholaktion für deutsche Urlauber: Alle haften für sich selbst
Heiko Maas will uns in diesem Sommer zwar ziehen lassen. Doch dieses Mal soll es keine Rückholaktionen für deutsche Urlauber geben.

B ald kann es losgehen – auch touristische Reisen werden wieder möglich! Natürlich wird es aus den Suhlen der schlechten Laune und Missgunst wieder das obligatorische Genöle über selbstsüchtige Urlauber geben, werden die Nationaltrottel wieder gnaddeln, dass das Getreidesilo von Wusterhausen/Dosse mit angrenzendem Spaßbad auch sehr sehenswert sei, und werden Klimapuristen mit ihren Wehklagen in den sozialen Netzwerken über die Reisen der anderen die Server in Kalifornien zum Glühen bringen, aber dennoch: Sehr viele Menschen werden sich fix vom Acker machen.
Denn es tut dem Menschen nicht gut, zu lange am Stück in Deutschland interniert zu sein. Das merkt man ja gerade überall. Eine Reise ins Ausland kann helfen, über den Tellerrand zu blicken, dann laufen die Gedanken vielleicht auch nicht ständig quer, sondern mal wieder geradeaus. Wenn dann mit Strand, Bergen oder überhaupt mal irgendwas Ansehnlichem Besseres zu tun ist, als Twitter und Leserkommentarspalten vollzuschreiben, können wir alle mal durchatmen. Doch Reisen bedeutet Verantwortung.
Die Welt da draußen ist groß, wir müssen lernen, auf unseren eigenen Beinen zu stehen. Weshalb unser sorgender Übervater, Außenminister Heiko Maas, explizit daran erinnert, dass er verlorene Schäfchen diesmal nicht wieder abzuholen gedenkt. Die müssen ganz allein der Wildnis trotzen. Keine Rückholaktion, falls das Urlaubsland dichtmacht – ein durchaus realistisches Szenario in einer pandemischen Lage, die weite Teile der Welt praktisch ungeimpft lässt.
Tausende Australier mussten das gerade erfahren: Ihr Heimatland lässt aus Indien niemanden mehr einreisen, nicht mal eigene Staatsbürger. Eine derartige Konsequenz ist in Deutschland, wo man es während der gesamten Pandemie nicht mal erwogen hat, ein funktionstüchtiges Kontrollregime bei Einreise und Einhaltung von Quarantänevorschriften einzuführen, natürlich undenkbar. Umso richtiger, wenn Maas jetzt auf das Selbstverständlichste hinweist: Reisende soll man nicht aufhalten, aber auch nicht aus ihrer Verantwortung entlassen, für sich und andere. Wer losfährt, haftet für eigene Risiken. Und soll sich so verhalten, dass er für andere keine mitbringt.
Wem das zu viel ist – auch in Wusterhausen/Dosse soll es sehr schön sein. Es gibt da sogar ein Spaßbad. Und der Internetempfang in Brandenburg unterstützt den guten Vorsatz, mal eine Weile offline zu bleiben.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Protestaktion gegen CDU-Chef Merz
Alle Tassen im Konrad-Adenauer-Haus?
Vertreibung von Palästinensern
Amerikaner in Gaza
EU-Antwort auf Putin und Trump
Zu wenig und zu spät
CDU-Politiker boykottiert Radio Bremen
Zu links, zu grün, zu schlecht
USA in der Ukraine
Geheime Verhandlungen mit der Opposition
Wahlbeteiligung bei Hamburg-Wahl
Wählen geht, wer Geld hat