Rot-Rot-Grün in Thüringen: Ja, aber
Die SPD wird in Thüringen an der Seite der CDU nicht stärker, sondern schwächer. Eine Mitte-links-Regierung läge in ihrem puren Eigeninteresse.
D ie SPD in Thüringen ist untergegangen. Wäre es mit der Ansage, für immer Juniorpartner der CDU zu bleiben, besser gelaufen? Oder mit der Ansage, trotz passabler Regierungsbilanz mit der CDU jetzt auf jeden Fall mit der Linkspartei zu koalieren? Das weiß niemand. Außer dem SPD-Parteichef Sigmar Gabriel, der den offenbar unterbelichteten Ostgenossen in Erfurt mitteilte, sie wären besser bei der CDU geblieben. Wer solche Parteifreunde hat, braucht eigentlich keine politischen Gegner mehr.
Die SPD in Thüringen ist nach der Wahl in der gleichen misslichen Lage wie vorher. Irgendwo zwischen CDU und Linkspartei. Das politische Ritual fordert nach solche Debakeln Rücktritte von Schuldigen. Parteichef Christoph Matschie steht oben auf der Liste – der Parteilinke Andreas Bausenwein wäre, wenn er will, ein guter neuer Parteichef.
Mit der CDU nach diesem Katastrophenergebnis weiterzuregieren, hätte etwas Blindwütiges, Trotziges. Einfach weiter so? In Sachsen ist die SPD nach solchen Regierungsbeteiligungen noch weiter geschrumpft. Dass Christine Lieberknecht im Landtag automatisch alle Stimmen von CDU und SPD bekäme, ist eine kühne Vermutung. 2009 brauchte sie im dritten Wahlgang trotz vier Stimmen Mehrheit von SPD und CDU die FDP-Opposition im dritten Wahlgang.
Die neue SPD Fraktion steht übrigens etwas weiter links als die alte. Die SPD wird in Thüringen an der Seite der CDU nicht stärker, sondern schwächer. Es liegt im puren Eigeninteresse der SPD, zu versuchen, sich in einer Mitte-links-Regierung gegen Ramelow zu behaupten. Das kann schiefgehen, muss aber nicht. Die Linkspartei ist überaltert, die SPD in Thüringen kleiner, aber jünger.
Rot-Rot-Grün mit austariertem Koalitionsvertrag
Aber darf die aus der DDR-Opposition entstandene SPD die Linkspartei stützen? Es ist falsch, Vorbehalte alter Sozialdemokraten gegen die Ex-SEDler gering zu schätzen. Sie klingen etwas atemlos, übertrieben angesichts der braven Linkspartei. Aber sie haben einen ernsten Kern. Es gibt in der Linksfraktion in Erfurt zwei frühere IM.
Allerdings bescheinigen auch Grüne der Linkspartei in Thüringen sich mit ihrer Geschichte auseinandergesetzt zu haben. Mehr als die CDU. Es ist halt etwas komplizierter. Und: Ist es klug, in der Vergangenheit recht zu behalten und darüber die Gegenwart zu versäumen?
Die SPD hat die Wahl zwischen „kann schiefgehen“ und „geht bestimmt schief“. Denn sich für immer als Funktionspartei der CDU zu verdingen, heißt in die Bedeutungslosigkeit zu taumeln. Das ändert sich auch nicht, wenn die CDU die Sozialdemokraten in Erfurt wieder mit Ministerposten überhäuft.
Also Rot-Rot-Grün? Ja, aber. Nur wenn es einen genau austarierten Koalitionsvertrag gibt. Und, noch wichtiger, wenn alle möglichen Abweichler im Boot sind. Angeschnallt. Wenn das nicht sicher ist, lassen alle besser die Finger davon. Remember Ypsilanti.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Tod von Gerhart Baum
Einsamer Rufer in der FDP-Wüste
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?