Thüringer SPD pro Rot-Rot-Grün: Ein Hauch Wechselstimmung

Die SPD kann sich in Thüringen den Partner aussuchen. Es zeigen sich erste Tendenzen für eine rot-rot-grüne Regierung.

Hochstimmung? Sieht anders aus. SPD-Spitzenkandidatin Heike Taubert und Neu-Landeschef Andreas Bausewein Bild: dpa

BERLIN taz | Matthias Hey könnte es prächtig gehen. Der Thüringer SPD-Abgeordnete erhielt bei der Landtagswahl am vergangenen Sonntag 38,5 Prozent der Erststimmen in seinem Wahlkreis – so viele wie kein anderer Kandidat seiner Partei. Als einziger Sozialdemokrat holte er damit ein Direktmandat, und zur Belohnung wird er im neuen Landtag voraussichtlich Chef der SPD-Fraktion.

Matthias Hey geht es aber nicht prächtig. Die letzten Tage seien eine Qual gewesen, sagt er. „Und wenn ich an Donnerstag denke, bekomme ich jetzt schon Magenschmerzen.“ Dann beginnen für die SPD nämlich die Sondierungsgespräche, zunächst mit Linken und Grünen. Und Hey wird der fünfköpfigen Delegation seiner Partei angehören.

Die SPD ist der Königsmacher, muss sich zwischen einer Großen Koalition und Rot-Rot-Grün entscheiden. Aber beide Bündnisse hätten nur eine knappe Mehrheit von einer Stimme, und nach ihrem 12,4-Prozent-Debakel vom Sonntag sind die Sozialdemokraten in einer schwachen Verhandlungsposition.

Auf die Seite der einen oder anderen Option schlägt sich die Partei angesichts der Ausgangslage vorerst nicht, intern gilt sie zur Koalitionsfrage als gespalten. Zwei Tage nach der Wahl wird aber langsam klar: Für Rot-Rot-Grün unter einem linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow sind die Chancen zumindest nicht gesunken.

Die Befürworter einer Großen Koalition sind in den Gremiensitzungen der SPD zuletzt stiller geworden, berichten Insider. Gleichzeitig sei die Offenheit für ein Linksbündnis gewachsen. Und die Befürworter einer solchen Koalition, sie sammeln sich derzeit.

Wo ist am meisten zu holen?

Manche klingen dabei weiterhin vorsichtig. Hey zum Beispiel, der designierte Fraktionschef mit Magenschmerzen. Er habe keine Präferenz, sagt er. Aber auch: „Nach 25 Jahren sollten wir uns nicht auf dogmatische Argumente gegen einen linken Ministerpräsidenten beschränken. Es ist an der Zeit zu fragen, mit wem wir für das Land am meisten herausholen können.“

Andere werden deutlicher. Diana Lehmann etwa, bis 2011 thüringische Juso-Vorsitzende und nun erstmals in den Landtag gewählt. „Am Montag haben wir den ersten Schritt für einen personellen Neuanfang gemacht“, sagt sie und meint den Wechsel an der Parteispitze.

Andreas Bausewein soll dort neuer Landeschef werden. Der Erfurter Oberbürgermeister hatte vor der Wahl für Rot-Rot-Grün plädiert. „Jetzt ist es auch an der Zeit für einen politischen Wechsel“, sagt Neuling Lehmann. Einem Bündnis links der Mitte dürfe sich die Partei nicht länger verschließen.

Ein rot-rot-grünes Rathaus

Auch an der Basis weht ein wenig Wechselstimmung, zumindest in der Landeshauptstadt. Thorsten Haß leitet den Erfurter SPD-Kreisverband, mit rund 650 Mitgliedern der größte und einflussreichste im Land. „Im Erfurter Rathaus regiert bereits Rot-Rot-Grün. Das wollen wir auch im Landtag“, sagt er offen.

Ausgemachte Sache ist ein Linksbündnis damit aber noch lange nicht. Nach den Sondierungsgesprächen ist zur Koalitionsfrage in der SPD ein Mitgliederentscheid geplant. Und dessen Ausgang scheint bislang völlig offen. Zumal der Erfurter Kreisverband für das Land nicht repräsentativ ist: In ländlichen Gebieten gilt der Widerstand gegen einen linken Ministerpräsidenten weiterhin als stark.

Die Hurra-Schreie für Rot-Rot-Grün bleiben daher weiter aus. Zumal sich die Partei mit weiteren Problemen herumschlagen muss: Nach der Wahlschlappe erhält sie künftig weniger Geld, vor Ort muss sie Büros schließen. „Gleichzeitig macht die AfD welche auf“, sagt Hey. „Das ist zum Kotzen.“

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