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Rot-Rot-Grün in ThüringenJa, aber

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die SPD wird in Thüringen an der Seite der CDU nicht stärker, sondern schwächer. Eine Mitte-links-Regierung läge in ihrem puren Eigeninteresse.

So müde und traurig blickt die SPD in Thüringen ihrer Zukunft entgegen Bild: dpa

D ie SPD in Thüringen ist untergegangen. Wäre es mit der Ansage, für immer Juniorpartner der CDU zu bleiben, besser gelaufen? Oder mit der Ansage, trotz passabler Regierungsbilanz mit der CDU jetzt auf jeden Fall mit der Linkspartei zu koalieren? Das weiß niemand. Außer dem SPD-Parteichef Sigmar Gabriel, der den offenbar unterbelichteten Ostgenossen in Erfurt mitteilte, sie wären besser bei der CDU geblieben. Wer solche Parteifreunde hat, braucht eigentlich keine politischen Gegner mehr.

Die SPD in Thüringen ist nach der Wahl in der gleichen misslichen Lage wie vorher. Irgendwo zwischen CDU und Linkspartei. Das politische Ritual fordert nach solche Debakeln Rücktritte von Schuldigen. Parteichef Christoph Matschie steht oben auf der Liste – der Parteilinke Andreas Bausenwein wäre, wenn er will, ein guter neuer Parteichef.

Mit der CDU nach diesem Katastrophenergebnis weiterzuregieren, hätte etwas Blindwütiges, Trotziges. Einfach weiter so? In Sachsen ist die SPD nach solchen Regierungsbeteiligungen noch weiter geschrumpft. Dass Christine Lieberknecht im Landtag automatisch alle Stimmen von CDU und SPD bekäme, ist eine kühne Vermutung. 2009 brauchte sie im dritten Wahlgang trotz vier Stimmen Mehrheit von SPD und CDU die FDP-Opposition im dritten Wahlgang.

Die neue SPD Fraktion steht übrigens etwas weiter links als die alte. Die SPD wird in Thüringen an der Seite der CDU nicht stärker, sondern schwächer. Es liegt im puren Eigeninteresse der SPD, zu versuchen, sich in einer Mitte-links-Regierung gegen Ramelow zu behaupten. Das kann schiefgehen, muss aber nicht. Die Linkspartei ist überaltert, die SPD in Thüringen kleiner, aber jünger.

Rot-Rot-Grün mit austariertem Koalitionsvertrag

Aber darf die aus der DDR-Opposition entstandene SPD die Linkspartei stützen? Es ist falsch, Vorbehalte alter Sozialdemokraten gegen die Ex-SEDler gering zu schätzen. Sie klingen etwas atemlos, übertrieben angesichts der braven Linkspartei. Aber sie haben einen ernsten Kern. Es gibt in der Linksfraktion in Erfurt zwei frühere IM.

Allerdings bescheinigen auch Grüne der Linkspartei in Thüringen sich mit ihrer Geschichte auseinandergesetzt zu haben. Mehr als die CDU. Es ist halt etwas komplizierter. Und: Ist es klug, in der Vergangenheit recht zu behalten und darüber die Gegenwart zu versäumen?

Die SPD hat die Wahl zwischen „kann schiefgehen“ und „geht bestimmt schief“. Denn sich für immer als Funktionspartei der CDU zu verdingen, heißt in die Bedeutungslosigkeit zu taumeln. Das ändert sich auch nicht, wenn die CDU die Sozialdemokraten in Erfurt wieder mit Ministerposten überhäuft.

Also Rot-Rot-Grün? Ja, aber. Nur wenn es einen genau austarierten Koalitionsvertrag gibt. Und, noch wichtiger, wenn alle möglichen Abweichler im Boot sind. Angeschnallt. Wenn das nicht sicher ist, lassen alle besser die Finger davon. Remember Ypsilanti.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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18 Kommentare

 / 
  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    Eigentlich hat die SPD mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten bereits ihre Glaubwürdigkeit verloren - das war vor 100 Jahren. Vielleicht sollte man die Sozis daran jetzt immer wieder einmal erinnern, wenn sie sich selbst als "linke" Kraft bezeichnen.

  • Ja, es bleibt dabei: Wer hat uns verraten ,die Sozialdemokraten...

  • Nach der Wahl in Thüringen: CDU erwägt Afghanistan-Koalition! Schwarz/Rot eine Stimme im Parlament mehr! Rot/Rot/Grün eine Stimme im Parlament mehr! Das Abweichler-Risko wird wohl keiner eingehen wollen? Daher nicht versperren für Schwarz/Rot/Grün und das bestmöglichste dabei für Die Grünen herraus verhandeln!

  • Die SPD hat in ihrer Geschichte kontinuierlich nach und nach alle Prinzipien verraten, die sie einmal auf ihre Fahne geschrieben hatte. Vom Wähler wird das nun - mit reichlich Verspätung - ebenso kontinuierlich auf allen Ebenen bestraft. Die CDU verzichtet ja ohnehin seit jeher ganz auf Prinzipien und ist deshalb praktisch auch die einzige Option für die SPD. Nur wer der Linkspartei im Grunde schaden will, kann sich heute noch Koalitionen zwischen SPD und Linkspartei vorstellen.

  • "wenn alle möglichen Abweichler im Boot sind."

    Die SPD ist egal für wen, ein Wackelkandidat! Und mit dieser SPD in Thüringen könnte eine Wahl des/der Ministerpräsidenten/tin sowohl für Frau Lieberknecht als auch für Herrn Ramelow zum „Himmelfahrtskommando“ werden.

     

    Als Anhängsel der CDU droht der SPD dasselbe Schicksal wie der FDP. Ob sie als kleinerer Partner der Linken mehr Profil zeigen kann, bleibt dahingestellt. Als Koalitionsführer in Brandenburg (als Alternative zur CDU) konnte die SPD sich behaupten. Langfristig wir die SPD nur in einem linken Bündnis überleben können.

     

    Wer heute keine Alternativen mehr aufzeichnen kann, wird auch keine Wahl mehr gewinnen können. Und eine SPD, die keine Alternative zur CDU ist, wird verlieren. Eine gegenteilige Entwicklung hat gestern gerade Schweden erlebt. Dort will die SPD in einem rot-rot-grünen Bündnis regieren.

  • Dritte Möglichkeit ist gar nicht erwähnt. Die SPD geht in die Opposition und ermöglicht die Minderheitenregierung von CDU oder Links/Grün. Das wäre der Ypsilanti, nur ohne Wahlversprechen.

  • das 'Wenn' am Schluß ... ist ein glattes 'Nein'. Also empfiehlt der Artikel eine Koalition mit der CDU, mit etwas Bedauern verbrämt.

  • Zwei ehemalige IM in der Fraktion, noch dazu auf vorderen Listenplätzen aufgestellt, das finde ich schon bemerkenswert. Und das waren wirklich überzeugte Stasi-IM, nur mal unter "Frank Kuschel" nachschauen. Das wäre wirklich ein Armutszeugnis für die Rest-SPD, wenn sie damit Ramelow zum MInisterpräsidenten kürt....

  • -> Siegmar Gabriel - „Wer solche Parteifreunde hat, braucht eigentlich keine politischen Gegner mehr.“

     

    Stefan Reinecke hat vollkommen recht. Die SPD müsste eigentlich sich anders ausrichten. Das werden sie aber nicht tun.

     

    Die SPD hat sich entkernt, ihr fehlt die Vision, die Wählerschaft und der Mut, um überhaupt Hegemonie anzustreben.

     

    Im letzten Bundestagswahlkampf hat man Peer Steinbrück mit linken Ideen durchs Land gejagt und hinter den Kulissen austariert, wie man ohne ihn eine Regierung mit der CDU bildet, weil auf diese Konstellation ist die SPD gebucht.

     

    Es gibt m.M. gar keinen Unterschied zwischen SPD und Union – das ist praktisch eine Einheitspartei. Die regiert jetzt in jedem Fall in diesem Land, deswegen wird die Wahlenthaltung auch noch stark zunehmen.

  • Ein guter Tag für die soziale Demokratie :)

     

    Mit diesen Verlusten weiter bei der CDU zu bleiben (KOMMENTAR der CDU :"tolle Nachricht es gibt kein rot-rot") ist mehr als dämlich.

    Aber soll die SPD weiter die AfD füttern, an ihr ist eh kein sozialer Aspekt mehr übriggeblieben.

     

    Merkel bringt die SPD Bundesweit noch unter 18 % wartet nur ab Pseudo-SPD-Genossen

    • @Candide:

      Die zweite gute Nachricht : trotz "Bambi" geht die FDP in den verdienten Untergang!

       

      Weiter so !

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    Ja, stimmt ja - mit der Linkspartei kann man ja nicht regieren! Ich hab's schon fast vergessen. Danke, liebe taz! Was machen eigentlich eure Grünen?

  • Der Ypsilanti Vergleich hinkt aber. Sie hatte ja gerade vor der Wahl die Linke verschmäht um nachher ihr Wort zu brechen.

    Gerade das hat die SPD hier ja nicht gemacht.

     

    Weiterhin wäre es bei der Erwähnung der beiden ehemaligen IMs wichtig gewesen:

     

    A) Wer sind die beiden?

    B) Ist das Label gerichtsfest?

    C) Wie hoch ist ihre Schuld?

    D) Was haben Sie seit der Wende getan, diese abzuarbeiten?

     

    Irgendwann werden Sie es auch noch hinkriegen, Herr Reinecke, einen Artikel zu schreiben der die Linken nicht pauschal ablehnt.

    Insbesondere der Verweis auf Ypsilanti als letztens, ist noch einmal einen schönen Schlag in diese Anti Linke Kerbe.

  • eher werde ich "das meer mit einer muschel in ein sandloch schütten" (der kirchenvater augustinus hat die lektion über die dreieinigkeit bei dieser gelegenheit gelernt), als die spd die lektion aus ihrer verheerenden niederlage lernt und die finger aus dem bett der cdu nimmt: matschie, komm, jedes hat sein zeit - deine zeit ist vorbei.

    • @hanuman:

      Und dann bestimmen die Linken und die Grünen, was in unseren Schulen abläuft? Dann werden die Schulen im nächsten Bundesland ruiniert?

      Oder reicht hier einigen nicht, was gerade in Ba-Wü passiert?

      • @Waltraud Geyer:

        Keine Sorge, das Schulsystem in der BRD ist immer noch so schlecht, dass es nur wenig ausmacht, was ein einzelnes Bundesland macht.

         

        Angesischts des Wunsches der CDU in Thüringen, die Lehrer dort auch noch zu beamten und somit zu unkündbaren Bezugsempfängern unabhängig Ihrer Leistung zu machen, wird das Thüringer Schulsystem auch nicht besser. Es hat immerhin den ersten Schulamokläufer der BRD hervorgebracht.

    • D
      D.J.
      @hanuman:

      Und wie kommen Sie auf die Idee, dass es der SPD als wesentlich kleinerer Partner besser erginge, wenn sie einer Sozialistischen Einheitsregierung beiträte? Ich garantiere Ihnen weitere Wählerwanderungen zu CDU, AfD - und Linkspartei. Doofe Situation für die SPD, gewiss.

      • @D.J.:

        Die CDU-, AfD- und Linkspartei-Affinen in der SPD sind doch bereits alle abgewandert.

         

        Wenn die SPD mit der CDU weitermacht, wird sie keine neuen Wählerschichten erschliessen. Wenn sie neue Akzente setzt. hat sie diese Chance.