Rohingya nach Putsch in Myanmar: „Mehr Gewalt für alle“
Für die nach Bangladesch geflohenen Rohingya verringert der Putsch die Chance auf eine Rückkehr. Die Regierung in Dhaka will sie loswerden.
![Frauen, Männer und Kinder stehen in einer Reihe. Frauen, Männer und Kinder stehen in einer Reihe.](https://taz.de/picture/4660957/14/Rohingya-Bangladesch-Insel-1.jpeg)
In den Flüchtlingslagern sorgen sich die Menschen um ihre Verwandten in Myanmar. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber es wird davon ausgegangen, dass nach wie vor etwa eine halbe Million Rohingya in Myanmar leben. Sie sind im Gegensatz zur großen buddhistischen Mehrheit in Myanmar, dem früheren Birma, Muslime. Schon vor einigen Jahren war ihnen dort die Staatsangehörigkeit aberkannt worden.
Minara, eine Aktivistin in den Camps, macht sich wie viele andere außerdem Sorgen um ihre Aussichten, je wieder nach Myanmar zurückkehren zu können. „Was soll aus unseren Kindern werden, wenn wir nicht zurück nach Hause können?“
Auch die UN sind besorgt bezüglich des Schicksals der Rohingya. Im Jahr 2017 wurde die Minderheit in einer brutalen Kampagne von der Armee Myanmars aus dem Land vertrieben. „Wir befürchten, dass die Ereignisse die Lage verschlimmern“, sagte Sprecher UN-Stephane Dujarric vor Reportern.
Angst vor mehr Gewalt in Myanmar
Der Imam Zafor Alom sagte der taz: „Ich bete für Myanmar. Mein Herz ist immer noch dort.“ Tut es ihm leid, dass Myanmars bisherige De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi von den Militärs festgenommen wurde? „Ich bin in Myanmar geboren. Ich muss wohl auch für sie beten“, sagt er mit einem müden Lächeln.
Mozuna Khatu, Rohingya und vierfache Mutter
Die Friedensnobelpreisträgerin wurde von der internationalen Gemeinschaft dafür gegeißelt, dass sie zu dem Unrecht der genozidartigen Vertreibung der Rohingya geschwiegen hat. Im Jahr 2019 reiste sie sogar eigens nach Den Haag, um das Militär ihres Landes gegen Völkermordvorwürfe zu verteidigen. Große Sympathie erfuhr die vom Militär abgesetzte Staatsrätin deshalb in den Flüchtlingslagern im Südosten von Bangladesch nicht.
„Gott sei Dank“, prustete Mozuna Khatu, eine vierfache Mutter, als sie erfuhr, dass Aung San Suu Kyi festgenommen worden war. Doch dann verstand sie, dass nun an ihrer Stelle das verhasste Militär an der Macht ist. „Wie sollen wir jemals wieder in unsere Heimat zurückkehren können?“, fragt sie.
„Es wird mehr Gewalt für alle in Myanmar geben, ganz egal, welcher Religion sie angehören“, sagt ein Rohingya, der in einem Behelfscafé im Lager sitzt. Seinen Namen will er nicht preisgeben aus Angst vor dem Militär, falls er doch noch eines Tages zurückkehren kann.
Gespaltene Meinungen unter Rohingya
Darüber hinaus gab es unter den Rohingya auch Solidaritätsbekundungen. Der Dichter Mayyu Ali rief zu „Einheit“ im gemeinsamen Kampf gegen das Militär auf. Die Bangladesh Rohingya Student Union verurteilte den Coup auf ihrer Facebookseite und schrieb: „Freiheit für Suu Kyi und Freiheit für die Demokratie.“
Darüber hinaus gibt es auch überraschende Meinungen. Mohib Ullah, Vorsitzender der Arakan Rohingya Society for Peace and Human Rights (ARSPH) denkt, dass der Putsch etwas Gutes für die Rohingya bedeuten könnte. „Wir sind gegen den Coup und für Demokratie. Aber andererseits sind sowohl die bisherige Regierung als auch das Militär in Myanmar Feinde der Rohingya“, sagte er. „Jetzt kann das Militär wenigstens einfacher Entscheidungen treffen, die gut für uns sind. Als Aung San Suu Kyi an der Macht war, musste sie sich mit zu vielen Leuten absprechen.“
Das bangladeschische Außenministerium sagte in einer Mitteilung, dass die Regierung weiterhin davon ausgehe, dass Myanmar sich an seine Vereinbarungen zur Rücknahme der Rohingya hält. Die Vereinbarung ist schon seit inzwischen fast vier Jahren nicht umgesetzt worden.
Die Regierung in Dhaka scheint sich im Moment vor allem daran erinnern zu wollen, dass auch in den 80er und 90er Jahren unter dem damaligen Militärregime in Myanmar Rohingya-Flüchtlinge zurückgeführt wurden. „Wir erwarten, dass die Rückführungsbemühungen fortgeführt werden.“ An Bangladeschs Grenze mit Myanmar wurden Medienberichten zufolge die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt.
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