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Rodungen für einen neuen StadtteilDieti bleibt nicht

Die Stadt Freiburg setzt seit Samstag vorletzter Woche die Rodung eines Waldgebiets durch. Entstehen soll ein sozial-ökologisches Stadtviertel.

Ak­ti­vis­t:in­nen haben Baumhäuser errichtet. Sie wollen verhindern, dass ein Waldstück für den neuen Stadtteil weichen muss Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Am frühen Morgen rückte am Freiburger Langmattenwäldchen die Polizei an. Sie soll die teilweise Rodung eines Waldes für den geplanten neuen Stadtteil Freiburg Dietenbach absichern. Derzeit wird eine Schneise durch den Wald gerodet. Hier sind Versorgungsleitungen und eine Bahntrasse geplant. Seit vergangenem Samstag wird nun die Waldbesetzung von der Polizei geräumt. Dabei kam es wiederholt zu Festnahmen wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und das Vermummungsverbot.

Sophia Rudolf, Pressesprecherin der Besetzung von „DietiBleibt“, kritisiert das Vorgehen der Stadt: „Die Rodung der Schneise wäre aus unserer Sicht vermeidbar gewesen.“ Es hätte Alternativen gegeben, so die Sprecherin.

Die Rodung ist in Zeiten eines allgemeinen Artensterbens ein Armutszeugnis für die Stadt Freiburg

Christian Zissel vom Bündnis „Hände weg vom Dietenbach-Wald“

Auch das Aktionsbündnis „Hände weg vom Dietenbachwald“ übt Kritik. „Die Rodung ist in Zeiten eines allgemeinen Artensterbens ein Armutszeugnis für die Stadt Freiburg“, sagt Pressesprecher Christian Zissel. Durch die Rodung seien rund 21 Tierarten gefährdet, darunter verschiedene Vogel- und Fledermausarten. Frau Rudolf kritisiert zudem den Polizeieinsatz. Die Räumungs- und Rodungsarbeiten hätten teils ohne Rücksicht auf die Sicherheit der Menschen in den Baumhäusern stattgefunden.

Am vergangenen Samstag hatte sich eine Person in einem drei Meter tiefen Tunnel unter der Erde angekettet und zusätzlich einbetoniert. Der Tunnel sei wegen des anhaltenden Regens einsturzgefährdet gewesen, berichtete die Polizei dem SWR. In Zusammenarbeit mit dem Technischen Hilfswerk (THW) wurde sie aus dem Erdloch befreit.

Räumung nach Urteil des VGH

Die Rodungen waren vom Naturschutzbund (NABU) mit einer Klage im vergangenen Jahr zunächst gestoppt worden. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim entschied im März dieses Jahres jedoch, dass die Rodungen ab Oktober weitergehen dürfen.

Es ist vermutlich eines der letzten Gefechte um den Bau des neuen Wohnviertels in Freiburg. Der letztlich unauflösliche Konflikt zwischen Wohnungsnot und Flächenverbrauch auch bei sozialen und ökologischen Bauvorhaben wird in Freiburg seit Jahren in allen Facetten ausgefochten. Schon 2019 hatten sich nach einer überwältigenden Mehrheit im Gemeinderat auch die Freiburger in einem Bürgerentscheid mit 60 Prozent klar für den Bau des neuen Viertels ausgesprochen, und das bei einer Beteiligung von 50 Prozent.

Tatsächlich soll das Quartier nahezu klimaneutral gestaltet werden, durch energieeffizientes Bauen, erneuerbare Energieversorgung und nachhaltige Mobilitätskonzepte. Dazu gehören nach den Planungen auch großzügige Grünflächen und Versickerungsflächen. Mindestens 50 Prozent der Wohnungen sollen preisgebunden sein und eine sozial wie auch sonst vielfältige Bewohnerschaft anziehen. Bis zu 16.000 Menschen sollen in 6.900 Wohnungen Platz finden.

Dafür müssen 4,4 Hektar Wald gerodet und der namengebende Dietenbach verlegt werden. Das Viertel selbst wird auf 150 Hektar fruchtbarem Ackerland entstehen. Die Stadt führt insbesondere für die Rodung umfangreiche Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle durch.

Anm. d. Red vom 16. 12. 2024: In einer ersten Version dieses Textes vom 10. 12. 2024 sind uns Fehler unterlaufen. Anders als zunächst berichtet, sind die Rodungen nicht abgeschlossen. Gegen die Rodung hatte nicht das Aktionsbündnis „Hände weg vom Dietenbachwald“, sondern der Umweltverband Nabu geklagt. Die Proteste richten sich zudem nicht grundsätzlich gegen die Bebauung. Wir haben die entsprechenden Stellen korrigiert.

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