Bürgerentscheid in Freiburg: „Zeichen für lebendige Demokratie“

Die Freiburger haben für den Bau eines neuen grünen Wohnquartiers gestimmt. Obwohl 40 Prozent dagegen waren, ist die Stadt nicht gespalten.

Vögel fliegen über einen Acker, im Hintergrund sind Hochhäuser. Dort soll der neue Freiburger Stadtteil Dietenbach entstehen.

Wo heute Vögel fliegen, können bald 15.000 Menschen im neuen Stadtteil Dietenbach leben Foto: dpa

KARLSRUHE taz | Die Freiburger haben entschieden: Ein neues Stadtviertel für 15.000 Menschen kann gebaut werden. Für Oberbürgermeister Martin Horn war es eine „Entscheidung für Urbanität und die Weiterentwicklung der Stadt“. Freiburg gilt für Mieter als eine der teuersten Städte in Deutschland und erlebt einen jährlichen Zuzug von durchschnittlich 2.000 Menschen.

Beim gestrigen Bürgerentscheid haben nun 60 Prozent für die Bebauung des Geländes Dietenbach gestimmt, 40 dagegen. Ein klares Ergebnis. Und das bei einer Wahlbeteiligung von 49,6 Prozent, fast so hoch wie bei der Bürgermeisterwahl im vergangenen Jahr.

Oberbürgermeister Martin Horn sagte, ihm falle „ein Stein vom Herzen“. Die Abstimmung sei deshalb so spannend gewesen, weil es eine Entscheidung zwischen den „verschiedenen Facetten der Nachhaltigkeit“ gewesen sei. Die Wahlbeteiligung sei ein Zeichen lebendiger Demokratie in der Stadt, so Horn.

Die Gegner des Projekts hatten grundsätzliche Bedenken gegen den Flächenverbrauch und ein weiteres Wachstum der Stadt ins Feld geführt und statt Neubau Nachverdichtung im Stadtgebiet empfohlen.

Klimaneutrale Energie für 6.500 Wohnungen

Nach den Plänen sollen die 6.500 Wohnungen im Dietenbach-Viertel gemäß höchsten ökologischen Standards gebaut werden und etwa eine klimaneutrale Energieversorgung erhalten. Zudem soll das Viertel durch 50 Prozent sozial geförderten Wohnungsbau zur Dämpfung der Mietpreise in der Stadt beitragen. Eine breite Allianz aus Gemeinderat und Sozialverbänden, Arbeitgebern und Gewerkschaften, Elternbeiräten und Mietervereinen, hatte sich für den Bau eingesetzt. Im Stadtrat hatten alle Fraktionen bis auf zwei Räte für den Bau gestimmt.

Der Entscheid in Freiburg zum Dietenbach-Viertel hatte landesweit eine Diskussion über die Bürgerbeteiligung bei Bauprojekten ausgelöst. 2015 hatte die Landesregierung aus Grünen und SPD durch eine Gesetzesänderung Bürgerbeteiligung an Bauprojekten verpflichtend erklärt. Seitdem sind im Land einige Bauprojekte durch Bürgerbegehren verhindert worden, unter anderem im Landkreis Karlsruhe und am Bodensee.

Vor allem die CDU im Land, die seit 2016 als Juniorpartner mit den Grünen regiert, stellt die verstärkte Bürgerbeteiligung inzwischen in Frage. Der CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhardt regte an, sie wieder einzuschränken. Er sehe sie als „kritisches Hindernis, um dringend benötigtes Bauland zu erschließen“, hatte Reinhardt vergangene Woche gesagt.

Die Abstimmung in Freiburg zeigt, dass es den Gegnern eines Bauprojekts längst nicht immer gelingt, die Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren. Das Beispiel Freiburg zeigt auch, dass eine solche Diskussion und Abstimmung die Stadtgesellschaft nicht gespalten zurücklassen muss. Ulrich Glaubitz, einer der Sprecher der Initiative „Rettet Dietenbach“, erklärte: „40 Prozent können sich sehen lassen. Wir haben das Ergebnis als gute Demokraten zu akzeptieren.“

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