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Rezo übt MedienkritikBevormundung der Zielgruppe

Youtuber Rezo zerstört mal wieder. Diesmal ist die Presse dran. Viele, wenn auch nicht alle der angesprochenen Probleme, sind klug beobachtet.

Youtuber Rezo Foto: Henning Kaiser/dpa

Lügenpresse“, lachte der freundliche Mann vom Weingut, den ich Pfingsten auf der Radtour traf. Er selber habe das Fernsehen längst abgeschafft: „Ich lese nur noch Zeitung und höre Radio.“ Aber die Medien, die seien wirklich schlimm.

Ein bisschen so verhält es sich mit Rezos aktuellen Betrachtungen zur Presse. Wie immer hat seine „Zerstörungs“-Analyse Hand und Fuß. Beim Schreiben dieser Zeilen hatte sie schon mehr als 1,4 Millionen Klicks. Sie zerstört auch nicht. Sondern weist berechtigterweise auf einen Haufen Schwachpunkte bei vielen Medien hin – von fehlender Transparenz bis zur mangelhaften Fehlerkultur. Trotzdem schmeißt auch Rezos Video selbst zu viel in einen Topf. Was vielleicht daran liegt, dass wir alle dazu neigen, unsere Kundschaft zu unterschätzen.

Natürlich ist es unjournalistisch und hohl, dass goldene ­Blättchen mit Herz Promis und Prin­ze­s*innen ständig Trennungs-/Hochzeits-/Schwangerschaftsgerüchte ­anhängen. Aber glaubt wirklich wer, hier säßen reihenweise ältere Damen bei der Dauerwelle und fielen drauf rein? Es genügt der Besuch eines handelsüblichen Frisörgeschäfts, um zu begreifen, wie ­media-savvy die Zielgruppe ist. Was Verlage wie Bauer & Co. immer billiger gemacht auf den Markt schmeißen, ist im wörtlichsten aller Sinne Pulp Fiction. Und kommt auch so bei Leser*innen an. Warum diese ­Druckerzeugnisse unters Presseprivileg fallen und meinen, sie betrieben Journalismus, steht auf einem anderen Blatt.

Die eigene Zielgruppe zu unterschätzen trägt mittlerweile sportliche Züge. Beim Fernsehen heißt es gern: „Die Zuschauer*innen wollen das so.“ Woher das Fernsehen das weiß? Egal, Originalsprachen mit Untertitelung beispielsweise sind Zu­schaue­r*innen nicht zuzumuten. Dafür spricht im deutschen Fernsehkrimi der/die Kom­mis­sar*in zur Sicherheit gleich auch die eigene Audiodeskription mit. Denn dem bewegten Bild allein scheint man nicht zu trauen. Wahrscheinlich brauchen Dars­tel­le­r*innen deshalb heute keine Mimik mehr, aus der man Stimmungen, Gefühlsregungen, wirklich Gedachtes ablesen könnte. Es wird ja alles noch mal gesagt.

Zu Missverständnissen kommt es außerdem gerne mal bei Einordnungen und Meinungen. Rezo führt am Beispiel der FAZ jede Menge falsche „Tatsachenbehauptungen“ über sich selbst an. Dazu gehören Zweifel an seiner Unabhängigkeit. Oder die Unterstellung, seine Videos seien gar nicht handgemacht, sondern werden von einem großen Team im Hintergrund gestemmt. Die FAZ kann (oder will) sich eben nicht vorstellen, dass so etwas wie Rezos Format erfolgreicher ist als der eigene Laden mit den klugen ­Köpfen. Und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, wird munter Meinung gemacht. Aber so hohl, dass die Nut­ze­r*in­nen es leicht merken. Selbst beim Frisör.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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14 Kommentare

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  • Komma in der Einführung nach "Probleme", bitte.



    Der sprachliche Schlendrian nervt.

  • Wie Rezo in seinem YouTube Video den Innenpolitik-Chef der FAZ 'Jasper von Altenbockum' vorführt, ist besonders sehenswert.

    Der SPIEGEL schreibt sehr treffend: *Der audiovisuelle Essay mit dem Titel "Die Zerstörung der Presse" ist in Vehemenz, Präzision und Aufmachung angelehnt an "Die Zerstörung der CDU", mit dem Rezo vor Jahresfrist die großen Volksparteien ins Schwimmen gebracht hat. Gleiches gelingt ihm hier mit den etablierten Medien, wenn man die empfindlichen Reaktionen von Julian Reichelt ("Bild") und Jasper von Altenbockum ("FAZ") auf Twitter richtig interpretiert.*

    Vielleicht sollten Julian Reichelt ("Bild") und Jasper von Altenbockum ("FAZ") bei dem studierten Informatiker und YouTuber mal ein paar Stunden in Journalismus und Quellenangaben belegen, anstatt wieder nur wütende Kommentare gegen Rezo zu schreiben.

  • RS
    Ria Sauter

    Warum schreibt ihr in der Unterschrift von "zerstören"?



    Damit gebt ihr ihm und seinem Beitrag recht in jeder Beziehung.

    Er hat also wieder einmal genau ins Schwarze getroffen.

  • FAZ? Kluge Köpfe? Man lernt nie aus...

    Pro tip: wenn Ihr Fischhänldler Sie (just beim Fischkauf) als "klugen Kopf betitelt, dann nehmen Sie das Lob wohlwollend aber kritisch entgegen. Sonst sind Sie keiner.

  • 8G
    80336 (Profil gelöscht)

    Der durch Mehrheit bestimmte Zustand einer Republik lässt sich an jenem Geisteszustand messen, der durch verkaufte Auflagen von Zeitungen und täglichen Einschaltquoten dokumentiert.

  • Ich verstehe den Text nicht. Was ist denn genau die Kritik zum Video, also dem Anlass für diesen Text? Und wo ist das Argument? Nur die ebenso unbegründete Meinung, die Leser:innen wüssten schon was sie da konsumieren? Soll das nur für Klatschblätter oder auch für Springer-Erzeugnisse, YouTube-Schwurbler und Telegram-Aktivisten gelten?



    Es geht doch überhaupt nicht darum, dass jemand gesagt hat ALLE Leser glauben ALLES was geschrieben wird. Wenige Omas werden die Geschichten über den Adel lesen und alles glauben, aber irgendwas bleibt halt hängen und das wird dann verbreitet. Es wird spekuliert, es werden eigene Geschichten erfunden "wieso, weshalb, warum". Das gleiche gilt für die anderen an denen Rezo Kritik übt. Das findet einfach statt und ein Teil der Presse verdient daran Geld, selbst wenn die Mehrheit der Leser:innen es hinterschaut.

    Ich hoffe mal da kommt noch mehr von der taz, dieser Kommentar alleine wäre angesichts der Aufforderung von Rezo an richtige Journalist:innen schlechter als keine Reaktion.

  • Das ist wieder mal ein geiles Video, und ein Punkt fiel mir besonders auf: Die Kritik, dass auch in seriösen Online-Artikeln kaum Quellen in Form von Links vorkommen. Rezo kritisiert das zwar, es kann aber auch gute Gründe geben, nicht alles zu verlinken. Man muss z.B. rechten Schwurblern nicht auch noch Klicks bescheren. Außerdem sieht manches Medium wohl auch die Exklusivität seiner Information gefährdet, wenn klar wird, dass letztendlich doch alles nur sekundär ist.

    • @Mirko Klemm:

      Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - fügt an -

      “ Moinmoin







      "..wenn klar wird, dass letztendlich doch alles nur sekundär ist. " (MIRKO KLEMM ebenda)“

      kurz - So isses

  • Eine Distanzierung vom Goldenen Blatt und Springer sieht anders aus.



    Sind das für Dich Berufskollegen?

    • @Martin Schröder:

      Der Punkt ist wohl, dass Redaktionen einen Job machen. Dieser Job besteht aber nicht bei allen nur darin, "die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit" zu liefern und sonst gar nichts. Teilweise ist es Meinungsmache, teilweise Entertainment und teilweise eben im Rahmen dieses Entertainment auch nur ganz dünn verschleierte Fiktion.

      Und bei allen Vorbehalten, die man angesichts der Parallelwelten und "alternative facts" da draußen gegen eine solche Relativierung des journalistischen Auftrags haben mag: Am Ende entscheiden die Leser. Und wer seine Leser so informiert bzw. unterhält, wie die das haben wollen, der macht seinen Job.

      Ich z. B. lese taz.de, weil ich gerade NICHT will, dass mir die Welt immer so dargestellt wird, wie ich sie gerne sehe. Aber das ist meine persönliche Präferenz. Andere taz-Leser reiben sich die Augen oder kriegen gar einen Riesenhals und geben (zum wievielten Mal?) ihr Abo zurück, wenn hier ein Artikel oder ein Kommentar ihrem Weltbild widerspricht.

      Nicht anders dürfte es bei FAZ-Lesern oder der Springerpresse sein. Auch denen wird vorgeworfen, dass sie ihre Sache verraten oder schlechte Arbeit leisten, wenn dem jeweiligen Leser die verbreiteten Meinungen nicht passen, während manch ein taz-Leser vielleicht angesichts solcher "Ausfallerscheinungen" zufrieden nickt und den betreffenden Autor unter "doch nicht hoffnungslos" abheften mag. Und das Goldene Blatt is eben Regenbogenpresse und damit auch eine andere Welt, deren Maßstäbe für die taz nicht gelten - aber umgekehrt eben auch nicht.

      Insofern finde ich die nüchterne Betrachtung, die dieser Artikel weniger "kritischen" oder "progressiven" Branchenvertretern zuteil werden lässt, genau richtig.

    • @Martin Schröder:

      May be. Who knows?

      bzgl. Springer hat die taz eh ne faule Stelle - ja mehrere leider. 😱

  • Rezos Kritik lässt sich auf den Kinderspruch verkürzen: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er ganz die Wahrheit spricht“. Wenn man das ernst nimmt spielt es eben sehr wohl eine Rolle, ob an den Geschichten der Frisörzeitschriften etwas dran ist. Wo Journalisten kein klares Verhältnis zur Wahrheit haben schaden sie dem Vertrauen, dass der Vierten Gewalt insgesamt entgegengebracht wird.

  • Ok. Ok. Nehmmer den noch dazu - dann wirds - 😱 -

    www.spiegel.de/kul...-963b-38552530e2bb

    Na Mahlzeit